Kaffeerunden-Splitter – Versorgungs- und Teilungsordnung sind wichtig

Am 1. und 3. Mittwoch im Monat findet seit zwei Jahren in der Zeit von 14:00 bis 15:00 Uhr die „Kaffeerunde Versorgungsausgleich“, eine virtuelle Diskussion zwischen Anwalt- und Richterschaft, Versicherungsmathematiker:innen, Rentenberater:innen und Versorgungsausgleichsspezialist:innen einiger Versicherungskonzerne statt. Die Veranstaltung wird von FAFamR Jörn Hauß und VorsRiOLG a.D. Werner Schwamb moderiert. Die Teilnahme steht jeder interessierten Person frei und ist kostenlos. Jede:r kann sich mit Fragen und Anregungen an die Kaffeerunde wenden und in den Verteiler aufgenommen werden. Wie in jeder Kaffeerunde können Fragen zum Versorgungsausgleich auch während der Runde gestellt werden, sinnvoller ist es jedoch, sie zuvor an Jörn Hauß per Mail zu richten: Hauss@Anwaelte-DU.de.

Der FamRB wird praktisch wichtige „Ergebnisse“ der Diskussion aus der Kaffeerunde von Zeit zu Zeit auch in seinem Blog vorstellen.

Der Versorgungsausgleich ist zumeist der werthaltigste Teil einer Scheidung. Allerdings ist er oft auch der Fernliegendste. Unterhalt und Zugewinnausgleichszahlungen belasten dagegen sofort. Deshalb ist es menschlich verständlich, dass sich die scheidungsbereiten Ehegatten und die Anwaltschaft mit dem „Kleingeduckten“ der auszugleichenden Versorgungen, den Versorgungs- und Teilungsordnungen nicht oder nur ungern beschäftigen.

Vorbildlich also, dass eine Kollegin bei einer zugunsten ihrer Mandantin zu teilenden Versorgung rügte, dass nach der Teilungsordnung die Versorgung aus dem Ausgleichswert zum Rechtskraftzeitpunkt zu den „aktuellen Versicherungsbedingungen“ begründet werden sollte. Ebenso aufmerksam, dass sie die Teilhabe ihrer Mandantin an der Wertenwicklung des ehezeitlich erworbenen Fondsvermögens zwischen Ehezeitende und Rechtskraft geltend machte. Der Ausgleich dieser Versorgung war Gegenstand der Entscheidung des OLG Frankfurt v. 21.11.2023 (OLG Frankfurt v. 21.11.2023 – 6 UF 222/22, FamRB 2024, 143 [Breuers]) und diese nun wiederum der „Kaffeerunde Versorgungsausgleich“ am 21.2.2024 .

Der ernüchternde Ausgang des Verfahrens war bei genauem Hinsehen dem Typ der auszugleichenden Versorgung geschuldet: Der Versicherungsnehmer konnte aus eine ellenlangen Liste von Fonds beim Versorgungsträger ein Versorgungsvermögen ansammeln, beliebige Entnahmen und Neuanlagen während der Laufzeit tätigen, seine gewählten Fonds austauschen und Anteile daran beliebig verändern. Es handelt sich also um ein Eigenmanagement eines reinen Fonds-Vorsorgevermögens. Der Versorgungsträger eröffnete der versicherten Person die Möglichkeit, aus dem so angesammelten Versorgungsvermögen zum selbst gewählten Renteneintritt eine Kapitalauszahlung oder zu den dann maßgeblichen Berechnungsparametern eine lebenslange Rentenauszahlung zu wählen. Das ehezeitlich aufgebaute Vorsorgevermögen wurde aus der Differenz von eheanfänglich und eheendzeitlich vorhandenem Vorsorgevermögen und daraus die Ausgleichswert-Quote gebildet. Mit dieser wurde nach der Teilungsordnung das bei Rechtskraft vorhandene Versorgungsvermögen multipliziert und so der „aktualisierte“ Ausgleichswert der ausgleichsberechtigten Person gutgeschrieben, die sich ihr Vorsorgevermögen aus einer Liste von rd. 80 angebotenen Fonds selbst zusammenstellen konnte.

Die Verzinsung des Ausgleichswerts zwischen Ehezeitende und Rechtskraft war daher nicht anzuordnen, weil die Wertteilhabe am Vorsorgevermögen in dieser Zeit durch die Kursentwicklung der Fonds sichergestellt ist. Und auch die Anordnung, bei der Berechnung der später zu zahlenden Versorgung an die ausgleichsberechtigte Person die vertraglich festgelegten Berechnungsparameter der ausgleichspflichtigen Person anzuwenden, war obsolet, weil die bei Renteneintritt maßgeblichen Berechnungsparameter für die Begründung der Rentenhöhe maßgeblich sein sollten und damit der Tarifwechsel bzw. die Tarifaktualisierung schon der Quellversorgung beigegeben war.

Die ausführlich und gut begründete Entscheidung des OLG Frankfurt wäre entbehrlich gewesen, hätte der Versorgungsträger die der Versorgung zugrundeliegende Versicherungspolice mitübersandt. Ein bisschen schade wäre das aber auch gewesen, weil wir dann die interessante Entscheidung des OLG mit vielerlei Erkenntnissen über die Vielfältigkeit der Versorgungslandschaft nicht hätten diskutieren können (müssen).

Eine Frage blieb aber in der Entscheidung und der Kaffeerunde offen: Wenn der Versicherungsnehmer in der Zeit zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung die Zusammenstellung des Fonds verändert und dadurch Gewinne oder Verluste generiert werden, partizipiert der ausgleichsberechtigte Ehegatte daran, obwohl es sich um ein nachehezeitliches Ereignis handelt? Diskutieren Sie gern mit!

Beraterhinweis

Beim Ausgleich hochwertiger Versorgungen sollte niemand ohne Einsichtnahme in die Versorgungs- und Teilungsordnung den Versorgungsausgleich „passieren lassen“. Es ist fahrlässig, sich auf die Prüfungspflicht des Gerichts zu verlassen. Das Gericht haftet nicht für Schäden, wohl aber die Anwaltschaft.

Eine „Beanstandungsliste“ von über 300 Teilungsordnungen finden Sie hier im Blog unter https://blog.otto-schmidt.de/famrb/2023/06/20/das-gestaendnis-warum-anwalt-und-richterschaft-bei-teilungsordnungen-genau-hinschauen-sollte/.

Kaffeerunden-Splitter – Versorgungsausgleichsgewinne mit Teilrente realisieren

Am 1. und 3. Mittwoch im Monat findet seit zwei Jahren in der Zeit von 14:00 bis 15:00 Uhr die „Kaffeerunde Versorgungsausgleich“ statt, eine virtuelle Diskussion zwischen Anwalt- und Richterschaft, Versicherungsmathematiker:innen, Rentenberater:innen und Versorgungsausgleichsspezialist:innen einiger Versicherungskonzerne statt. Die Veranstaltung wird von FAFamR Jörn Hauß und VorsRiOLG a.D. Werner Schwamb moderiert. Die Teilnahme steht jeder interessierten Person frei und ist kostenlos. Jede:jeder kann sich mit Fragen und Anregungen an die Kaffeerunde wenden und in den Verteiler aufgenommen werden. Wie in jeder Kaffeerunde können Fragen zum Versorgungsausgleich auch während der Runde gestellt werden, sinnvoller ist es jedoch, sie zuvor an Jörn Hauß per Mail zu richten: Hauss@Anwaelte-DU.de.

Der FamRB wird praktisch wichtige „Ergebnisse“ der Diskussion aus der Kaffeerunde von Zeit zu Zeit auch in seinem Blog vorstellen.

Die externe Teilung von Anrechten der betrieblichen und privaten Altersvorsorge oder die Abfindung schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche führt oftmals zu erheblichen Versorgungsgewinnen, wenn der Ausgleichswert mit einem Rechnungszins unter 3 % berechnet wurde und die Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) begründet werden kann. Derzeit betragen die Versorgungsgewinne ca. 70 % für eine 50-jährige ausgleichsberechtigte Person.

Scheitert die Versorgungsbegründung daran, dass die ausgleichsberechtigte Person bereits eine Vollrente wegen Alters bezieht und sie die Regelaltersgrenze bereits überschritten hat (§ 187 SGB VI) kann jedoch zu ihren Gunsten eine Versorgung durch Beitragszahlung nicht mehr begründet werden.

Zwar vermindert sich der Vorteil ab Renteneintritt der ausgleichsberechtigten Person kontinuierlich, aber auch im Alter von 70 Jahren beträgt er noch rund 15 %.

Wie bekommt man also den Ausgleichswert einer externen Teilung oder den Abfindungsbetrag eines schuldrechtlich auszugleichenden Anrechts (§§ 23, 24 VersAusglG) trotz Altersrentenbezug und Erreichen der Regelaltersgrenze in die DRV?

Ganz einfach: Die ausgleichsberechtigte Person wechselt zuvor von der Voll- in die Teilrente und beantragt beim Versorgungsträger eine Teilrente in Höhe von 99,99 % der Vollrente. Das öffnet das Tor der DRV für den Beitrag oder die Abfindungszahlung. Der Versorgungsverlust von 0,01 % dürfte dabei verschmerzbar sein. Wer es nicht glaubt, lese im Rechtsportal der DRV nach: https:/rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de unter Gemeinsame Rechtliche Anweisungen (GRA) zu § 42 SGB VI Ziff. 2.2. unter Verweis auf AGVR 4/2022, TOP 4:

„Versicherte können die Höhe der Teilrente in beliebigen Prozentschritten mit zwei Dezimalstellen (Nachkommastellen) wählen. Die Teilrente muss allerdings mindestens 10,00 Prozent der Vollrente betragen (§ 42 Abs. 1 SGB VI). Sie kann höchstens in Höhe von 99,99 Prozent in Anspruch genommen werden.“

Wer also ausgleichsberechtigte Personen in Abänderungsverfahren (§ 51 VersAusglG) oder über die Abfindung schuldrechtlich auszugleichender Versorgungen (§§ 23, 24 VersAusglG) berät, sollte tunlichst prüfen, ob bei externer Teilung oder Abfindung die gesetzliche Rentenversicherung als Transfergewinne bescherende Zielversorgung in Betracht kommt. Selbst für den betagten Vollrentner ist der vorherige Wechsel zur Teilrente i.H.v. 99,9 % meist noch günstig. Wird der Abfindungs- oder Ausgleichswert mit einem Rechnungszins von unter 2,3 % berechnet, ist es selbst für eine 73 Jahre alte Person meist noch günstiger auf 0,01 % der Vollrente zu verzichten und den externen Ausgleich oder die Abfindung in die gesetzliche Rentenversicherung zu steuern. Beim 68 Jahre alten Vollrentenbezieher wird noch bei einem Rechnungszins von 3,5 % ein deutlicher Transfergewinn erzielt.

Bei werthaltigen Anrechten helfen Versicherungsmathematikerinnen, Rentenberater, aber auch die auf den Versorgungsausgleich spezialisierte Anwaltschaft konkret weiter.

Ausschluss des persönlichen Kontakts – Auskunft als Alternative? (Bdb. OLG v. 15.11.2023 – 13 UF 62/23)

Durch das zum 13.7.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters wurde den leiblichen Vätern, die ein ernsthaftes Interesse an dem Kind zeigen, ein Recht auf Umgang eingeräumt, soweit dieser dem Kindeswohl dient. Ebenso wurde ihnen bei berechtigtem Interesse ein Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes eröffnet, soweit diese Auskunft dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

Während der Auskunftsanspruch der leiblichen Väter seit seinem Inkrafttreten gleichrangige Bedeutung neben dem persönlichen Umgang hatte, hat er im Kreis der rechtlichen Väter nach wie vor ein Schattendasein. Der Fokus liegt – durchaus berechtigt – auf dem persönlichen Umgang mit dem Kind. Im Zug einer steigenden Tendenz hochstreitiger kindschaftsrechtlicher Auseinandersetzungen, in die gewollt oder ungewollt auch die Kinder involviert werden, steigt allerdings auch die Quote der seitens der Kinder erklärten Umgangsverweigerung. Für den nicht betreuenden Elternteil ergibt sich damit aber auch die Frage, ob ggf. die Umsetzung zumindest eines Auskunftsanspruchs eine Alternative zum persönlichen Umgang darstellen kann.

Das Brandenburgische OLG hat sich in einer Entscheidung vom 15.11.2023 mit dieser besonderen Problematik auseinandergesetzt:

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die minderjährige Tochter mit ihrer zwischenzeitlich volljährigen Schwester zunächst nach der Trennung ihrer Eltern im Haushalt ihres Vaters gelebt, war im Zug weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen der Eltern aber zusammen mit ihrer Schwester in den Haushalt der Mutter gewechselt, wobei auf ausdrücklichen Wunsch der noch minderjährigen Tochter der Umgang mit dem Vater bis zum Eintritt der Volljährigkeit ausgeschlossen wurde. Dem seitens des Vaters gerichtlich geltend gemachten Auskunftsanspruch ist das Ausgangsgericht im Wesentlichen gefolgt.

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Mutter sowie der Verfahrensbeiständin hat das Brandenburgische OLG jedoch die Ausgangsentscheidung teilweise aufgehoben und weitergehende Anträge des Vaters abgewiesen. In seiner Begründung hat der Senat darauf verwiesen, dass dem Vater grundsätzlich der geltend gemachte Auskunftsanspruch zusteht, da er weder personensorgeberechtigt ist, noch Umgang mit seiner Tochter hat. Anhaltspunkte dafür, dass die begehrte Auskunftserteilung missbräuchlich sein könnte, hat der Senat verneint.

Eine Einschränkung der Auskunft hat er jedoch bejaht vor dem Hintergrund des ausdrücklich erklärten Willens der Tochter, da ihr unter Berücksichtigung ihres Alters und Entwicklungsstands zuzugestehen war, über Informationen zu höchstpersönlichen Angelegenheiten selbst zu bestimmen. Dem Auskunftsrecht des Vaters auf Informationen zu stationären Krankenhausaufenthalten und deren Grund, über den Schulbesuch sowie die Information über die Aufnahme einer Berufsausbildung stand das Recht der informationellen Selbstbestimmung der Tochter entgegen. Nach dem persönlichen Eindruck des Senats war die Jugendliche in der Lage altersgemäß ihren Willen zu bilden und sich prägnant ausdrücken. Ihr ausdrücklich erklärter Wunsch, dass der Vater kein Foto von ihr oder Informationen über ihre schulischen Leistungen, ihren Ausbildungsweg sowie umfassende Auskünfte zu etwaigen Krankenhausaufenthalten erhalte sollte, war daher zu berücksichtigen. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass Interessen der Mutter bei diesen Äußerungen im Vordergrund standen, ergaben sich nicht, wobei der Senat zudem darauf verweist, dass auch ein manipulierter Wille nicht ohne weiteres unbeachtlich ist, wenn er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist.

Auskunftsansprüche als Alternative zum persönlichen Umgang stehen damit nicht nur unter dem Vorbehalt des berechtigten Interesses des Auskunftsbegehrenden und der Abwägung eines möglichen Widerspruchs zum Kindeswohl. Der Anspruchsinhalt muss sich zudem am Alter des unmittelbar betroffenen Kindes orientieren, so dass einem sich der Volljährigkeit nähernden Jugendlichen letztlich die Entscheidungsfreiheit verbleiben muss, in welchem Umfang er mit der Weitergabe von Informationen einverstanden ist, die seine höchstpersönliche Privat- und Intimsphäre betreffen.

Neuer § 241a SGB VI – Hamburg ergreift die Initiative

Über den Bundesrat will Hamburg eine Schwachstelle des Versorgungsausgleichs beseitigen (BR-Drucks. 402/23). Wird im Versorgungsausgleich zugunsten von Landes- oder Kommunalbeamtinnen oder -beamten eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet, kann daraus für die ausgleichsberechtigte Person i.d.R. erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 235 SGB VI) eine Versorgung bezogen werden. Bei „besonderen Altersgrenzen“, die in der Beamtenversorgung für Vollzugs-, Polizei-, Feuerwehrbeamtinnen und -beamte, für Berufssoldatinnen und -soldaten gelten, wird das dann ein Problem, wenn der Versorgungsbezieher mit einer besonderen (früheren) Altersgrenze im Versorgungsausgleich höhere Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erwirbt, als er aus der eigenen Beamtenversorgung abgibt. § 35 VersAusglG ermöglicht nämlich nur die Aussetzung der Kürzung der Beamtenversorgung bis zum Leistungseintritt der dem Versorgungsbezieher im Versorgungsausgleich übertragenen Versorgung. Praktisch führt das dazu, dass für viele Beamtinnen und Beamte ab Erreichen der „besonderen“ Altersgrenze bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze und damit dem Einsetzen der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung eine nicht unerhebliche Einkommenslücke besteht. Auch § 14a BeamtVG beseitigt diesen Missstand nicht. Danach kann der Ruhegehaltssatz nämlich vorübergehend nur bis maximal 66,97 % bis zum Eintritt der Leistung aus der gRV erhöht werden.

Dieses – vorwiegend bei weiblichen Versorgungsbeziehern mit hohem Teilzeitfaktor bestehende – Problem soll nun gelöst werden, indem mit § 241a SGB VI eine „vorübergehende Rente wegen der in einem Versorgungsausgleich begründeten oder übertragenen Anwartschaften“ eingeführt werden soll. Danach sollen Bezieher einer Beamtenversorgung mit einer besonderen Altersgrenze die im Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragenen oder begründeten Anrechte auch bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung aus diesen Anrechten eine Versorgung beziehen können.

Es wäre sicher hilfreich, die Länderjustizministerien und das BMJ würden zur Stützung dieser Initiative Beispiele aus der Praxis erfahren. Der Reformeifer könnte so gestützt werden.

Kein Umgang ohne Nadelstiche (OLG Koblenz v. 19.4.2023 – 13 WF 78/23)

Der Praxis sind die immer wieder gleichgelagerten Beschwerdeanrufe – in der Regel am Wochenbeginn, d.h. zum Ende eines Umgangswochenendes – hinlänglich bekannt. Zwar stand das Kind pünktlich zur Abholung bereit, doch beinhaltete die mitgegebene Tasche eine Bekleidung, die entweder von der Größe unpassend, den Witterungsverhältnissen nicht angemessen oder im schlimmsten Fall nur unzureichend gereinigt war. Umgekehrt wurde bei der Rückverbringung des Kindes die mitgegebene Bekleidung nur teilweise zurückgegeben und die Herausgabe der Krankenversicherungskarte komplett vergessen.

Dass diese elterlichen Verhaltensweisen die unterschiedlichsten Zielsetzungen – keineswegs jedoch die der Sicherstellung des Kindeswohls – verfolgen, ist leicht durchschaubar, allerdings umso unverständlicher, als sie gegen eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt.

In Rechtsprechung und Literatur bestand durchgängig Einvernehmen darüber, dass einem Kind anlässlich der Wahrnehmung von Umgangskontakten die zu deren ordnungsgemäßer Durchführung ebenso erforderliche Bekleidung wie etwa notwendige persönliche Sachen oder Dokumente mitzugeben waren. Uneinheitlich war lediglich die rechtliche Grundlage, auf die diese Verpflichtung gestützt werden konnte. Diesen Meinungsstreit hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 27.3.2019 (BGH v. 27.3.2019 – XII ZB 345/18, FamRB 2019, 259) beendet und in analoger Anwendung des sich auf das Kind richtenden Herausgabeanspruchs gem. § 1632 Abs. 1 BGB sowie der Wohlverhaltenspflicht gem. § 1684 Abs. 2 BGB den Anspruch des Obhutselternteils als auch des umgangsberechtigten Elternteils auf Herausgabe der persönlichen Gegenstände, der Bekleidung sowie der Urkunden formuliert, die das Kind während seines Aufenthalts bei dem die Herausgabe begehrenden Elternteil voraussichtlich benötigt, d.h., auf die es angewiesen ist.

Das OLG Koblenz hat in einem aktuellen Beschluss diese grundlegenden Vorgaben aufgegriffen. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Antragsteller gerichtlich die anteilige Verteilung digitalisierter Kita-Ordner mit Fotos der gemeinsamen Kinder geltend gemacht, um Kopien für den jeweils anderen Elternteil anzufertigen und diesem zur Verfügung zu stellen. Erst im Verlauf des Verfahrens stellte die Antragsgegnerin einen USB-Stick mit den digitalisierten Ordnern zur Verfügung, so dass der Antragsteller seinen Antrag zurücknahm. Das Familiengericht legte ihm allerdings die Kosten des Verfahrens auf. Der Antragsteller legte Kostenbeschwerde ein und beantragte die vollständige Kostenlast der Antragsgegnerin.

Der Senat legte unter Abänderung der Ausgangsentscheidung die Gerichtskosten den Eltern je zur Hälfte auf. Außergerichtliche Kosten wurden nicht erstattet.

In seiner Begründung verwies der Senat darauf, dass sich die zu treffende Kostenentscheidung an Billigkeitsgesichtspunkten zu orientieren hat und dabei die bisherigen Erfolgsaussichten der jeweiligen Anträge lediglich summarisch zu prüfen sind. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sowohl der personensorgeberechtigte Elternteil als auch der umgangsberechtigte Elternteil jeweils in die Lage versetzt werden sollen, die gemeinsame Zeit mit dem Kind ungestört und kindeswohldienlich zu verbringen. Dazu müssen ihnen all jene persönlichen Gegenstände, Kleidungsstücke und Urkunden herausgegeben werden, die das Kind während seines Aufenthalts bei dem die Herausgabe begehrenden Elternteil voraussichtlich benötigt und auf die der jeweils berechtigte Elternteil für die Ausübung der Personensorge oder des Umgangsrechts tatsächlich angewiesen ist. Dem Umgangsberechtigten bleibt es zur eigenen Verantwortung überlassen, wie er den Umgang gestaltet, solange damit keine Kindeswohlgefährdung einhergeht. Daher kann er grundsätzlich die Herausgabe aller Sachen des Kindes für die Dauer des Umgangs verlangen, die das Kind für die von ihm gewünschte Umgangsgestaltung benötigt. Soweit daher für den Umgangskontakt die Sichtung von Fotos beabsichtigt ist, kann dies die Herausgabe der entsprechenden digitalisierten Foto-Ordner umfassen.

Unabhängig von einer vermeidbar gewesenen Kostenbelastung durch das gerichtliche Verfahren hat die Antragstellerin mit ihrer Verweigerungshaltung im Ergebnis lediglich erreicht, dass ein weiteres Verfahren initiiert wurde und das Kind eine weitere Auseinandersetzung seiner Eltern um einen eigentlich nichtigen Anlass erleben musste.

Selbst wenn finanzielle Belastungen nicht zu überzeugen vermögen, sollte es für jeden Elternteil eine Selbstverständlichkeit darstellen, dass angemessene Kleidung, das Lieblingskuscheltier beim Einschlafen und die Krankenversicherungskarte bei einem akuten Krankheitsfall für das Kindeswohl essentiell sind.

Die kleinen „Fallstricke“ der Umgangsregelung (OLG Frankfurt v. 5.6.2023 –6 WF 68/23)

Dass mit einer familiengerichtlichen Regelung oder einem gerichtlich gebilligten Vergleich zur Umgangsregelung nicht zwingend Befriedung im Verhältnis der Beteiligten eintritt, ist hinlänglich bekannt. Durchaus kann sich in Einzelfällen aber auch der Eindruck ergeben, dass geradezu Lücken in der Regelung gesucht werden, um ein neues Streitfeld zu eröffnen. Die Vollstreckbarkeit von Umgangsregelungen bietet dabei immer einen willkommenen Anlass. Das OLG Frankfurt hat sich in einer aktuellen Entscheidung erneut mit einer solchen Problematik auseinandersetzen müssen.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war der Umgang des Vaters mit den Kindern durch Beschluss geregelt, so dass er sie u.a. in den ungeraden Wochen von Freitag nach Schulende bis Sonntag um 17.00 Uhr und in den Weihnachtsferien in geraden Kalenderjahren nach dem letzten Schultag um 10.00 Uhr bis zum folgenden 25.12. um 11.00 Uhr zu sich nehmen konnte. Am 4.11.2022, 22.11.2022, 18.1.2023, 19.1.2023, 25.1.2023 und vom 26.1.2023 bis 28.1.2023 nahm der Vater den Sohn nach der Schule mit zu sich bzw. ging das Kind eigenmächtig zum Vater. Vom 26.1.2023 bis 28.1.2023 verbrachte der Sohn auch die Nächte beim Vater. Mit der Tochter holte der Vater vom 16.12.2022 bis 18.12.2022 einen ausgefallenen Wochenendkontakt nach und brachte sie um 17.30 Uhr zur Mutter zurück. Die Verspätung teilte er per SMS mit und begründete sie damit, dass das Kind noch habe essen müssen. Nach dem Weihnachtsumgang, der nur mit der Tochter stattfand, brachte der Vater sie am 25.12. um 14.30 Uhr zurück und verwies auf eine Autopanne. Auf den Antrag der Mutter verhängte das Ausgangsgericht gegen den Vater Ordnungshaft von je einem Tag für die Verstöße gegen die Umgangsregelung in der Zeit vom 4.11.2022 bis 25.1.2023 sowie von weiteren 5 Tagen für einen Verstoß am 26.1.2023. Auf die sofortige Beschwerde des Vaters hat der Senat die Entscheidung abgeändert und wegen der Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelung am 18.12.2022 und am 25.12.2022 ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 € festgesetzt. Im Übrigen wurde der Antrag der Mutter zurückgewiesen.

In der Begründung hat der Senat darauf verwiesen, dass die bestehende Umgangsregelung für den Vater kein ausdrückliches Gebot beinhaltet, sich außerhalb der festgelegten Zeiten jeglichen Umgangs mit den Kindern zu enthalten. Soweit der Vater jedoch am 18.12.2022 die Tochter mit einer Verspätung von 30 Minuten und am 25.12.2022 mit eine Verspätung von mehr als 3 Stunden zurückbrachte, wurde er mit seinen vorgetragenen Entschuldigungen nicht gehört, d.h., der Senat hat insoweit ein Ordnungsmittel verhängt, wobei er darauf verwies, dass Auswahl und Bemessung der Höhe des Ordnungsmittels im Ermessen des Gerichts steht, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt, so dass die Anordnung von Ordnungsgeld der Anordnung von Ordnungshalt grundsätzlich vorgeht, insbesondere, wenn es sich um die erste Anordnung eines Ordnungsmittels handelt und sich die Vollstreckung noch nicht als wirkungslos hat erweisen können.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt lenkt den Blick auf eine uneinheitliche obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Problematik.

Die Verhängung von Ordnungsmittel erfordert grundsätzlich einen schuldhaften Verstoß gegen eine gerichtliche Entscheidung bzw. einen gerichtlich gebilligten Vergleich. Darlegungs- und beweisbelastet für die Zuwiderhandlung ist der Antragsteller des Ordnungsmittelverfahrens. Das Gericht wird daher zu bewerten haben, ob ein Verstoß gegen die bestehende Regelung vorliegt, so dass sich in diesem Kontext regelmäßig die Frage ergibt, ob die Umgangsregelung ausreichend bestimmt und damit überhaupt vollstreckungsfähig ist.

Das KG hat in einer Entscheidung des Jahres 2015 (KG v. 13.2.2015 – 13 WF 203/14, FamRB 2015, 130) die Auffassung vertreten, dass eine positive Umgangsregelung gleichzeitig das konkludente Gebot an den Umgangsberechtigten enthalte, sich außerhalb der festgelegten Umgangszeiten jeden Kontakts zu dem Kind zu enthalten. Demgegenüber geht die wohl herrschende Meinung in der Rechtsprechung davon aus, dass eine Verhängung von Ordnungsmitteln wegen Umgangskontakten außerhalb der festgelegten Umgangszeit voraussetzt, dass sich die Untersagung einer solchen Kontaktaufnahme eindeutig aus dem Tenor der Umgangsregelung ergibt (Pfälz. OLG v. 19.10.2021 – 6 WF 202/21, FamRB 2022, 490; Bdb. OLG v. 14.2.2023 – 9 WF 2/23, juris; OLG Frankfurt v. 13.9.2017 – 5 WF 63/16, FamRB 2018, 143).

Gleich zu welcher der jeweiligen Auffassungen man tendiert, folgt aus dieser Meinungsdiskussion für den Praktiker die Notwendigkeit, bei der Protokollierung von Umgangsvergleichen, aber auch der Formulierung einer Anregung zur gerichtlichen Umgangsregelung, dem geltenden Konkretheitsgebot besondere Beachtung zu schenken und möglichen „Spitzfindigkeiten“ entgegen zu wirken, da diese vor allem für die jeweils betroffenen Kinder weitere Belastungen bedeuten können.

Hilfeaufruf an die FamRB-Leserinnen und -Leser: Übersehene, verschwiegene oder vergessene Anrechte im VA

Wird in einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich bei der Scheidung ein existierendes Anrecht nicht berücksichtigt, weil es nicht angegeben oder vom Gericht übersehen wurde, sieht der BGH darin keine bewusste Teilentscheidung (BGH FamRZ 2014, 1614 = FamRB 2014, 405 [Siede]). Die Rechtskraft der Entscheidung bezieht sich daher auch auf die Tatsache, dass sonstige Anrechte nicht vorhanden sind. Damit ist eine spätere Korrektur der Entscheidung durch Abänderung nach § 51 VersAusglG bzw. §§ 225 f. FamFG nicht möglich (BGH FamRZ 2013, 1642 = FamRB 2013, 353 [Siede]).

Weder kommt nach derzeitiger Rechtsprechung des BGH eine Ergänzung des Ausgangsbeschlusses nach § 43 FamFG (BGH FamRZ 2014, 1614 = FamRB 2014, 405 [Siede]) noch ein Ausgleich nach der Scheidung gemäß § 20 VersAusglG in Betracht (BGH FamRZ 2013, 1548 = FamRB 2013, 353 [Siede]). Der BGH ist der Ansicht, dass der schuldrechtliche Ausgleich keine generelle Korrekturfunktion für im Ausgangsverfahren übersehene, verschwiegene oder vergessene Anrechte hat (vgl. auch Siede, NZFam 2023, 577; Weil, NZFam 2023, 594).

Damit können in der Ausgangsentscheidung übersehene Anrechte nach derzeitiger Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr ausgeglichen werden. Dies kann für die betroffenen Beteiligten zu existenziellen Notlagen führen, insbesondere wenn sie im Scheidungsverfahren nicht anwaltlich vertreten wurden und damit eine Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts nicht für den Schaden eintritt.

Dies stellt einen dringenden Handlungsbedarf dar, da es sich um einen Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz handelt. Der Fachausschuss Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) hat daher bereits im Dezember 2022 eine Initiativstellungnahme an das BMJ gerichtet. Das BMJ hat mitgeteilt, dass die Problematik erkannt sei. Es bedarf allerdings einer Fallsammlung, da die Dunkelziffer dieser Fälle erheblich sein dürfte und das BMJ eine quantitative Grundlage für eine Ergänzung des VersAusglG benötigt.

Als Mitglied des Ausschusses Familienrecht im DAV hat sich der Verfasser bereit erklärt, eine Fallsammlung anzulegen und diese dem BMJ zur Verfügung zu stellen. Ich wäre daher dankbar, wenn mir geeignete Fälle unter meiner E-Mail-Adresse (weil@familienanwaelte-marburg.de) mitgeteilt würden.

Das Geständnis – warum Anwalt- und Richterschaft bei Teilungsordnungen genau hinschauen sollten

Was wie der (bereits mehrfach verwendete) Titel eines spannenden vielleicht auch tiefschürfenden Romans oder eines Fortbildungsseminars einer anderen fachanwaltlichen Spezies aussieht, hat gleichwohl einen familienrechtlichen Bezug. Wer jetzt aber lüstern tiefe Einblicke ins Scheidungsrecht erwartet, wird enttäuscht. Das Scheidungsrecht ist tot (oder kann sich jemand an ein streitiges Scheidungsverfahren erinnern?). Das Scheidungsfolgenrecht aber lebt, und mit ihm das Versorgungsausgleichsrecht. Von dem erwarten sich die Scheidungspartner einen mehr oder minder gelungenen halbteiligen Ausgleich des ehezeitlichen Versorgungserwerbs. Meist scheitert dieser nicht einmal am guten Willen der Scheidungswilligen, sondern „an widrigen Umständen“.

So auch in einem Fall, in dem es um die Teilung einer zertifizierten Riester-Versorgung ging, die von der Generali Deutschland Lebensversicherung AG unter dem Vertrauen schaffenden Markennamen RiesterRente STRATEGIE PLUS angeboten wird. Ihre interne Teilung sollte der 48 Jahre alten Ehefrau eine Versorgung aus einem Ausgleichswert von rd. 35.000 € und aus diesem dann mit Renteneintritt (67) eine Rente verschaffen. Gericht und ausgleichsberechtigte Ehefrau vertrauten der „Zertifizierung“ der Versorgung durch die BaFin, nur die Anwältin der Frau schaute in die Teilungsordnung der Generali und entdeckte in deren § 5 Sonderbares: Die Versorgung zu Gunsten der ausgleichsberechtigten Person sollte zu den „aktuellen Rechnungsgrundlagen“ begründet, der Ausgleichswert um die „hälftigen Kosten“ vermindert und die Versorgung aus dem so verminderten Ausgleichswert zum Zeitpunkt der Rechtskraft eingerichtet werden.

Die nach dieser „Irritation“ vom Gericht um Aufklärung gebetene Generali zierte sich etwas, um schließlich – geständnisartig – wie folgt zu formulieren:

„Im Rahmen unserer Teilungsanordnung begründen wir für die Ausgleichsberechtigte einen neuen Vertrag. Diesem liegen nicht die gleichen Konditionen wie dem Quellvertrag zugrunde. Der Rechnungszins des neuen Vertrages wäre 0,25 % anstatt wie im Quellvertrag 1,75 %. Dieses hat Auswirkungen auf die Höhe der garantierten Verzinsung des konventionell angelegten Guthabens, sowie die Höhe der garantierten Rente.“

Besser hätte man es kaum formulieren können, nur konkreter.

Allein die Absenkung des Rechnungszinses bewirkt einen Rentenverlust für die ausgleichsberechtigte Person von rund 58 % gegenüber der Quellversorgung und jedes weitere Jahr der Verfahrensverzögerung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung verschafft dem Versorgungsträger nochmals einen Gewinn von etwa 1,8 %, weil Teilhabe der ausgleichsberechtigten Person an der Wertentwicklung des Anrechts zwischen Ehezeitende und Eintritt der Rechtskraft entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gewährleistet ist (BGH v. 19.8.2015 – XII ZB 443/14, FamRZ 2015, 1869 m. Anm. Holzwarth = FamRB 2015, 407 [Norpoth]; BGH v. 7.9.2011 – XII ZB 546/10, FamRZ 2011, 1785 = FamRB 2011, 330 [Hauß]).

Es müsste daher wie folgt tenoriert werden:

„Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der <ausgleichspflichtigen Person> bei der Generali <VersNr. …> zu Gunsten der <ausgleichsberechtigten Person> bezogen auf den … (Ehezeitende) eine Versorgung aus einem Ausgleichswert in Höhe von 35.000,00 € (Kapitalwert) nach Maßgabe der Teilungsordnung des Versorgungsträgers in der Fassung vom 01.07.2020 übertragen,

mit der Maßgabe, dass abweichend von < 5. 3. Spstrich > der Teilungsordnung des Versorgungsträgers

  • auf das zu begründende Anrecht Rechnungszins und Sterbetafel der auszugleichenden Versorgung anzuwenden sind,
  • ein Abzug der Teilungskosten vom titulierten Ausgleichsbetrag unzulässig ist,
  • eine Abweichung vom gerichtlich festgelegten Ausgleichsbetrag unzulässig ist,
  • der Ausgleichswert zwischen dem … (Ehezeitende) und dem Datum der Rechtskraft der Entscheidung mit dem Zinssatz aufzuzinsen ist, mit dem auch der Ausgleichswert berechnet wurde.“

Wenn ich mich recht an die – zugegeben lange zurückliegende – Tätigkeit im Strafrecht erinnere, wirken Geständnisse nur dann strafmildernd, wenn sie ehrlich und mit „tätiger Reue“ geleistet werden. Tätige Reue könnte die Generali einfach leisten: Sie müsste nur die Teilungsanordnung der Rechtsprechung und der Rechtslage anpassen.

Solange das nicht geschehen ist, ist die Mandantschaft auf die Aufmerksamkeit von Anwalt- und Richterschaft angewiesen. Um diese Aufmerksamkeit leichter zu machen verweisen wir auf die ein weiteres Mal aktualisierte Beanstandungsliste mit nunmehr fast 300 Teilungsordnungen, die Sie hier herunterladen können: Teilungsordnungen auf dem Prüfstand_6-2023.

Kein Verlust sorgerechtlicher Kompetenzen allein aufgrund religiöser Zugehörigkeit (KG v. 5.9.2022 – 16 UF 64/22)

Der Umsetzung medizinischer Maßnahmen für ein Kind können, aus der Religionszugehörigkeit eines oder beider Elternteile folgend, Hindernisse entgegenstehen, etwa die Verweigerung auch medizinisch indizierter Bluttransfusionen. Gehört ein Elternteil jedoch der jeweils verweigernden Religionsgemeinschaft nicht an, so kann sich die Frage ergeben, ob das Kindeswohl die Übertragung der elterlichen Sorge – zumindest in Teilbereichen – auf diesen Elternteil erfordert, um im Notfall ein unverzügliches Handeln zu gewährleisten. Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich das KG befasst.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt beantragte der Vater des 2009 geborenen Kindes die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zur Vornahme einer Bluttransfusion bzw. zu Operationen, für die eine Bluttransfusion erforderlich sein könnte unter Verweis auf die Zugehörigkeit der Mutter zu den Zeugen Jehovas und deren Ablehnung entsprechender Behandlungen. Gegen die Entscheidung des Ausgangsgerichts, durch die dem Vater antragsgemäß die Entscheidungsbefugnis übertragen wurde, legte die Mutter Beschwerde ein. Der Senat hat die Ausgangsentscheidung abgeändert und den Antrag des Vaters zurückgewiesen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Antrag nicht auf § 1628 Satz 1 BGB gestützt werden könne, da es sich bei der beantragten Entscheidung nicht um eine einzelne Angelegenheit oder bestimmte Angelegenheit der elterlichen Sorge handele. Auch die Übertragung dieses Teilbereichs der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB sei nicht gerechtfertigt, da es ansonsten der Mutter verwehrt werde, bei schwerwiegenden Erkrankungen des Kindes, in eigener Verantwortung, unter Berücksichtigung des Kindeswillens und im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Vater, zum Wohl des Kindes die beste medizinische Behandlung auszuwählen. Allein aus ihrer derzeit ablehnenden Haltung könne nicht geschlossen werden, dass sie sich, sollte ein Rückgriff auf von ihr akzeptierte alternative Behandlungsmethoden nicht möglich oder nicht hinreichend erfolgversprechend sein, auf Kosten der Gesundheit oder das Leben ihres Kindes gleichwohl gegen eine Transfusion entschieden werde. Im Notfall würden sich die behandelnden Ärzte zudem am mutmaßlichen Willen des Patienten bzw. seiner Eltern orientieren. Sei dieser Wille nicht zweifelsfrei zu ermitteln, so werde vermutet, dass eine erforderliche Transfusion im wohlverstandenen Interesse des Patienten liege. Selbst soweit im Notfall nur die Mutter als allein vertretungsberechtigte Person vorhanden wäre und die Transfusion verweigere, bedürfe es vorab einer gerichtlichen Entscheidung gem. § 1666 BGB, da eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge im Raum stehe. Verbleibe keine Zeit für die gerichtliche Entscheidung, so liege ein Notfall vor, in dem der Arzt verpflichtet sei, das Leben und die Gesundheit des Kindes durch medizinisch notwendige Maßnahmen zu schützen.

In seiner Entscheidung richtet das KG den Blick auf die für die Praxis bedeutsame Differenzierung zwischen den Anwendungsbereichen des § 1628 BGB sowie des § 1671 BGB. Gerade soweit lediglich nur Teilbereiche der elterlichen Sorge im Streit sind, werden häufig die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht ausreichend beachtet.

§ 1628 BGB Norm findet ausschließlich im Zusammenhang mit konkret situativen Entscheidungen Anwendung, d.h., wenn die Eltern zu einer spezifischen Einzelangelegenheit, die für das Kind von wesentlicher Bedeutung ist, kein Einvernehmen erzielen können. Derart „punktuell-sachbezogene Konflikte“ können sich etwa auf den Besuch einer bestimmten Schule oder die Durchführung eines konkreten medizinischen Eingriffs richten. Das Gericht überträgt sodann die Entscheidungskompetenz zu der konkreten Angelegenheit jenem Elternteil, dessen Vorschlag dem Kindeswohl am besten entspricht, ohne dass im Übrigen jedoch in das Recht der elterlichen Sorge eingegriffen wird, d.h., das Gericht ist nicht zu einer eigenen Sachentscheidung befugt.

Davon abzugrenzen ist die auf § 1671 BGB gestützte Übertragung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge, d.h. etwa die Entscheidungsbefugnis zu schulischen Angelegenheiten in ihrer Gesamtheit oder der gesamten medizinischen Versorgung des Kindes. Hier intendiert die gerichtliche Entscheidung zwingend einen Eingriff in das Recht der elterlichen Sorge, d.h., auf der Grundlage der nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB durchzuführenden doppelten Kindeswohlprüfung weist das Gericht in seiner Entscheidung den beantragten Teilbereich der Sorge einem Elternteil zur Ausübung zu, so dass dieser Elternteil künftig in diesem Teilbereich zu allen Einzelfragen allein entscheidungsbefugt ist.

Ein auf § 1671 BGB gestützter Antrag enthält daher immer als „Minus“ auch einen Antrag nach § 1628 BGB, so dass auch eine Umdeutung möglich ist.

Versorgungsausgleich & Barwertberechnung mit ChatGPT?

Versorgungsausgleich & Barwertberechnung mit ChatGPT?

Im Jahr 2020 hat Daniel Kehlmann versucht, im Dialog mit einem mit künstlicher Intelligenz bestückten Rechner eine Kurzgeschichte zu schreiben. Die Kurzgeschichte dieses Scheiterns ist unter dem Titel „Mein Algorithmus und Ich“ erschienen.

Der augenblickliche Hype um ChatGPT hat mich animiert, seine versorgungsausgleichsrechtliche Leistungsfähigkeit zu testen. Das literarische Scheitern der KI bei der Koproduktion einer Kurzgeschichte im Kopf (und Bücherschrank) mache ich die Fallprobe:

Auskunft eines betrieblichen Versorgungsträgers über einen ehezeitlichen Versorgungserwerb von 446 € reine Altersrente im Monat, Alter des Mannes 50 Jahre, Renteneintrittsalter 67. Der Versorgungsträger gibt als Rechnungszins BilMoG-10 an, mehr nicht. Auszugleichen ist also eine Rente in Höhe von 223 € monatlich.

ChatGPT startet und ist – es ist Sonntag – gerade einmal nicht überlastet. In die Eingabezeile tippe ich ein:

Barwert Rente 2.676 € jährlich für 50-jährigen Mann ab Renteneintrittsalter 67, Rechnungszins BilMoG-10, Stichtag 31.12.2022

Es dauert einige Sekunden und das Programm antwortet:

Der Rechnungszins BilMoG-10 bezieht sich auf den Zinssatz, der gemäß dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz von 2009 für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen herangezogen wird. Der Zinssatz wird von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht und wird jährlich aktualisiert. Zum Stichtag 31.12.2022 beträgt der Rechnungszins BilMoG-10 1,02 %. [das ist falsch, richtig wäre 1,78 %].

Um den Barwert einer Rente von 2.676 € jährlich eines 50-jährigen Mannes mit einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren und einem Rechnungszins BilMoG-10 zum Stichtag 31.12.2022 zu berechnen, müssen wir die folgenden Schritte durchführen:

  1. Bestimme die Anzahl der Zahlungen, die während der Rentenzeit gemacht werden, d.h. die Anzahl der Jahre, die der Mann in Rente sein wird. Hier beträgt die Rentenzeit 67 – 50 = 17 Jahre.[das ist falsch, die Anwartschaftszeit beträgt 17 Jahre, die Rentenzeit rd. 20,6 Jahre].
  2. Berechne den Barwert der jährlichen Rentenzahlungen, indem du jeden Betrag durch den entsprechenden Diskontfaktor dividierst, der sich aus dem Rechnungszins und der Anzahl der Zahlungen ergibt. Der Diskontfaktor kann mithilfe der Formel (1 + r)^-n berechnet werden, wobei r der Rechnungszins und n die Anzahl der Zahlungen ist.
  3. Der Diskontfaktor für das erste Jahr beträgt (1 + 0,0102)^-1 = 0,9899. Der Diskontfaktor für das zweite Jahr beträgt (1 + 0,0102)^-2 = 0,9798. Dies wird für jedes Jahr der Rentenzeit durchgeführt.
  4. Addiere alle Barwerte der jährlichen Rentenzahlungen zusammen, um den Gesamtbarwert der Rente zu erhalten.

Hier ist die Berechnung:

Barwert der Rente = 2.676 x ((1 – (1 + 0,0102)^-17)/0,0102) x (1/ (1 + 0,0102)^1) Barwert der Rente = 2.676 x 13,626 x 0,9899 Barwert der Rente = 36.884,71 €

Daher beträgt der Barwert einer Rente von 2.676 € jährlich eines 50-jährigen Mannes mit einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren und einem Rechnungszins BilMoG-10 zum Stichtag 31.12.2022 etwa 36.884,71 €.

Ein Blick in die Auskunft des Versorgungsträger führt zu Irritationen. Dieser gibt als von ihm errechneten Kapitalwert für die externe Teilung 35.130 € an, teilt aber keinen Rententrend mit. Erst der Blick in die Versorgungsordnung gibt Klarheit, der Rente liegt eine Leistungsdynamit (Rententrend) von 1 % zugrunde.

Also kontrolliere ich:

  1. Der BilMoG-10 Zinssatz beträgt zum Stichtag 31.12.2022 nicht 1,02 %, sondern 1,78 %.
  2. Die Anwartschaftszeit von 17 Jahren ist richtig angenommen, die Leistungszeit teilt das Programm nicht mit, ist aber offensichtlich mit 20 Jahren angenommen worden; das ist vertretbar, nach der Generationensterbetafel wären 20,6 Jahre zutreffend.

Und dann kontrolliere ich die Berechnung mit den Richttafeln Heubeck-2018-G[1] und ermittle für den von ChatGPT angenommenen Rechnungszins von 1,02 % einen Barwertfaktor für die reine Altersrente von 14,380 und damit einen Ausgleichswert von 38.480 €. Das Programm Kapitalwertkontrolle 2023[2] zeigt einen Ausgleichswert von 37.423 € an ChatGPT liegt also – unter Annahme des zu niedrigen Rechnungszinses – nicht verkehrt.

Mit dem richtigen BilMoG-10-Zins von 1,78 % errechnet sich nach Heubeck ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 31.140 € und mit dem Programm Kapitalwertkontrolle 2023 von 30.496 € und nach ChatGPT?

„Daher beträgt der Barwert einer Rente von 2.676 € jährlich eines 50-jährigen Mannes mit einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren und einem Rechnungszins von 1,78 % etwa 31.468,28 Euro.“

Damit kann der Familienrechtler leben.

Rechnet man nun noch die Leistungsdynamik von 1 % Rentensteigerung pro Jahr ab Renteneintrittsalter ein, ergibt sich bei Heubeck ein Barwert von 35.077 € und mit dem Programm Kapitalwertkontrolle ein Barwert von 33.778 €. Der vom Versorgungsträger mitgeteilte Barwert von 35.130 € geht also in Ordnung.

So ganz ersetzt ChatGPT den Versorgungsausgleichsrechtler aber noch nicht. Wünscht man eine Berechnung unter Einschluss von Invaliditäts- und Hinterbliebenenabsicherung (60 %) und/oder einer Leistungsdynamik von 1 %, dauert es deutlich länger (offenbar ziert sich das Programm ein wenig), bis dann unsinnige Ergebnisse produziert werden. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Das Programm lernt ja noch und es ist erst ein paar Monate alt.

Ihnen wird beim ersten Hinschauen auf die von ChatGPT verwendeten Formeln auch sicher aufgefallen sein, dass sich in die Berechnung einige „Flüchtigkeitsfehler“ eingeschlichen haben. Das Ergebnis ist aber recht passabel. Zufall?

Und was ist jetzt mit meinem Fall? Der Versorgungsträger will die externe Teilung. Soll er sie aus seinem halbwegs plausiblen Ausgleichswert haben. In der gesetzlichen Rentenversicherung als Zielversorgung liegt der Rentenertrag für meine Mandantin rd. 73 % über dem Rentenertrag aus der Quellversorgung. Ich kann es einfach nicht lassen und frage ChatGPT nach der richtigen Zielversorgung. Da schwächelt ChatGPT:

Der Versorgungsausgleich ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Familienrechts und soll sicherstellen, dass bei einer Scheidung die während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche beider Ehepartner ausgeglichen werden. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: die interne und die externe Teilung. … Bei der externen Teilung werden die Rentenanwartschaften auf einen anderen Rentenversicherungsträger übertragen.

Wählt man die externe Teilung, so muss man sich für eine Zielversorgung entscheiden. … Die Wahl der Zielversorgung sollte wohlüberlegt sein, da sie Einfluss auf die Höhe der späteren Rente haben kann.

Bei der Wahl der Zielversorgung sollte man darauf achten, dass die Rentenversicherung solide und zuverlässig ist und eine ausreichende Rendite erwirtschaftet, um später eine angemessene Rente zu garantieren. …

Es ist empfehlenswert, sich von einem Fachanwalt für Familienrecht oder einem unabhängigen Versicherungsmakler beraten zu lassen, um die bestmögliche Wahl der Zielversorgung zu treffen.

ChatGPT setzt also doch (noch) auf „natürliche Intelligenz“. Wie lange noch? Ich schau in einem Jahr noch einmal nach und werde berichten.

PS: Wer es genau wissen will, kann die Berechnung anhand der nachfolgenden Tabellen prüfen (drauf klicken und es kommt eine größere Version):

[1] Das Programm kann für rd. 1.000 € käuflich erworben werden.

[2] Das Programm kann kostenlos unter https://www.famrb.de/muster_formulare.html beim FamRB heruntergeladen werden.