Der BGH (Beschl. v. 19.9.2017 – VI ZB 37/16, MDR 2018, 173) hat sich mit den Pflichten des unzuständigen Gerichts bei Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes beschäftigt:
Der Kläger hatte die Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil des LG anstatt beim OLG beim LG eingelegt. Der Schriftsatz ging am letzten Tag der Frist gegen 13 Uhr ein. Der Schriftsatz wurde von dem LG nicht unmittelbar weitergeleitet. Das OLG lehnte die Wiedereinsetzung ab. Der Kläger versuchte hier, aus der Nichtweiterleitung durch das LG „Honig zu saugen“.
Nach ständiger Rechtsprechung gibt es ja bekanntlich eine Pflicht der Gerichte, fristgebundene Schriftsätze für ein Rechtsmittelverfahren im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Wird diese Pflicht vom Gericht verletzt, kann dies dazu führen, dass ein Verschulden der Partei bzw. des Anwalts (§ 85 Abs. 2 ZPO) dann nicht mehr für das Fristversäumnis ursächlich ist, weil diese nicht darauf, sondern auf der gerichtlichen Pflichtverletzung beruht. Dieser Gedanke führte hier aber nicht weiter, da bei einem Eingang um 13 Uhr des letzten Tages der Frist nicht mehr erwartet werden kann, dass bis 24 Uhr desselben Tages eine Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang erfolgen kann.
Der Kläger versuchte nun freilich, eine Verschärfung dieser Pflicht durchzusetzen. Dies machte der BGH nicht mit. Zu Maßnahmen außerhalb des Geschäftsganges besteht gerade keine Verpflichtung. Dem Rechtsmittelführer kann zum einen nicht die Verantwortung für das Rechtsmittel gänzlich abgenommen werden, zum anderen muss hier auch berücksichtigt werden, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit insoweit vor zusätzlichen Belastungen geschützt werden muss.
Interessant war noch der letzte Versuch des Klägers, einen „Rettungsanker“ auszuwerfen: Anstatt den Schriftsatz weiterzuleiten, kann natürlich auch ein Hinweis an die betroffene Partei erfolgen. Ein solcher Hinweis könnte – wenigstens theoretisch – natürlich auch sofort nach Eingang des Schriftsatzes erfolgen. Die Tatsache, dass das Gericht einen Hinweis erteilt darf, bedeutet jedoch gerade nicht, dass es auch verpflichtet ist, einen solchen auch tatsächlich und vor allem unverzüglich zu geben. Eine Hinweispflicht des Gerichts, aus der der Kläger etwas für sich herleiten könnte, bestehe daher nicht.
Damit blieb es bei der Entscheidung des OLG. Wenn an der Klage – es ging immerhin um 150.000 € – etwas dran gewesen sein sollte, muss der Kläger jetzt eben seinen Rechtsanwalt in Regress nehmen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang noch folgendes: Das OLG hatte noch nicht die Berufung verworfen, sondern lediglich die Wiedereinsetzung abgelehnt. In einem solchen Fall kann jedoch bereits gegen einen solchen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werden (§§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 S. 4, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO)!