Schwamb greift in seinem Beitrag die zu den Kontroversen bekannten Argumente auf, vernachlässigt dabei aber, dass sich die strittigen Punkte deshalb ergeben, weil die gesetzlichen Grundlagen der einzelnen Berechnungen längst nicht mehr mit den aus den Anfangsjahren des Unterhaltsrechts stammenden Maßstäben vergleichbar sind. Die strukturellen Veränderungen der letzten Jahrzehnte erfordern es, dass die Rechtsprechung die bisher angewandten Methoden auf ihre Eignung hinterfragt und die gewonnenen Ergebnisse auf ihre Angemessenheit und Stimmigkeit im Gesamtsystem überprüft.
Der um die Differenz zwischen zweiter und dritter Altersstufe erhöhte Bedarf volljähriger Kinder war schon seit den 1980er Jahren gebräuchlich (vgl. Hammer Leitlinien, Ziff. 18, FamRZ 1988, 1017); die Rechtsprechung zur Bemessung des Wohnkostenanteils mit 20 % des Tabellenwerts reicht zumindest bis in die 1990er Jahren zurück (vgl. Münch. Leitlinien 1996 Ziff. 4.1, FamRZ 1995, 1551). In dieser Zeit galt für die Eingangsstufe der Düsseldorfer Tabelle der Regelbedarf (§ 1515f BGB), dessen Höhe letztlich nicht durch ein wie auch immer berechnetes Existenzminimum, sondern durch die Leistungsfähigkeit bei kleinen Einkommen geprägt war (instruktiv BR-Drucks. 271/70). Dieselben Erwägungen galten auch noch für das Kindesunterhaltsgesetz von 1998 (BT-Drucks. 13/7338, 22; BT-Drucks. 13/9596, 31). Einen Bezug zum Existenzminimum stellte erstmals das Änderungsgesetz vom 2.11.2000 mit der Neufassung des § 1612b Abs. 5 BGB her (BT-Drucks. 14/3781, 8). Das Unterhaltsänderungsgesetz von 2008 ersetzte schließlich die sachwidrige 135 %-Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB (BVerfGE 108, 52 Rz. 54) durch den steuerlichen Kinderfreibetrag, um den Kindesunterhalt anhand einer bundeseinheitlich geltenden Pauschale zu bestimmen. Dieser Freibetrag beruhe – so die Gesetzesbegründung – auf konkreten Zahlen zum Lebensbedarf und den Wohnkosten, so dass die Vorgaben für die Unterhaltspflichtigen und -berechtigten unmittelbar einsichtig und nachvollziehbar seien (BT-Drucks. 16/1830, 27). Dies gilt ohne weiteres für den offen ausgewiesenen Teilbetrag der Wohnkosten. In der Summe entsprechen 100 % des Mindestunterhalts dem vom Gesetz angestrebten Ergebnis; hier nicht erfasste Bedarfe begründen ohnehin einen Zusatzbedarf. Allerdings ist es mehr als nur ein Schönheitsfehler, wenn die gesetzlich vorgegebene Spreizung des Mittelwerts die methodischen Mängel der früheren Regelung beibehält und so das angestrebte Normziel für die jüngeren und älteren Kinder verfehlt. Dies zu korrigieren ist indes Aufgabe des Gesetzgebers. Andererseits kommen die Gerichte nicht daran vorbei, ihrerseits zu prüfen, ob angesichts dieses Befunds für volljährige Kinder eine nochmals höhere Steigerungsrate sachgerecht ist und das auf diese Weise ermittelte Ergebnisse dem vom Gesetz angestrebten Ziel eines existenzsichernden Mindestbedarfs entspricht. Es befremdet in der Tat, wenn sich für volljährige Schüler ein geringerer Bedarf errechnet, als er für die nur etwas jüngeren Geschwister gelten soll. Insofern gibt es gute Gründe, nicht allein auf den sozialrechtlichen Mindestbedarf abzustellen, zumal der Gesetzgeber mit der Privilegierung des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB von vergleichbaren Lebensverhältnissen der noch in der Schulausbildung befindlichen Kinder ausgegangen ist. Dies rechtfertigt es, an dem – ohnehin schon erhöhten – Bedarf der 3. Altersstufe festzuhalten. Wer aber ungeachtet der veränderten Bezugsgrößen die bisherige Praxis eines um nochmals 8 % erhöhten Tabellensatzes beibehalten will, muss schon begründen, weshalb erst diese Berechnung zum existenznotwendigen Barbedarf führt. Man kann der Meinung sein, dass Jugendliche und junge Erwachsene einen höheren Wohnbedarf haben als Kleinkinder und entsprechendes auch für den persönlichen Schulbedarf gelten solle. Persönliche Überzeugungen eignen sich jedoch ebenso wenig für eine sachbezogene Begründung wie der Verweis auf eine über allen Instanzen hinweg unverändert praktizierte Rechtsprechung. Vielmehr wären die einzelnen Positionen anhand empirisch belegter Werte konkret zu beziffern.
Für den Bedarf minderjähriger Kinder bezieht sich das Gesetz explizit auf die Maßstäbe und Methoden des Existenzminimumberichts. Dieser entspricht sachlich den „sozialrechtlichen Grundsätzen“, auf die sich die Rechtsprechung auch ansonsten zur Bemessung von Mindestbedarf und Selbstbehalt stützt. Weshalb sollen diese Grundsätze allein beim Unterhalt für volljährige Kinder nicht gelten?