Versorgungsausgleich: BVV knickt ein!

Bei der internen Teilung von ehezeitlich erworbenen Ansprüchen in der betrieblichen und privaten Altersversorgung findet oftmals eine wundersame Abwertung der Versorgung für die ausgleichsberechtigte Person statt:

  • Der BVV (Bankenversicherungsverein) schlägt den Gerichten seit langem vor, den Ausgleichswert für die ausgleichsberechtigte Person im Tarif ARLEP zu begründen. Dieser Tarifwechsel ist verbunden mit einem Rechnungszinsverlust. Während im Ausgangstarif ein Rechnungszins von 3,5–4 % angewandt wird, ist der Zieltarif derzeit lediglich mit einem Rechnungszins von 0,9 % ausgestattet. Für eine 50-jährige Frau bedeutet dies, dass die gesicherte Versorgungserwartung sich gegenüber dem Quelltarif in etwa halbiert.
  • Auch die private Versicherungswirtschaft (Allianz & Co) begründet den Ausgleichswert der Versorgung für die ausgleichsberechtigte Person nach der Teilungsordnung zu den im Zeitpunkt der Rechtskraft maßgeblichen Versicherungstarifen. Auch bei diesen Versorgungen kommt der sog. aktuelle Höchstrechnungszins als „Garantiezins“ zur Anwendung, was zu einer deutlich verminderten Versorgungsleistung gegenüber der Quellversorgung führt.

Die Rechtsprechung hat dies teilweise erkannt und moniert.[1]

Der BVV korrigiert nun seine Praxis und hat angekündigt, künftig die Versorgungsverluste durch Umstellung der Tenorierung und Tarifierung zu vermeiden. In allen laufenden Verfahren werden indessen vom BVV nicht freiwillig neu Auskünfte erteilt. Die Anwaltschaft ist daher aufgerufen, in den noch nicht rechtskräftigen Verfahren unter Beteiligung des BVV das Gericht auf die Notwendigkeit der Einholung neuer Auskünfte ausdrücklich hinzuweisen. Für die ausgleichspflichtige Person entstehen dadurch keine versorgungsrechtlichen Nachteile. Die ausgleichsberechtigte Person gewinnt einen fairen Ausgleich und damit ein höheres Alterseinkommen, was möglicherweise auch zu geringeren Unterhaltsleistungen der ausgleichspflichtigen Person führt.

Die privaten Versorgungsträger beharren allerdings auf ihrer Standardteilungsordnung und bieten lediglich dann, wenn die Beteiligten die mangelnde Angemessenheit des Teilungsergebnisses rügen, an, die Tarifierung an die Quellversorgung anzupassen.

Die Anwaltschaft ist aufgerufen, im Versorgungsausgleich aufmerksam darauf zu achten, dass die interne Teilung nicht zu Lasten ihrer Mandanten in einen neuen Tarif des Versorgungsträgers erfolgt.

Vor Umstellung der Praxis des BVV hatte das OLG Köln[2] das Risiko des Versorgungsverlusts durch folgende Tenorierung gebannt:

Im Wege der internen Teilung werden zu Lasten der für die ausgleichspflichtige Person bei dem BVV-Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. unter der Vertragsnummer … bestehenden betrieblichen Altersversorgung zugunsten der ausgleichsberechtigten Person nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen ARLEP/oG-V 2017 ein Anrecht in Höhe von … Euro, bezogen auf den … inklusive der Wertentwicklung bis zum 31.7.2018, verbunden mit der weiteren Maßgabe, dass für das zu begründende Anrecht der ausgleichsberechtigten Person der Rechnungszins, der dem auszugleichenden Anrecht des Antragstellers zugrunde liegt, zur Anwendung kommt.

Bis auch die privaten Versorgungen ihre Teilungsanordnung der Rechtslage entsprechend umstellen, kann eine Tenorierung analog der Praxis des OLG Köln Versorgungsverluste für die ausgleichsberechtigte Person vermeiden.

 

[1] OLG Schleswig v. 12.2.2014 – 13 UF 215/13, FamRZ 2014, 1113; OLG Frankfurt v. 25.8.2017 – 4 UF 146/15, FamRZ 2018, 500 (LS); OLG Frankfurt v. 30.11.2016 – 6 UF 115/16; OLG Saarbrücken v. 6.7.2015 – 6 UF 16/15; OLG Stuttgart v. 18.2.2016 – 11 UF 230/15, FamRZ 2016, 1689 (LS); OLG Köln v. 4.7.2017 – 4 UF 45/14, bestätigt durch BGH v. 9.5.2018 – XII ZB 391/17.

[2] OLG Köln v. 4.7.2017 – 4 UF 45/14, bestätigt durch BGH v. 9.5.2018 – XII ZB 391/17.

Die familienrechtlichen Auswirkungen einer längeren Versöhnung der Eheleute nach einer Trennung

Nicht selten versuchen Eheleute nach einer Trennung oder sogar noch während eines laufenden Scheidungsverfahrens, ihre Ehe zu retten, und versöhnen sich für eine Weile wieder. Um die Eheleute nicht von solchen – vom Gesetzgeber offenbar gewünschten – Versuchen künstlich abzuhalten, sieht das Gesetz vor, dass das Trennungsjahr nicht von einem Zusammenleben über „kürzere Zeit“ unterbrochen wird (§ 1567 Abs. 2 BGB). Die Obergrenze, innerhalb der es sich noch um eine „kürzere Zeit“ handelt, beträgt nach der Rechtsprechung drei Monate des erneuten Zusammenlebens.

Die Rechtsfolgen einer längeren Versöhnung sind äußerst weitreichend. Wenn die Eheleute sich nach einer solchen Phase erneut trennen, kann nicht einfach an ein bereits anhängiges Scheidungsverfahren angeknüpft werden. Der ursprünglich eingereichte Scheidungsantrag müsste gegebenenfalls abgewiesen werden, weil das (neue) Trennungsjahr noch nicht abgelaufen ist. Dies gilt sogar dann, wenn beide Eheleute wieder geschieden werden möchten. Die Eheleute sind in diesem Fall gezwungen, erneut das Trennungsjahr abzuwarten, um dann die Scheidung erneut zu beantragen.

Mit der Einleitung eines neuen Scheidungsverfahrens verändert sich auch der Stichtag für die Berechnung des Zugewinnausgleichs. Erhebliche Vermögenssteigerungen oder Verluste eines der beiden Ehegatten während der Versöhnung und dem daran anschließenden weiteren Trennungsjahr sind also bei dem Ausgleich mit zu berücksichtigen. Auch die Altersvorsorge, die die Eheleute während dieser Phase aufgebaut haben, ist in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.

Soweit mit dem ursprünglichen Scheidungsantrag bereits Folgesachenanträge (insbesondere Anträge auf Durchführung des Zugewinnausgleichs und auf nachehelichen Unterhalt) verbunden waren, sind auch diese mit der Zurückweisung bzw. der Rücknahme des Scheidungsantrags erledigt. Auch diese Anträge müssen nach Zustellung des neuerlichen Scheidungsantrags erneut gestellt werden. Die häufig ganz erheblichen Kosten für diese Gerichtsverfahren einschließlich Anwaltskosten und gegebenenfalls Kosten für Sachverständige fallen also doppelt an.

Mit der Zurückweisung bzw. Rücknahme des Scheidungsantrags lebt auch das Erb- und Pflichtteilsrecht des Ehegatten wieder auf. Dieses entfällt erst dann wieder, wenn nach Ablauf des weiteren Trennungsjahrs der neue Scheidungsantrag zugestellt wird.

Soweit noch ein Unterhaltstitel bezüglich des Trennungsunterhalts vorliegt, wird dieser mit dem Ablauf der längeren Versöhnungszeit zwar nicht unwirksam, der Trennungsunterhaltsanspruch entfällt allerdings und eine Vollstreckung aus dem Alttitel könnte im Wege des Vollstreckungsgegenantrags abgewehrt werden (s. nur Musielak/Borth, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 238 Rz. 14).

Wirksam bleiben allerdings Unterhaltstitel bezüglich des Kindesunterhalts, da der Kindesunterhalt auch während längerer Versöhnungsphasen geschuldet bleibt.

Urlaub mit dem Kind? – Aber nur, wenn ich es will! (OLG Frankfurt v. 7.6.2018 –1 UF 50/18)

Dass ein Elternteil mit dem Kind, für das gemeinsame Sorge besteht, verreisen möchte, ist zunächst nichts Außergewöhnliches. Lebt das Kind gewöhnlich im Haushalt dieses Elternteils, so sieht man die geplante Urlaubsreise zunächst als eine Selbstverständlichkeit. Nichts anderes gilt für den Elternteil, bei dem das Kind zu Umgangskontakten ist und der in Ausgestaltung dieser Umgangskontakte natürlich auch mit dem Kind verreisen möchte. An dieser Stelle beginnen aber die juristischen Probleme. Ist der die Reise beabsichtigende Elternteil ausländischer Staatsangehöriger, so taucht in fast gleichbleibender Stetigkeit sofort der Verdacht auf, dass er von der Urlaubsreise nicht zurückkehren, sondern diese vielmehr nutzen wird, um das Kind zu entführen. Entsprechend häufen sich zwischenzeitlich auch die Nachfragen der Grenzschutzbeamten an den Flughäfen, ob denn für ein Kind die gemeinsame oder alleinige Sorge besteht bzw. ob im Fall der gemeinsamen Sorge auch die Zustimmung des anderen Elternteils vorliegt. Nicht selten endet an dieser Stelle bereits die Urlaubsreise. Selbst in jenen Fällen, in denen bei dem verreisenden Elternteil keine familiären Bindungen zu einem ausländischen Staat bestehen, wird zunehmend hinterfragt, ob denn die Reise in ein bestimmtes Land mit einer Gefahr für das Kindeswohl verbunden ist und damit nur angetreten werden darf, wenn von dem anderen Elternteil die Zustimmung erteilt wurde.

Mit einem Sachverhalt, der diese Problematik aufgreift, hat sich aktuell das OLG Frankfurt befasst: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war die im April 2017 nach Deutschland eingereiste Kindesmutter zeitweise ausgereist, um ein Visum zu erhalten. Seit Oktober 2017 war sie dauerhaft mit dem Kind, für das gemeinsame elterliche Sorge bestand, in Deutschland wohnhaft. Anfang 2018 beantragte der Vater im Eilverfahren, der Mutter die Ausreise aus Deutschland zu untersagen, da sie plane nach Usbekistan auszuwandern. Das Ausgangsgericht folgte dem Antrag des Vaters und verhängte zusätzlich eine sog. Grenzsperre.

Auf die Beschwerde der Mutter änderte das OLG Frankfurt die Ausgangsentscheidung ab und stellte fest, dass keine kindesschutzrechtlichen Eilmaßnahmen zu treffen waren. Zur Begründung verwies es darauf, dass der Erlass kindesschutzrechtlicher Maßnahmen die durch konkrete Umstände begründete Besorgnis voraussetze, dass ein Elternteil das Kind nach einer Ausreise aus dem Ausland nicht zurückbringen werde. Der damit einhergehende Eingriff in das Elternrecht sei nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil dieser Elternteil in einem anderen Land lebe oder zu seinem Heimatland enge Beziehungen unterhalte, so dass die allein abstrakte Möglichkeit bestehe, dass er mit dem Kind dauerhaft im Ausland bleibe. Ausreichend sei aber durchaus, dass der Elternteil mit einer Entführung gedroht habe und dies zur Überzeugung des Gerichts konkret vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sei. Im konkreten Fall habe eine Rückfrage des Senats bei der Polizei ergeben, dass sich die Mutter aufgrund von elterlichen Streitigkeiten in der Vergangenheit wiederholt an die Polizei gewendet habe. Sie habe auch von der beabsichtigten Reise nach Usbekistan berichtet, aber nicht angekündigt, ausreisen zu wollen. Die Bedenken des Vaters hätten sich allein darauf gegründet, dass die Mutter kein Rückflugticket gebucht habe. Eine telefonische Nachfrage des Senats habe zudem ergeben, dass das Kind in einer Krabbelgruppe angemeldet sei und diese regelmäßig besuche. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass selbst wenn sich das allgemeine Risiko einer Entführung verwirkliche, die Rückführung des Kindes nach dem HKÜ durchsetzbar sei.

Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob die Reise eines Elternteils mit dem Kind sich nach sorgerechtlichen oder umgangsrechtlichen Kriterien beurteilt, da prinzipiell von der Ausgestaltung des Umgangs Urlaubsreisen – auch ins Ausland – erfasst werden und es hier zunächst nicht zwingend der Zustimmung des jeweils anderen Elternteils bedarf. Diese Einschätzung wird bislang üblicherweise vertreten, soweit Reisen im europäischen Ausland in Rede standen. Bei Reisen zu außereuropäischen Zielen, insbesondere wenn es Fernreisen oder Länder betraf, mit denen üblicherweise Gefahren verbunden wurden, wird die Meinung vertreten, dass derartige Reisen nicht mehr als Alltagsangelegenheiten zu bewerten sind, sondern als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Ist in einer solchen Situation daher die Zustimmung des jeweils anderen Elternteils zu der konkreten Reise nicht erteilt, so bleibt nur die Möglichkeit, nach § 1628 BGB die Übertragung der spezifischen Entscheidungskompetenz durch gerichtliche Entscheidung herbeizuführen (s. dazu auch Stockmann, Wer bestimmt den Urlaubsort?, FamRB 2017, 315).

Ob in der aktuellen Situation diese Differenzierung zwischen einem „sicheren“ europäischen Ausland und Ländern, mit denen landläufig erhöhte Gefahren verbunden werden, noch gerechtfertigt ist, muss durchaus hinterfragt werden. Vor dem Jahr 2015 wäre es kaum vorstellbar gewesen, dass Reisende selbst nach Frankreich mit Blick auf die angespannte Sicherheitslage seitens des Auswärtigen Amtes zu besonderer Vorsicht aufgerufen worden wären. Um „unangenehme“ Überraschungen unmittelbar vor Reiseantritt zu vermeiden, sollte daher ein Elternteil, der eine Urlaubsreise ins Ausland plant, dies frühzeitig mit dem jeweils anderen Elternteil abstimmen und sich dessen Zustimmung einholen. So bleibt ihm ggf. genügend Zeit, um einer verweigerten Zustimmung durch familiengerichtliche Entscheidung zu begegnen.

Pflichtteilsergänzungsansprüche bei Zuwendungen unter Ehegatten (BGH v. 14.3.2018 – IV ZR 170/16)

Wird eine pflichtteilsberechtigte Person (Abkömmlinge, Ehegatten, Eltern) durch eine letztwillige Verfügung enterbt, steht dieser Person ein Pflichtteilsanspruch gegen den oder die Erben zu. Bei dem Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen reinen Geldanspruch, der sich gegen die Erben richtet. Er beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

Zusätzlich zu dem Pflichtteilsanspruch kann der Pflichtteilsberechtigte den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den oder die Erben geltend machen. Hat der Erblasser während der letzten 10 Jahre seines Lebens unentgeltliche Zuwendungen gemacht, sind diese für die Pflichtteilsberechnung dem tatsächlichen Nachlasswert hinzuzurechnen. Allerdings schmilzt der Pflichtteilsergänzungsanspruch grundsätzlich mit jedem Jahr, das seit der Schenkung vergeht, um 1/10 ab. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Erblasser sich ein Nutzungsrecht an dem zugewandten Gegenstand vorbehalten hat oder die unentgeltliche Zuwendung seinem Ehegatten zugutekam.

Unentgeltliche Zuwendungen an den Ehegatten werden also ohne jede Abschmelzung mit ihrem vollen Wert für die Pflichtteilsberechnung dem Nachlasswert hinzugerechnet und zwar unabhängig davon, wann sie stattgefunden haben. Es wird also für die Pflichtteilsberechnung so getan, als hätte die unentgeltliche Zuwendung des Erblassers nie stattgefunden und der zugewandte Betrag/Gegenstand sei noch Teil des Nachlasses und zwar auch dann, wenn diese Zuwendung bereits 20 oder mehr Jahre zurückliegt.

Angesichts dessen, dass unentgeltliche Zuwendungen zwischen Ehegatten eher die Regel als die Ausnahme sind, ist dem Rechtsanwalt, der sich erbrechtlich betätigt, dringend anzuraten, bei der Ermittlung der Pflichtteilsansprüche des eigenen Mandanten besonderes Augenmerk auf die Frage zu legen, welche Zuwendungen an den Ehegatten des Erblassers stattgefunden haben. Ein typischer Fall ist beispielsweise die unentgeltliche Zuwendung eines hälftigen Miteigentumsanteils an einer Immobilie oder auch die alleinige Abtragung eines gemeinsamen Darlehens durch einen Ehegatten.

Da der Bundesgerichtshof erst kürzlich mit Urteil v. 14.3.2018 – IV ZR 170/16, FamRZ 2018, 775 = FamRB 2018, 239 höchstrichterlich bestätigt hat, dass die Abtragung gemeinsamer Darlehen – sowohl was die Tilgungsleistungen als auch etwaige Zinszahlungen betrifft – durch einen Ehegatten allein pflichtteilsergänzungsrelevant ist, wird die Frage, ob pflichtteilsergänzungsrelevante Zuwendungen an den Ehegatten stattgefunden haben, sicherlich in nächster Zeit im Fokus der forensischen Erbrechtspraxis stehen. Insoweit gibt Rohlfing in seiner Bearbeitung der o.g. BGH-Entscheidung im Familien-Rechtsberater hilfreiche Beratungstipps zur Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen an die Hand (Rohlfing, FamRB 2018, 239).

Die FDGO und Polygamie (BVerwG v. 29.5.2018 – BVerwG 1 C 15.17)

Selbst Familienrechtler straucheln gelegentlich, wenn es um die Frage der Zulässigkeit von Mehrehen geht. Deshalb hier ein Überblick:

  • § 1306 BGB schließt aus, dass in Deutschland eine Mehrehe geschlossen werden kann.
  • Bigamie oder Polygamie sind nach § 172 StGB strafbar. Dies gilt selbstverständlich nur für im Inland geschlossene Mehrehen, da das deutsche Strafrecht lediglich für Inlandsstraftaten gilt (§ 3 StGB).
  • Eine im Ausland geschlossene, nach dem Heimatrecht gestattete Mehrehe verstößt nicht gegen den ordre public (VG Gelsenkirchen FamRZ 1900 S 75,338; Landgericht Frankfurt FamRZ 1976,217; OLG Düsseldorf FamRZ 1983 90,189) und wäre demnach auch in Deutschland eine Ehe.
  • Für im Ausland rechtsgültig geschlossene Mehrehen beschränkt § 30 Abs. 4 AufenthG die Nachzugsberechtigung der Ehegatten: Nur ein Ehegatte kann sich auf § 30 Abs. 1 AufenthG berufen und auf die Ehe gestützt seinen Aufenthalt in Deutschland legitimieren.
  • Steuer- und sozialhilferechtlich wird lediglich der erste Ehegatte privilegiert.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG v. 29.5.2018 – BVerwG 1 C 15.17) hat nun entschieden, Begründung und Verwirklichung einer polygamischen Beziehung widersprächen nicht der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FDGO). Das Verschweigen einer im Ausland geschlossenen Zweitehe bei Stellung eines Einbürgerungsantrags nach § 9 StAG belege aber, dass eine Einordnung in die ‚deutschen Lebensverhältnisse‘ nicht erfolgt sei. Dies sei aber Voraussetzung für die Ehegatteneinbürgerung. Sei aber ein achtjähriger rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland gegeben, könne eine Einbürgerung nach § 10 StAG erfolgen, wenn sich der Ausländer zur FDGO bekenne.

Zunächst ist man erleichtert, dass das oberste deutsche Verwaltungsgericht (wie auch bereits zuvor der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH Mannheim v. 25.4.2017 – 12 S 2216/14, FamRZ 2017, 1529) das Bekenntnis zur Verfassung nicht mit dem Gebot zu mongamer Lebensweise verknüpft hat. Viele Prominente und auch nicht prominente Bürger wären in Schwierigkeiten gekommen, würde ihre eheliche Treue als Ausdruck ihrer Verfassungstreue gewertet. Bundeskanzlerin Merkel wäre sofort ein drängendes Problem los, aber (wahrscheinlich) auch sonst einen Teil ihres Kabinetts.

Allerdings ist man beunruhigt, dass auch das Bundesverwaltungsgericht Polygamie als den ‚grundlegenden deutschen Lebensverhältnissen‘ widersprechend angesehen hat. „Zu den grundlegenden deutschen Lebensverhältnissen gehöre das Prinzip der Einehe… Mit Eingehung der Zweitehe habe der Kläger gezeigt, dass er in einem zentralen Punkt nach wie vor den Wertvorstellungen und Lebensverhältnissen seiner syrischen Heimat verhaftet sei“, hatte das Verwaltungsgericht formuliert. Populisten, Stammtische und der Boulevard könnten jubilieren.

Wer die Mehrehe als ‚undeutsch‘ brandmarkt, müsste zunächst sein Verständnis von Ehe definieren. Ist die Ehe mehr als der bürgerlich-rechtliche Vertrag der sich Liebenden, die sich versprechen, füreinander einzustehen? Ist damit die durch das staatlich beurkundete Heiratsversprechen begründete rechtliche Hülle oder mehr gemeint? Ist es ‚deutsch‘, wenn über die aus der Eheschließung resultierenden rechtlich verankerten Pflichten hinaus ein moralischer Verhaltenskodex gewoben wird, dessen Konturen – völlig undeutsch – unscharf sind? ‚Sexuelle Treue‘ kann keine zentrale Eheanforderung sein, sonst wäre Ehebruch strafbar geblieben und Swinger-Clubs für Verheiratete verboten. Auch die Aufrechterhaltung einer ‚lebenslangen‘ Partnerschaft kann kein Kernelement der Ehe sein, sonst könnten wir nicht scheiden. Zur Lebensgemeinschaft sind die Gatten nicht verpflichtet (§ 1353 Abs. 2 BGB). Wer will und möchte Wohngemeinschaften mehrerer Personen gleichen oder ungleichen Geschlechts als ‚deutsch‘, die in gleicher Form begründeten Sexualgemeinschaften als ‚undeutsch‘ brandmarken, wo doch der Sozialstaat der ‚Bedarfsgemeinschaft‘ die wechselseitige Unterhaltungsverpflichtung auferlegt hat? Was schließlich unterscheidet die konsekutive Mehrehe von der konvergenten Mehrehe? Letztere ist ehrlicher. Sie begründet für die Ehegatten rechtlichen Schutz und Anspruch auf Versorgung, den unsere Rechtsordnung – einem archaischen Prinzip folgend – Konkubi(e)nen und Konkudrohnen verwehrt. Vielleicht ist daher die staatlich beurkundete Mehrehe gleichberechtigter Partner ‚deutscher‘ als die verlogene Sexualmoral, die Heimlichkeit außerehelicher Beziehungen und die rechtliche Schutzlosigkeit der Partner polyamouröser Beziehungen. Wenn 35 % aller Kinder von nicht verheirateten Müttern geboren und 1/3 aller Ehen geschieden werden, scheinen die ‚deutschen Lebensverhältnisse‘ (§ 9 StAG) volatil und erfreulich liberal geworden zu sein. Man muss Polygamie nicht mögen, sie aber als ‚undeutsch‘ zu brandmarken, ist wirklichkeitsfremd. Sie wird praktiziert – nur nicht so benannt – und das Abendland geht trotzdem nicht unter.

Keine Verwirkung des Anspruchs auf rückständigen Unterhalt durch bloßen Zeitablauf (BGH v. 31.1.2018 – XII ZB 133/17)

Seit dem Urteil des BGH v. 13.01.1988 – IVb ZR 7/87 hat sich in der familiengerichtlichen Praxis weitgehend die Auffassung durchgesetzt, dass Unterhalt maximal für ein Jahr rückwirkend verlangt werden kann, wenn der Unterhaltsgläubiger seinen Unterhaltsanspruch länger als ein Jahr nicht verfolgt hat. Bzgl. der Ansprüche aus einem länger als ein Jahr zurückliegenden Zeitraum wurde regelmäßig Verwirkung angenommen.  

Tatsächlich hat der BGH diese Auffassung aber nie geäußert. In dem genannten Urteil heißt es zwar:               

„Auf der anderen Seite spricht vieles dafür, bei der Frage der Verwirkung von Trennungsunterhalt an das „Zeitmoment“ keine zu hohen Anforderungen zu stellen. (…) Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, ist eher als von Gläubigern anderer Forderungen zu erwarten, dass er sich um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Tut er das nicht, erweckt sein Verhalten in der Regel den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig, zumal seine wirtschaftlichen Verhältnisse dem Unterhaltsschuldner meist nicht genau bekannt sind (…). Wie der vorliegende Fall zeigt, können Unterhaltsrückstände zudem zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen, die die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten für den laufenden Unterhalt beeinträchtigen kann. Auch sind im Unterhaltsprozess die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. (…). Nach Auffassung des Senats sind aber die bereits angeführten Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung von Unterhalt nahelegen, so gewichtig, dass das „Zeitmoment“ für die Verwirkung von Trennungsunterhalt auch dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die – wie hier – etwas mehr als ein Jahr zurück liegen.“ 

Wie sich diesem Zitat selbst bereits entnehmen lässt, beziehen sich diese Ausführungen ausschließlich auf das „Zeitmoment“ der Verwirkung. Das „Umstandsmoment“, also die Frage, ob der Schuldner sich nach dem Verhalten des Gläubigers darauf einrichten durfte und sich auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, dass der Unterhalt nicht mehr geltend gemacht werden wird,  ist auch nach diesem Urteil des BGH noch gesondert zu prüfen. Die Prüfung des Umstandsmoments ist allerdings in der anwaltlichen und amtsgerichtlichen – teilweise auch in der oberlandesgerichtlichen – Praxis in Vergessenheit geraten bzw. wurde bereits dann als begründet angesehen, wenn der Unterhaltsanspruch länger als ein Jahr lang nicht verfolgt wurde (siehe etwa OLG Brandenburg v. 12.1.2011 – 9 WF 383/07; KG Berlin v. 28.6.2017 – 13 UF 75/16, sogar für titulierten Unterhalt). Das mag daran liegen, dass einige der oben zitierten Ausführungen des BGH zum „Zeitmoment“ besser unter den Prüfungspunkt „Umstandsmoment“ gepasst hätten, insbesondere die Passage zu dem Eindruck, den das Stillhalten des Unterhaltsschuldners über einen längeren Zeitraum beim Unterhaltsgläubiger hinterlässt. 

Mit Beschluss vom 31.1.2018 hat der BGH nun deutlich mit dieser Praxis aufgeräumt. Bereits im Leitsatz stellt er  klar, dass „das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung“ das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen kann (BGH v. 31.1.2018 – XII ZB 133/17,  FamRZ 2018, 589 = FamRB 2018, 134; fortgeführt BGH v. 7.2.2018 – XII ZB 338/17, FamRZ 2018, 681 zum Kindesunterhalt).  

Hinweis für die Praxis: Spätestens nach diesem Beschluss des BGH muss jeder anwaltliche Berater sich auch in Fällen, in denen ein Unterhaltsanspruch länger als ein Jahr nicht verfolgt wurde, die Frage stellen, ob rückständiger Unterhalt nicht dennoch auch für einen länger zurück liegenden Zeitraum verlangt werden kann. Unabhängig davon müssen natürlich die Voraussetzungen des § 1613 BGB erfüllt sein, um einen Anspruch auf rückständigen Unterhalt überhaupt geltend machen zu können. Hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts ist auf § 1585b Abs. 3 BGB zu achten, der ausdrücklich vorschreibt, dass für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung nur verlangt werden kann, wenn anzunehmen ist, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hat.

 

Was mein ist, ist noch lange nicht dein (OLG Celle v. 30.8.2017 – 21 UF 89/17)

Die elterliche Sorge ist eine Thematik, die zahlreiche Facetten aufweist, wobei sich öffentlichkeitswirksame Diskussionen häufig nur mit der Frage der Personensorge für ein Kind befassen. Die den Sorgerechtsinhabern gleichermaßen obliegende Vermögenssorge wird allzu gerne übersehen oder auf die Frage der Eröffnung eines Sparkontos für ein Kind reduziert. Dabei ergeben sich gerade in diesem Kontext für Eltern ungeahnte Handlungs- und Unterlassungspflichten, deren – oftmals nicht einmal bedachte – Verletzung zu erheblichen Haftungsrisiken und möglicherweise sogar strafrechtlicher Verantwortlichkeit führen können.

Mit einem Sachverhalt, der die Handlungspflichten eines Elternteils und die Folgen von deren Verletzung eindrucksvoll vor Augen führt, hat sich das OLG Celle im Herbst 2017 befasst:

Anfang 2005 überwies der Großvater des damals noch minderjährigen Kindes an dessen Vater einen Betrag von 60.000 €. In einer etwa zeitgleichen schriftlichen Erklärung zwischen Vater und Großvater wurde festgehalten, dass dieser Betrag aus der Veräußerung eines Grundstücks des Großvaters stammte, der eigentlich der bereits verstorbenen Mutter des Kindes zur Abfindung als weichender Erbin hätte zustehen, statt dessen jedoch nun deren Tochter zukommen sollte. Gleich hohe Beträge erhielten jeweils auch die noch beiden lebenden Kinder des Großvaters. Nach Eintritt ihrer Volljährigkeit begehrte die Tochter unter anderem diesen Betrag von ihrem Vater zur Herauszahlung, der diesem Begehren mit der Argumentation entgegentrat, dass – unbeschadet der schriftlichen Erklärung – sein zwischenzeitlich verstorbener Schwiegervater ihm persönlich das Kapital zugewandt habe. Er habe ausdrücklich nicht die Anlage des Geldes in einem Sparbuch für das Kind gewünscht, sondern dessen sinnvolle Verwendung in dem von der Familie bewohnten Haus.

Das OLG Celle hat den Vater – ebenso wie die Ausgangsinstanz – zur Auszahlung des Kapitals an die Tochter verpflichtet und darauf verwiesen, dass die seitens des Vaters vorgetragenen Vorstellungen des Großvaters zur Kapitalverwendung unerheblich seien. Dieser habe mit der Überweisung des Geldes seine Verfügungsgewalt hierüber endgültig aufgegeben. Entscheidend sei daher allein, dass dem Vater die Pflicht oblag, das für die Tochter zur Verwahrung erhaltene Geld ordnungsgemäß und gewinnbringend zu verwalten. Daraus folgend sei es ihm gerade auch verboten gewesen, das Geld für persönliche Zwecke zu gebrauchen. In entsprechender Konsequenz sei er daher seiner nun volljährigen Tochter gegenüber auch schadensersatzpflichtig in Höhe des vereinnahmten Kapitals, wobei der Schadensersatzanspruch nicht nur aus § 1664 BGB, sondern auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB, d.h. unerlaubter Handlung, folge.

Gemäß § 1626 Abs. 1 BGB umfasst die elterliche Sorge neben der Personensorge auch die Vermögenssorge. Von der Vermögenssorge erfasst werden alle rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, das Vermögen des Kindes zu erhalten, zu verwerten und zu vermehren. Ebenso wie die Personensorge hat sich auch die Vermögenssorge am Kindeswohl zu orientieren, wobei sich die den Sorgerechtsinhaber treffenden Verpflichtungen aus §§ 1639 ff. BGB ergeben. Die Anlage des kindlichen Vermögens muss den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung folgen, wobei es den Eltern strikt untersagt ist, das Vermögen ihres Kindes für persönliche Zwecke zu verwenden, da es sich um eine fremdnützige Verwaltung handelt, die auf die Bewahrung des Vermögens zum Nutzen des Kindes abzielt. Erhält das Kind Vermögenswerte aus Schenkungen oder letztwilligen Verfügungen, so sind hiermit ggf. einhergehende Bindungen oder Anordnungen zu beachten, wobei hinsichtlich Kapitalbeträgen, die von Todes wegen erworben werden, ohnehin ein Vermögensverzeichnis zu erstellen und bei Gericht einzureichen ist. Nachteilige, riskante oder besonders wichtige Rechtsgeschäfte benötigen zudem einer gesonderten gerichtlichen Genehmigung.

Erzielt das Kind aus seiner Erwerbstätigkeit oder seinem Vermögen Einkünfte, so folgt aus § 1649 BGB eine strikte Reihenfolge zur Verwendung dieser Einkünfte. Zunächst sind die Kosten der ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung auszugleichen. Sodann ist der Barunterhalt des Kindes sicherzustellen und allein die noch verbleibenden Einkünfte dürfen angelegt werden. Ausschließlich überschüssige Vermögenseinkünfte dürfen für den Unterhalt der Familie verwendet werden, soweit dies der Billigkeit entspricht.

Fällt dem Sorgerechtsinhaber bei der Vermögenssorge eine Pflichtverletzung zur Last, so ist er gegenüber dem Kind schadensersatzpflichtig. Für die Geltendmachung des Schadensersatzes gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB, wobei gem. § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Verjährungsfrist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes gehemmt ist.

In der Praxisberatung sollten Eltern möglichst frühzeitig im Kontext von Fragen des Sorgerechts auch auf ihre Obliegenheiten im Zusammenhang mit der Vermögenssorge hingewiesen werden. Hierbei sollte ihnen verdeutlicht werden, dass etwa auch im Rahmen einer bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge aus § 242 BGB Auskunftspflichten gegenüber dem anderen Elternteil eröffnet sein können, soweit von einem Elternteil eigenmächtig Verfügungen mit Blick auf das Vermögen des Kindes vorgenommen werden (vgl. hierzu OLG Oldenburg v. 29.1.2018 – 4 WF 11/18).

Da waren’s nur noch zwei (zu BGH v. 7.3.2018 – XII ZB 408/14 – Anwartschaftsdynamik, Halbteilungsgrundsatz, Rententrend)

Das Lied von den zehn kleinen Negerlein[1] kennen sogar Juristinnen und Juristen. Der BGH hat nun im Versorgungsausgleich – offenbar im Bewusstsein ansonsten entstehender Langeweile – gleich mit der achten Strophe angefangen.

Für die Teilungsmöglichkeiten der Betriebsrenten hatte der Gesetzgeber die Barwerthalbteilung, die Rentenhalbteilung und die Rentenhalbteilung auf Basis geschlechtsneutraler Barwertfaktoren zugelassen. Alle diese drei Methoden hatten ihre Vor- und Nachteile, die von den Versorgungsträgern meist zu ihrem Vorteil genutzt wurden:

  • Die Barwerthalbteilung führt bei Kostenneutralität für den Versorgungsträger in bestimmten Fällen zu einem die Halbteilung verfehlenden Rentenertrag der ausgleichsberechtigten Person.
  • Die Rentenhalbteilung verfehlt in bestimmten Fällen die Kostenneutralität für den Versorgungsträger, dieser kann sparen, aber auch draufzahlen.
  • Die geschlechtsneutrale Barwertteilung führt – bei Kostenneutralität für den Versorgungsträger – in bestimmten Fällen zu einer Rente, die unter dem halben Rentenwert für die ausgleichspflichtige Person liegt.

Am häufigsten wird die Barwerthalbteilung praktiziert. Die ausgleichsberechtigte Person verliert dabei immer die Hälfte ihrer ehezeitlichen Rente. Der Rentenertrag für die ausgleichsberechtigte Person bleibt im Dunkeln, solange der Gesetzgeber den Versorgungsträgern nicht auferlegt, diesen beim Teilungsvorschlag mit anzugeben und öffnet daher Tür und Tor für Betrügereien. Welche ausgleichsberechtigte Frau im Alter 50 weiß am 31.12.2017, wie hoch die Rente aus 50.000 € Ausgleichswert ab ihrer Regelaltersgrenze sein müsste.[2]

Seltener ist die Rentenhalbteilung. Sie kann – geschlechts- und altersabhängig – die Kostenneutralität des Versorgungsträgers verletzen, ihn aber auch begünstigen. Sie ist für die Beteiligten transparent. Jeder bekommt die halbe ehezeitliche Rente, gleich wie alt oder weiblich man ist.

Ganz selten geschieht die Teilung auf der Basis geschlechtsneutraler Barwertfaktoren, die – wiederum geschlechts- und altersabhängig – dazu führen kann, dass beiden Ehegatten weniger als die Hälfte der ehezeitlich erworbenen Rente der ausgleichspflichtigen Person verbleibt. Ein solcher Fall lag der Entscheidung des BGH zugrunde. Die IBM wollte so teilen und scheiterte beim BGH, der kurzerhand dieses ‚Negerlein‘ für unzulässig erklärte:

  1. Der Halbteilungsgrundsatz gebietet es nicht nur, dass die ausgleichsberechtigte Person die Hälfte des in der Ehezeit erworbenen Anrechts abzüglich der anteiligen Kosten der Teilung erhält, sondern ebenso, dass der ausgleichspflichtigen Person die Hälfte des von ihr erworbenen Anrechts abzüglich der anteiligen Teilungskosten verbleibt (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 17.2.2016 – XII ZB 447/13, BGHZ 209, 32 = FamRZ 2016, 775 = FamRB 2016, 176).

(BGH, Beschl. v. 7.3.2018 – XII ZB 408/14)

Nun fragt man sich verdutzt, wie denn Gerichte und Anwaltschaft erkennen sollen, welcher Rentenertrag für die beiden Ehegatten entstehen soll, wenn der Versorgungsträger sich weigert, diesen mitzuteilen. Denn – so der BGH – nur die ausgleichspflichtige Person ist halbteilungssensibel. Es existiert leider keine Verpflichtung des Versorgungsträgers mitzuteilen, um welchen Betrag die Rente der ausgleichspflichtigen Person durch den Versorgungsausgleich verringert wird. Ganz zu schweigen davon, dass fast alle Versorgungsträger sich beharrlich weigern, den Rentenerwartungswert für die ausgleichsberechtigte Person zu offenbaren.

Bei der externen Teilung ist es einfach, die Rentenerwartung für die ausgleichsberechtigte Person zu bestimmen: Der Kapitalwert wird in der gesetzlichen Rentenversicherung in Entgeltpunkte umgerechnet[3] und mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert[4].

Bei der internen Teilung kann man den Rentenerwartungswert nur vom Versorgungsträger oder kostenträchtig von einem Gutachter bzw. Versicherungsmathematiker oder durch Anwendung des Ihnen auf der FamRB-Homepage kostenlos zur Verfügung gestellten BerechnungstoolsKapitalwertkontrolle im Versorgungsausgleich[5] erfahren. Das alles bleibt aber solange im obskuren Dunkel des Unwissens verborgen, solange Gerichte und Anwälte sich von den versicherungsmathematischen Zusammenhängen überfordert fühlen und ihre versorgungsausgleichsrechtliche Erkenntnisaversion pflegen.

Der Gesetzgeber bleibt aufgefordert, wenigstens an dieser Stelle das Gesetz zu ändern und den Versorgungsträgern aufzuerlegen, die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs auf die Rente der ausgleichspflichtigen Person und die Rentenerwartung der ausgleichsberechtigten Person darzustellen. Anderenfalls wird die Entscheidung des BGH weitgehend wirkungslos verhallen, weil die Betroffenen zu spät merken, dass die ehezeitlich erarbeitete Rente zu stark gekürzt wird oder das Teilungsergebnis unangemessen niedrig ist. Der Tenor bindet nämlich den betrieblichen Versorgungsträger.[6] Was einmal familienrechtlich verkorkst wurde, ist rettungslos verloren.

Gerichte und Anwaltschaft bleiben aufgefordert, zur Kontrolle des angemessenen Teilungsergebnisses (§ 11 VersAusglG) den Versorgungsträger zu veranlassen, die Rentenerwartungen der Ehegatten nach dem Versorgungsausgleich zu dokumentieren.

Die Entscheidung des BGH hat aber auch noch andere Aspekte und offenbart bundesrichterliches Mitgefühl mit der Praxis:

„Selbst wenn die Teilungsordnung eindeutige Regelungen dazu enthält, wie der Kürzungsbetrag beim Ausgleichspflichtigen zu ermitteln ist, sind diese – in erster Linie an den Versicherungsmathematiker gerichteten – Beschreibungen regelmäßig sehr technisch gehalten und erschweren dadurch eine inhaltliche Kontrolle der Regelung durch Gericht und Verfahrensbeteiligte erheblich.“(Rz. 40)

Beherzt räumt der BGH denn auch gleich zwei andere Problemfelder ab:

Der Rententrend, also die Dynamik einer betrieblichen Altersversorgung in der Rentenbezugsphase, ist bei Ermittlung des korrespondierenden Kapitalwerts und damit auch des Ausgleichswerts mit zu berücksichtigen, selbst wenn nicht sicher vorausgesagt werden kann, wie hoch dieser Rententrend ist. Das Gesetz (§ 16 BetrAVG) lässt für betriebliche Altersversorgungen drei Möglichkeiten zu: Die Leistungsanpassung kann dadurch erfolgen,

  • dass jährlich die Renten um ein Prozent angehoben werden oder
  • alle drei Jahre die Renten nach Entwicklung des Verbraucherpreisindex angehoben werden oder
  • die Anhebung entsprechend der Entwicklung der Nettolöhne der vergleichbaren Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Dreijahreszeitraum erfolgt.

Der BGH entscheidet nun klipp und klar, dass der Rententrend bei der Bewertung der Versorgung zu berücksichtigen ist. In der Praxis muss dies dazu führen, dass Anwaltschaft und Gerichte zu prüfen haben, ob in der Auskunft des Versorgungsträgers ein Rententrend angegeben worden ist. Sieht die Versorgungsordnung eine Rentenerhöhung von ein Prozent pro Jahr vor, ist dieser Prozentsatz zugrunde zu legen. Erfolgt die Anhebung nicht nach einem festen Prozentsatz, kann für die anzunehmende Rentendynamik ein Steigerungssatz von 1,75 % bis 2 % angenommen werden. Im klassischen Scheidungsalter von 50 Jahren führt die Annahme eines Rententrends von einem Prozent zu einer etwa zehnprozentigen Steigerung des Ausgleichswerts.

Bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen ist die Gehaltssteigerung zwischen Ehezeitende und der Entscheidung über den Versorgungsausgleich in die Entscheidung aufzunehmen und bei der Berechnung des Ausgleichswerts zu berücksichtigen. Dies ist nicht ganz unproblematisch. Eine nachehezeitliche Gehaltssteigerung beruht nämlich auf nachehezeitlich erbrachter Leistung der ausgleichspflichtigen Person. Dies gilt auch dann, wenn es sich nicht um einen Karrieresprung handelt. Deshalb ist vertreten worden, dass bei endgehaltsbezogenen Versorgungen der nachehezeitliche Versorgungszuwachs unberücksichtigt bleiben muss (Erman/Norpoth/Sasse, 14. Aufl., § 5 VersAusglG Rz. 8; differenzierend wie jetzt auch der BGH in Rz. 35 der Entscheidung: NK-FamR/Hauß, 3. Aufl., § 19 VersAusglG Rz. 8f.). Eine Gehaltssteigerung, die lediglich dem Inflationsausgleich dient, ist danach bei Bewertung der Versorgung zu berücksichtigen, eine Gehaltssteigerung, die auf individueller nachehezeitlicher Leistung der ausgleichspflichtigen Person beruht, wird nicht ausgeglichen (Karrieresprung).

Und zum Schluss noch der Hinweis: Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Ehezeitende lediglich erforderlich ist, um die Höhe der ehezeitlich erdienten Versorgung zu bestimmen. Die Bewertung dieser Versorgung, also ihre Kapitalisierung, erfolgt zu einem entscheidungsnahen Zeitpunkt, weil auch die Umsetzung der Entscheidung des Gerichts in der Regel nicht zum Ehezeitende erfolgt, sondern nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung.

[1] Ich weiß um die mangelnde Korrektheit dieses ‚Unworts‘, die allerdings in der Miniaturisierung relativiert wird. ‚Farbige‘ passt rythmisch nicht und ist vielleicht auch nicht korrekt und ‚farbige Weiße‘ wäre soziologisch korrekt, im Lied aber nicht unterzubringen.

[2] Es sind ca. 378 € bei einem Rententrend von 1 %.

[3] Derzeit knapp 7.000 € pro Entgeltpunkt.

[4] Derzeit noch 31,03 €, ab 1.7.2018 32,03 €.

[5] Dazu Hauß, FamRB 2017, 122.

[6] BAG v. 10.11.2015 – 3 AZR 813/14, FamRZ 2015, 535 = FamRB 2016, 184.

Ungeahnte Folgen eines Sorgerechtsverfahrens (AG Bad Hersfeld v. 27.10.2017 – 63 F 290/17 SO)

Streben Eltern ein Kindschaftsverfahren an, weil sie eine gerichtliche Regelung zu Fragen der elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts wünschen, so bedenken sie in der Regel nicht, dass die Gerichte an die gestellten Anträge nicht gebunden sind, sondern für sie der Amtsermittlungsgrundsatz in diesen Verfahren gilt. Dies bedeutet, dass die jeweiligen „Anträge“ der Verfahrensbeteiligten für die Gerichte lediglich eine Anregung darstellen. Die Gerichte müssen letztlich auf der Grundlage der schriftsätzlich erteilten Informationen von Amts wegen nicht nur prüfen, welche Entscheidung im konkreten Einzelfall die am Kindeswohl orientierte beste Regelung darstellt, sondern gegebenenfalls auch erlangte Informationen aufgreifen, um weitergehend zu prüfen, ob der sich hieraus ergebende Lebenssachverhalt auf eine Kindeswohlgefährdung deutet, die die Eltern entweder in dieser Form bislang nicht erkannt haben oder aber zu deren Beseitigung sie entweder nicht in der Lage oder nicht willens sind.

Das AG Bad Hersfeld hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit einer solchen Problematik befasst: Im konkreten Fall hatten die Eltern in einem zunächst streitigen Sorgerechtsverfahren letztlich Einvernehmen darüber erzielt, dass bezüglich des gemeinsamen 10-jährigen Sohnes der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen werden und es im Übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge bleiben sollte. Anlässlich seiner Anhörung schilderte das Kind, dass ihm unter anderem zwei Videospiele zur Verfügung stünden („Grand Theft Auto 5“ sowie „Call of Duty“), für die eine Altersfreigabe erst ab 18 Jahren besteht. Das AG hat, entsprechend dem Antrag der Eltern, eine Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht getroffen. Darüber hinausgehend hat es die Eltern aber auch verpflichtet, fortwährend sicherzustellen, dass dem Kind keine Spiele zugänglich sind, die das Kindeswohl gefährden, selbst wenn seitens des Kindes geltend gemacht wird, dass es durch diese Maßnahmen zum Außenseiter seiner Gruppe werde. Seine Entscheidung leitet das Gericht aus der Überlegung ab, dass in den seitens des Kindes genannten Spielen die Charaktere kriminelle Handlungen begingen und die Spiele selbst von Gewaltszenen bestimmt würden, etwa einer nicht umgehbaren Folterszene. Werde ein Film oder Spiel mit einer sog. Einstufung „USK ab 18“ versehen, so beruhe dies auf einer sachverständigen Einschätzung, dass diese Medien Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht zugänglich zu machen seien. Die seelische Entwicklung eines 10-jährigen Kindes werde bereits bei bloßer Ansicht und erst recht beim Durchleben der Spielszenen massiv gefährdet. Eltern hätten daher sicherzustellen, dass einem Kind derartige Spiele nicht (mehr) zur Verfügung gestellt würden. Der Einwand eines Elternteils, dass solche Spiele auch von vielen anderen Kindern im Alter des eigenen Kindes gespielt würden, sei rechtlich nicht beachtlich.

Grundsätzlich ist die Pflege und Erziehung eines Kindes nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG originäre Aufgabe der Eltern, wobei zudem aus Art. 8 EMRK die staatliche Achtung des Familienlebens folgt. In dieses verfassungsrechtlich garantierte Elternrecht darf der Staat jedoch eingreifen, wenn Gründe des Kindeswohls dies dringend erfordern. Dieses staatliche Wächteramt wird einfachgesetzlich durch § 1666 BGB konkretisiert. Danach hat das Familiengericht Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung einer Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes erforderlich sind, soweit die Eltern zur Abwendung dieser Gefahr nicht willens oder in der Lage sind. § 1666 Abs. 3 BGB sieht in einer enumerativen Auflistung mögliche Maßnahmen in der Form von Ver- und Geboten vor, die seitens des Gerichts angeordnet werden können, um einer Kindeswohlgefährdung zu begegnen. Dieser Katalog möglicher Auflagen ist nicht abschließend. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung (BGH v. 23.11.2016 – XII ZB 149/16, FamRB 2017, 48) vielmehr darauf hingewiesen, dass auch andere zur Gefahrenabwehr geeignete Weisungen in Betracht kommen, die, wenn sie wesentlich in Grundrechte eines Betroffenen eingreifen und nicht durch den Katalog des § 1666 Abs. 3 BGB umfasst sind, aber einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfen.

In der Praxisberatung sollte umfassend auch über die verfahrensrechtlichen Grundsätze eines Kindschaftsverfahrens informiert werden und zwar nach Möglichkeit nicht erst dann, wenn bereits das Mandat zur gerichtlichen Regelung erteilt wurde. Den Verfahrensbeteiligten sollten die Prinzipien des Amtsermittlungsgrundsatzes vor Augen geführt werden, d.h., es sollte ihn verdeutlicht werden, dass das Gericht auch auf der Grundlage im Lauf des Verfahrens erlangter Informationen letztlich von Amts wegen Ge- und Verbote anordnen kann, die möglicherweise so von ihnen nicht bedacht und wohl auch nicht gewünscht sind. Soweit in dem konkret entschiedenen Sachverhalt des AG Bad Hersfeld sich die Mutter sogar dahin eingelassen hat, dass sie ihrem 10-jährigen Sohn ohne gerichtliche Entscheidung ein erst ab 18 Jahren zugelassenes Videospiel nicht untersagen könne, wäre auch bereits außergerichtlich ein deutlicher Hinweis auf grundlegende Fragen der Erziehungseignung nicht fehl am Platz gewesen.

Zahlensalat

Die Neufassung der Düsseldorfer Tabelle zum 1.1.2018 wirbelt immer noch Staub auf.[1] Die theoretische Aufregung über das Schicksal der Kinder, die unerwartet weniger Unterhalt als zuvor erhalten, ist groß, die praktische nicht. Die Gerichte melden keine Abänderungsanträge und die Sozial- und Gesundheitsbehörden keine kindliche Hungersnot. Gleichwohl werden Beiträge publiziert, deren Zahlendichte die Wortdichte fast übersteigt und die ahnen lassen, welch sprachzerstörende Wirkung Empörung haben kann.

Es lohnt sich, anlässlich der Neufassung der Düsseldorfer Tabelle über ihren Sinn zu reflektieren. Sie dient der erleichterten Ermittlung des ‚angemessenen Barbedarfs‘ eines unterhaltsbedürftigen Kindes. Ihre Umstrukturierung und die Neubemessung der Einkommensstufen war offenbar für viele überraschend. Die Tabelle leitet aus dem Einkommen eines Elternteils einen angemessenen Bedarf des Kindes ab. Allerdings muss nicht nur dieses angemessen alimentiert werden, sondern auch der Alimentierer. Dessen ökonomisches Siechtum löst aber nicht den Kinderschutzreflex aus, weil das ihm verbleibende Nettoeinkommen nicht augenfällig einer Tabelle entnommen werden kann, sondern errechnet werden muss.

Allüberall wird konstatiert, die Tabelle binde nicht. Wozu dann der Lärm? Ist der tabellarische Unterhalt für ein 10 Jahre altes Kind bei einem Elterneinkommen von 2.500 € in Höhe von 459 €[2] unangemessen und wäre ein Betrag in Höhe von 472 €[3] angemessener? Gibt es überhaupt eine Steigerungsform von ‚angemessen‘? Der Duden verneint das, die Logik auch.[4] Und welche Empörung wird erst einmal die Kindergelderhöhung zum 1.7.2019 um 10 € und Anfang 2021 um 15 € auslösen?[5] Da nimmt ‚die Tabelle‘ dem schutzbedürftigen Kind zum 1.1.2018 2,8 % seines Barbedarfs weg und schon bald wird der zahlende Elternteil infolge der hälftigen Kindergeldanrechnung schon wieder um 1,4 % entlastet. Gut nur, dass der Mindestbedarf des Kindes zum 1.1.2019 – was schon jetzt sicher ist – um 1,8 % heraufgesetzt wird.[6] Die Tabellenänderung zum 1.1.2019 ist schon gebucht.

Der ‚Fahrplan‘ für Eltern und Kinder lautet daher für den obigen Fall:

  • Abänderungsantrag am 1.1.2018 von 375 € auf (459 € – 97 € =) 362 €
  • Abänderungsantrag am 1.1.2019 von 362 € auf 369 €
  • Abänderungsantrag am 1.7.2019 von 369 € auf 364 €
  • Betreuungsantrag am 1.8.2019 von Amts wegen nach Eingang des letztgenannten Abänderungsantrags für Eltern, Kinder und Anwältinnen und Anwälte, die das begleiten.

Nachfragen bei Gerichten haben ergeben, dass die Änderung der Düsseldorfer Tabelle so gut wie keine Änderungsanträge verursacht hat. Auch die barunterhaltspflichtigen Elternteile wissen nämlich um die ökonomischen Bedürfnisse ihrer Kinder und die deutliche Ausweitung des Anwendungsbereichs der ersten Einkommensstufe hat die Luft gegeben, ‚Fünfe gerade sein zu lassen‘. Das gilt auch für die Staffelung der Einkommensstufen. Die recht grobe Rasterung in 400-Euro-Schritte erspart uns in der Praxis die kleinliche Auseinandersetzung um Berücksichtigung von Kosten der Kinderbetreuung in den Zeiten, in denen das Kind vom barunterhaltspflichtigen Elternteil betreut wird, und die buchhalterische Berücksichtigung anderer Bagatellbeträge. Die Grobrasterung der Einkommensstufen wirkt, wie § 18 VersAusglG wirken sollte: Die kleinkarierte ‚Wut über den verlorenen Groschen‘ ist sinnlos und kann deswegen ausbleiben. Auch barunterhaltspflichtige Eltern streiten nur selten außerhalb des Mangelfalls um Groschen. Die öffentliche Aufregung um die aus der Anhebung der Einkommensgrenzen resultierenden teilweise geringeren Zahlbeträge gedeiht auch deswegen so prächtig, weil der Kindesunterhalt oft immer noch als Strafe für die Trennung begriffen wird. ‚Dann soll er (nur selten sie) wenigstens ordentlich zahlen.‘

Der neue Zuschnitt der Düsseldorfer Tabelle war notwendig, weil eine Tabelle, die auf den Barbedarf zweier unterhaltsbedürftiger Kinder zugeschnitten ist (die Umstellung auf nur ein Kind bei unveränderten Einkommensstufen, ist von den Oberlandesgerichten abgelehnt worden), diesen in der ersten Einkommensstufe auch mangelfallfrei befriedigen muss. Die Veränderungen in der Altersgruppe 4 waren erforderlich, weil deren Mindestbedarf deutlich oberhalb des Existenzminimums lag.[7]

Man mag beklagen, dass die Berechnung des Kindesunterhalts nicht mehr ganz so computerkonform erfolgen kann und in geeigneten Fällen von den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle abgewichen werden muss. Das ist sicher nicht strafbar. Der fach-literarische Zahlensalat, der um die neue Düsseldorfer Tabelle betrieben wird, lenkt davon ab, dass die Bestimmung des angemessenen Unterhalts JurJob[8] und nicht JurTech ist.

 

[1] Schürmann, Düsseldorfer Tabelle 2018, FamRB 2018, 32; Borth, Die neue Düsseldorfer Tabelle in der Kritik, FamRZ 2018, 407; Schwamb, Die Düsseldorfer Tabelle 2018 – eine bittere Pille für Kinder Alleinerziehender, FamRB 2018, 67; Wohlgemuth, Veränderung der Düsseldorfer Tabelle zum 1.1.2018 – kein großer Wurf, FamRZ 2018, 405; Viefhues, Weniger Kindesunterhalt ab 01.01.2018, FuR 2018, 20.

[2] Einkommensstufe 4 DDorfer Tabelle 2018 wegen einer geringeren Zahl unterhaltsberechtigter Personen.

[3] Einkommensgruppe 5 DDorfer Tabelle 2017.

[4] Angeklagter ist ja schließlich auch nicht die Steigerungsform von angeklagt.

[5] Koalitionsvertrag 2018 Rz. 696.

[6] Die Erhöhung des Bedarfs der ersten Einkommensstufe zum 1.1.2019 auf 353, 406 und 475 € ist bereits jetzt sicher.

[7] Und auch jetzt noch liegt.

[8] Phonetisch: Your Job.