Rechtsanwalt Dr. Schwedhelm im Interview zu den Herausforderungen des Umwandlungsrechts und den Chancen des neuen Realteilungserlasses

Das Umwandlungsrecht ist eine extrem herausfordernde und komplexe Materie. Für eine sachgerechte Beratung sind sowohl vertiefte Kenntnisse im Zivil- als auch im Steuerrecht vonnöten. Und gerade letzteres ist ständig im Wandel. Aktuell müssen sich Berater z.B. mit dem neuen Realteilungserlass auseinandersetzen. Anlässlich der Neuauflage des Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung, habe ich hierüber mit dem Autor des Buches Rechtsanwalt Dr. Rolf Schwedhelm[1] gesprochen.  

Melkko: Lieber Herr Dr. Schwedhelm, haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser Gespräch nehmen. Was ist für Rechtsanwälte, die im Umwandlungsrecht tätig sind, die größte Herausforderung?

Schwedhelm: Den Überblick zu behalten. Die Umwandlung einer Gesellschaft bedarf solider Kenntnisse im Zivilrecht und im Steuerrecht. Vor allem das durch Rechtsprechung und ständige Gesetzesänderungen geprägte Steuerrecht macht es unerlässlich, sich laufend mit neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Dabei ist es nicht ausreichend, das Umwandlungssteuerrecht zu kennen. Regelmäßig stellen sich auch umsatz- und grunderwerbsteuerliche Fragen, die nicht selten übersehen werden.

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Melkko: Wo liegen denn die größten steuerrechtlichen Fallstricke?

Schwedhelm: Die Klassiker in Steuerstreit- oder Steuerberaterhaftungsverfahren bleiben die nicht erkannte Betriebsaufspaltung sowie das nicht erkannte Sonderbetriebsvermögen. Häufig werden z.B. GmbH-Anteile über Jahre zu Unrecht nicht als Betriebsvermögen qualifiziert. Das Finanzamt greift das oftmals auch nicht auf – entweder weil es die Betriebsvermögenseigenschaft ebenfalls nicht erkennt oder weil sie sich bei der laufenden Besteuerung nicht auswirkt. Kommt es dann zu einer Unternehmensumwandlung, werden diese Fragen jedoch von der Betriebsprüfung meist sehr genau untersucht. Die Steuerschäden, die dabei aufgedeckt werden, sind oft erheblich.

Melkko: Eine weitere Schwierigkeit liegt ja vielleicht auch in der Dynamik des Rechtsgebiets. Ich denke da z.B. an den neuen Realteilungserlass. Wie wirkt dieser sich auf die Beratung aus?

Schwedhelm: Die Realteilung spielte in der Vergangenheit in der Gestaltungsberatung eine untergeordnete Rolle. Die Finanzverwaltung hat die Voraussetzungen so eng ausgelegt, dass kaum rechtssicher gestaltet werden konnte. Dass die Finanzverwaltung – wenn auch erst auf mehrfachen Druck des BFH – diese enge Sichtweise nun aufgegeben hat, ist insbesondere für Freiberuflersozietäten eine große Erleichterung. Dass die Finanzverwaltung nach wie vor die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft nicht zulässt, bleibt allerdings eine steuerliche Absurdität.

Melkko: Der neue Realteilungserlass ist auch in der vor kurzem erschienenen 9. Auflage Ihres Werks „Die Unternehmensumwandlung“ berücksichtigt worden. Das Werk zeichnet sich vor allem durch seine ABC-Form aus. Wie ist diese Idee entstanden und welche Vorteile hat das für den Nutzer?

Schwedhelm: Die Idee zur ABC-Form stammt vom Herausgeber der Reihe, Michael Streck. Das Buch ist entstanden aus der praktischen Arbeit. Im Laufe der Zeit hatte sich eine ganze Anzahl von Umwandlungsfällen bei mir angesammelt. Streck hatte daraufhin die Idee, dass ich aus diesem angesammelten Knowhow ein Buch mache und zwar in ABC-Form. Mir leuchtete diese Idee sofort ein. In der praktischen Arbeit ist Ausgangspunkt immer die Frage, wie komme ich von der Rechtsform A in die Rechtsform B. Hierzu muss ich mir dann die passenden zivilrechtlichen und steuerlichen Normen suchen. Diesem Ziel dient das Buch. Es soll ein Wegweiser durch den Dschungel des Umwandlungs- und Umwandlungssteuerrechts sein.

Melkko: Der „Schwedhelm“ bietet einen Überblick über mehr als 300 Umwandlungsfälle. Gleichzeitig ist das Umwandlungsrecht ja ein eher statisches Rechtsgebiet. Gibt es aktuelle Beratungsschwerpunkte, die in der Neuauflage berücksichtigt sind?

Schwedhelm: Gott sei Dank ist das Umwandlungsrecht – im Gegensatz zum Umwandlungssteuerrecht – in den Kernbereichen von Gesetzesänderungen verschont worden. Dennoch bieten Rechtsprechung und Gesetzgeber immer wieder Anlass, das Buch zu aktualisieren. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist aktuell die Internationalisierung des Umwandlungsrechts, insbesondere verbunden mit den Fragestellungen im Zusammenhang mit einem Brexit.

Melkko: Sie hatten vorhin ja schon auf die große Bedeutung steuerrechtlicher Kenntnisse für die Beratung hingewiesen. Wird das Steuerrecht im „Schwedhelm“ ebenfalls berücksichtigt?

Schwedhelm: Das Steuerrecht wird in „Die Unternehmensumwandlung“ nicht nur berücksichtigt, sondern stellt sicherlich einen Schwerpunkt der Ausführung dar. Mindestens 50 % des Inhaltes beschäftigen sich mit den steuerrechtlichen Fragen. Das Steuerrecht ist und bleibt das größte Umwandlungshindernis. Das Buch soll helfen, diese Hindernisse zu erkennen und zu meistern.

Melkko: Lieber Herr Dr. Schwedhelm, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch.

 

[1] Dr. Rolf Schwedhelm ist Namensgeber und Autor des Standardwerkes Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht sowie Partner bei Streck Mack Schwedhelm Köln und sowohl auf das Umwandlungsrecht als auch auf das Umwandlungssteuerrecht spezialisiert. Das Interview hat Ass. iur. Katharina Melkko, Redakteurin und Lektorin im Verlag Dr. Otto Schmidt, geführt.

Der BFH klärt Streitfragen zum Antrag auf Rückbeziehung nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG

Mit seinem Urteil vom 19.12.2018 (I R 1/17) hat der BFH einige ganz grundlegende Fragen zum Rückbeziehungsantrag nach § 20 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 UmwStG gestellt. Das Urteil enthält vier zentrale Aussagen:

  1. Der Antrag ist von der übernehmenden Gesellschaft zu stellen.
  2. Der Antrag ist nicht fristgebunden.
  3. Ein Formerfordernis besteht nicht.
  4. Die nachträgliche Änderung eines gestellten Antrags ist unzulässig.

In den ersten drei Punkten ist dem BFH zuzustimmen. Begrüßenswert ist v.a. die Ansicht, dass der Antrag keiner Frist unterliegt. Die Konsequenz ist, dass die Rückbeziehung bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft geltend gemacht werden kann. M.E. ist die weitere Folge, dass durch die Stellung des Rückbeziehungsantrags u.U. auch ein bereits ausgeübtes Bewertungswahlrecht nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nochmals geändert werden kann, wenn sich durch die Änderung des Einbringungszeitpunkts auch der Zeitpunkt der maßgeblichen Schlussbilanz ändert.

Dass der BFH den einmal gestellten Rückbeziehungsantrag für nicht mehr änderbar hält, überzeugt hingegen nicht. Der BFH argumentiert, dass sich durch die Rückbeziehung der für die Besteuerung relevante Sachverhalt ändere und der übernehmenden Gesellschaft eine nachträgliche Einwirkung auf den damit verbundenen Steueranspruch verwehrt sei. Dabei verkennt der BFH m.E., dass die einzige Sachverhaltsänderung, die bei einer Antragsänderung eintritt, eben diese Änderung des Antrags ist. Der Sachverhalt selbst bleibt unverändert.

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Für die Gestaltungsberatung bringt die Entscheidung wenig Neues. Hier gilt – wie schon bislang – dass der Antrag auf Rückbeziehung wohl überlegt sein und schriftlich bei dem für die Gesellschaft zuständigen Finanzamt gestellt werden sollte. So lassen sich unnötige Diskussion mit dem Finanzamt vermeiden. Es verwundert daher auch nicht, dass es 12 Jahre gebraucht hat, bis der BFH zu solch grundlegenden Fragen des UmwStG 2006 Stellung nehmen konnte. In der Regel gelingt es der Beraterschaft – unterstützt durch Fachseminare und Praxishandbücher (wie z.B. den gerade in 9. Auflage erschienenen „Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung“) – den Mandanten den sichersten Weg durch den Steuerdschungel zu bahnen. Der Weg zu Gericht ist dann entbehrlich. Kommt es dennoch zum Streit, kann die Ansicht des BFH, dass der Rückbeziehungsantrag nicht fristgebunden ist, ein Rettungsanker sein.

Umfassend zu dieser Entscheidung: Stenert in Ubg 2019, 409 (411).