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BGH: Käufer muss bei eBay gesamte Artikelbeschreibung lesen

Dr. Matthias Böse  Dr. Matthias Böse
Rechtsanwalt und Fachanwalt Gewerblicher Rechtsschutz

Um Gebühren bei eBay zu sparen, hat ein Verkäufer sein E-Bike für 100,00 EUR zum Verkauf angeboten, im Beschreibungstext aber deutlich darauf hingewiesen, dass der Kaufpreis 2.600,00 EUR beträgt. Mit diesem Preis war der spätere Käufer nicht einverstanden und klagte auf Erfüllung des Kaufvertrages gegen Zahlung von 100,00 EUR.

Dem BGH zufolge ist der Verkäufer im Recht. Zwar sei grundsätzlich das Angebot durch Auslegung der Marktplatzregeln (= AGB von eBay) zu deuten. Weicht der Verkäufer hiervon aber ab, so hat diese Abweichung als speziellere Ausgestaltung Vorrang, es gilt damit der Kaufpreis von 2.600,00 EUR. Da der Käufer erklärt hatte, nicht an den Preis von 2.600,00 EUR gebunden sein zu wollen, läge hier zudem eine konkludente Anfechtung des geschlossenen Kaufvertrages vor.

Dem Kläger stand der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe und Ãœbereignung des E-Bikes gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB nicht zu. Zwar war – wenn auch zu einem Kaufpreis von 2.600 € – zwischen den Parteien ursprünglich ein Kaufvertrag zustande gekommen, so dass der Kläger – den (Fort-)Bestand dieses Vertrages vorausgesetzt – die Ãœbergabe und Ãœbereignung des gekauften E-Bikes, allerdings nur Zug um Zug gegen Zahlung des zwischen den Parteien gem. § 433 Abs. 2 BGB vereinbarten (Rest-) Kaufpreises i.H.v. 2.500 €, hätte verlangen können. Aus dem Sachverhalt ergab sich aber zugleich, dass der Kläger seine nach dem Empfängerhorizont des Beklagten objektiv auf einen Kaufpreis von 2.600 € lautende Annahmeerklärung anschließend gem. § 119 Abs. 1, § 121 Abs. 1, § 143 Abs. 1, 2 BGB wirksam wegen eines Inhaltsirrtums angefochten hatte, so dass es wegen der dadurch als von Anfang an als nichtig anzusehenden Annahmeerklärung gem. § 142 Abs. 1 BGB letztlich an einem die Klageforderung tragenden Vertragsschluss der Parteien fehlte.

[…]

Die Auslegung des vom Beklagten geschalteten Angebots in seiner
Gesamtheit ergibt, dass das E-Bike nicht für 100 € zum Verkauf gestellt war.
Zwar mag ein Kaufinteressent aufgrund der Gestaltung der Angebotsseite nach
seinem Empfängerhorizont zunächst davon ausgehen, dass der neben der
Schaltfläche „Sofort-Kaufen“ erscheinende und optisch hervorgehobene Festpreis
betragsmäßig dem Angebot des Verkäufers entspricht. Dabei darf er jedoch
nicht stehenbleiben. Vielmehr muss er zur Bestimmung des wirklichen
Erklärungstatbestands stets die insgesamt abgegebenen Erklärungen berücksichtigen
und darf nicht nur einzelne Erklärungsbestandteile als vermeintlich
maßgebend herausgreifen.

[…]

Sind bei Verkaufsaktionen auf der eBay-Internetplattform die Erklärungen der Teilnehmer nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft und bedürfen sie deshalb der Auslegung, ist grundsätzlich zwar der Aussagegehalt der eBay-AGB ergänzend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen. Rückt jedoch einer der Teilnehmer von den Regelungen der eBay-AGB erkennbar in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts nicht mehr in Betracht. Es ist dann vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich.

Praxishinweis

Auf Verkäuferseite könnte sich ein wenig aufrichtiges Vorgehen nach Ansicht des BGH offenbar lohnen. Unternehmer, die so handeln, verhandeln sich lauterkeitsrechtlich jedoch rechtswidrig, § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

Käufern ist in jedem Fall zur sorgfältigen Durchsicht sämtlicher Angebotsdetails zu raten. Im Falle eines Irrtums sollte unverzüglich eine Anfechtung erklärt werden. Dem Käufer, der dem Verkäufer mitteilt, er habe in Kenntnis der widersprüchlichen Preise den Kauf getätigt, wobei er nunmehr Lieferung begehrt, dürfte die Möglichkeit der Anfechtung mangels Irrtums nicht offen stehen.

Es steht zu befürchten, dass die Grundgedanken dieser Entscheidung auch auf andere Konstellationen ausgeweitet werden. z.B. ist denkbar, dass ein Produkt als „neu“ eingestellt wird, um aber später im Beschreibungstext zu offenbaren, dass der Gegenstand schon mehrere Monate genutzt ist und in einem Zustand „wie neu“ ist. Dies dürfte gegen die Vorgaben eBays verstoßen, zivilrechtlich nach der Entscheidung des BGH aber zu Problemen führen.

BGH Urteil vom 15.02.2017 Az.: VIII ZR 59/16

Mehr zum Autor: Dr. Matthias Böse ist Rechtsanwalt und Fachanwalt Gewerblicher Rechtsschutz in der Kanzlei Franz LLP.

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