BGH lässt im Urteil vom 10.7.2024 Einfluss des MoPeG auf die bisherige Rechtsprechung zur Eigenbedarfskündigung der GbR als Vermieterin offen

I. Die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH zur Eigenbedarfskündigung analog § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei Vermieterstellung einer GbR

Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein die Eigenbedarfskündigung rechtfertigendes Interesse des Vermieters vor, wenn „der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt“. Nach der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10.8.2021 (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG, BGBl. I S. 3436) ergangenen ständigen Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Vermieterin von Wohnraum in analoger Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter oder dessen Angehörigen geltend machen (vgl. BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 104/17, BGHZ 218, 162 = MDR 2018, 584 Rz. 14; BGH v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, BGHZ 213, 136 = ZIP 2017, 122 Rz. 14 ff.).

Da die Gesellschafter einer GbR als Wohnungsvermieterin offensichtlich keine „Familienangehörigen oder Angehörige des Haushalts“ der GbR sind, ist in der Konstellation, in der eine solche Gesellschaft Eigenbedarf für einen Gesellschafter oder dessen Angehörigen geltend macht, jedenfalls eine direkte Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Zur Begründung der analogen Anwendung hat der VIII. Zivilsenat des BGH bislang darauf rekurriert, dass die „Teilrechtsfähigkeit“ der GbR nicht die Folgerung rechtfertige, dass die Interessen der Personenmehrheit, die diese Gesellschaft bilde, bei der Eigenbedarfskündigung analog § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ohne rechtliche Bedeutung seien. Die „Weißes Ross“-Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 29.1.2021 (BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330) ändere nichts an der früheren Rechtslage, nach der die GbR als „Vermietermehrheit“ – ebenso wie die Miteigentümergemeinschaft (Bruchteilseigentum) und die Erbengemeinschaft – zur Vornahme einer Eigenbedarfskündigung berechtigt gewesen sei (vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung Wertenbruch, NJW 2023, 1393 Rz. 16 ff.).

II. Der BGH-Fall aus Berlin-Mitte

Dass die Rechtsform der GbR zumindest bislang bei der Vermietung von Wohnraum insbesondere in Bezug auf die Eigenbedarfskündigung eine bedeutende Rolle spielte, visualisiert der Sachverhalt der aktuellen BGH-Entscheidung vom 10.7.2024 (BGH v. 10.7.2024 – VIII ZR 276/23): Die auf Räumung verklagten Mieter haben seit 2009 in einem Mehrfamilienhaus in Berlin-Mitte eine 160 Quadratmeter große 6-Zimmer-Wohung gemietet, die sie mit ihren beiden Kindern bewohnen. Aktuelle Vermieterin ist eine GbR, die das Hausgrundstück im Jahre 2013 im Wege eines Kaufs erworben hat, wobei die Grundbucheintragung im Jahre 2014 erfolgte. Mit Schreiben vom 16.8.2021 kündigte die GbR das Mietverhältnis ordentlich wegen Eigenbedarfs zu Gunsten eines ihrer Gesellschafter. Diese Kündigung hätte im Fall ihrer Wirksamkeit zur Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.5.2022 geführt.

III. Keine Rückwirkung des MoPeG bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts

Im Fall des BGH ist die am 16.8.2021 ergangene Eigenbedarfskündigung zwar nach Verkündung des MoPeG im Bundesgesetzblatt, aber vor Inkrafttreten des MoPeG am 1.1.2024 (Art. 137 Satz 1 MoPeG) erfolgt. Der BGH geht daher unter Berufung auf das Urteil des II. Zivilsenats vom 18.10.1965 (BGH v. 18.10.1965 – II ZR 36/64, BGHZ 44, 192, 194 = MDR 1966, 43) in Anwendung der allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Rechts zutreffend davon aus, dass die Wirksamkeit der Kündigung nach dem im Zeitpunkt der Kündigung geltenden Recht zu beurteilen ist. Die erst einige Zeit später im Rahmen des MoPeG in Kraft getretene Neuregelung des Rechts der GbR konnte deshalb auf die Wirksamkeit der Kündigung keine Auswirkungen haben. Für die Entscheidung des Revisionsgerichts ist zwar grundsätzlich die Rechtslage im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung maßgeblich. Ein erst nach Erlass der Berufungsentscheidung in Kraft getretenes Gesetz ist aber nur dann zu berücksichtigen, wenn es nach seinem zeitlichen Geltungswillen auch das streitige Rechtsverhältnis erfasst. Insoweit geht der BGH zu Recht davon aus, dass vom MoPeG keine rückwirkende Geltung seiner Regelungen für eine in der Vergangenheit von einer GbR ausgesprochene einseitige Gestaltungserklärung in Form einer Kündigung beansprucht wird, die – bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen – das Mietverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist ohne Weiteres beendet.

Der BGH konnte daher offenlassen, ob auf Grundlage des neuen Rechts der GbR eine Änderung der bisherigen ständigen Rechtsprechung zur Eigenbedarfskündigung einer GbR als Wohnungsvermieterin geboten ist, und in dieser Hinsicht auf den aktuellen Meinungsstand verweisen: Gegen eine Änderung Seidel, ZPG 2024, 94; Jacoby, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Wohnraummietrecht: GbR als Vermieterin, abrufbar unter www.mietgerichtstag.de/mietgerichtstage/downloadvorträge/mietgerichtstag-2024/(demnächst in ZMR 2024); Schäfer in MünchKomm/BGB, 9. Aufl. 2024, § 705 BGB Rz. 228; für eine künftige Unzulässigkeit der Eigenbedarfskündigung Börstinghaus in Schmidt-Futterer/Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 573 BGB Rz. 66a; Weidenkaff in Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 573 BGB Rz. 26; Brinkmann, NJW 2024, 177 Rz. 8, 20 ff.; Hinz, NZM 2023, 185, 187 f.; Wertenbruch, NJW 2023, 1193 Rz. 18 ff.

Dass im Fall des BGH die beim Amtsgericht Berlin-Mitte erhobene Räumungsklage in der Revisionsinstanz im Ergebnis scheiterte, beruht auf der Sperrfrist des § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin i.V.m. § 577a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB. Nach § 2 dieser Berliner VO (außer Kraft getreten am 30.9.2023) kann sich in Berlin ein Erwerber auf berechtigte Interessen i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB erst nach Ablauf von zehn Jahren berufen. Die Ausnahme des § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB „… nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören“ wurde vom BGH verneint, weil die ursprünglichen GbR-Gesellschafter (Zeitpunkt des Eigentumserwerbs) als Cousins keine Familienangehörigen im Sinne dieser Vorschrift seien.

IV. Künftige Rechtsentwicklung – Ausblick

Ob das MoPeG – zumindest mit dolus eventualis – die Axt an die gesellschaftsrechtlichen Wurzeln der bisherigen Rechtsprechung zur Eigenbedarfskündigung der GbR als Vermieterin gelegt hat, wird sich zeigen, wenn eine nach dem 1.1.2024 ausgesprochene Kündigung auf dem Rechtsweg unter Berufung auf die Reform des Personengesellschaftsrechts die Revisionsinstanz erreicht. Nach § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB kann die GbR selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft). Diese Variante der GbR ist damit eine „rechtsfähige Personengesellschaft“ i.S.d. § 14 BGB. Nach der amtlichen Begründung zum MoPeG (BT-Drucks. 19/27635, S. 125) ist die rechtsfähige GbR das neue Leitbild des Rechts der GbR: „Im Sinne eines gesetzlichen Leitbilds konzipiert § 705 Abs. 2 BGB die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Gestalt der rechtsfähigen Gesellschaft als auf eine gewisse Dauer angelegte, mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattete Personengesellschaft grundlegend neu.“ Nach der Legaldefinition des § 713 BGB sind die „Beiträge der Gesellschafter sowie die für oder durch die Gesellschaft erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten Vermögen der Gesellschaft“. Die Zulässigkeit einer Eigenbedarfskündigung der GbR als Vermieterin in analoger Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann daher künftig nicht mehr darauf gestützt werden, dass die GbR eine mit der Bruchteilsgemeinschaft und der Erbengemeinschaft vergleichbare „Vermietermehrheit“ sei und ihr – im Vergleich zur juristischen Person – nur eine „Teilrechtsfähigkeit“ zukomme (vgl. zum Ganzen Wertenbruch, NJW 2023, 1193 Rz. 18 ff.).