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Anwaltsblog: Wann muss das Gericht im Anwaltsprozess einem Terminsverlegungsantrag entsprechen?

Hans Christian Schwenker  Hans Christian Schwenker
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Terminsverlegungsanträge der Parteien gehören zu den lästigen Begleiterscheinungen von Zivilprozessen. Die Instanzgerichte geben oft solchen Anträgen vorschnell nach, auch ohne dem Prozessgegner rechtliches Gehör zu gewähren. Daher ist dem IX. Zivilsenat zu danken, dass er die Voraussetzungen für die „erheblichen Gründe“, die nach § 227 Abs. 1 ZPO für eine Terminsverlegung erforderlich sind, konturiert hat:

 

Das OLG hat am 17. August 2022 Termin zur Verhandlung über den Einspruch der Klägerin gegen ein Versäumnisurteil für den 25. Oktober 2022 bestimmt, Hinweise erteilt und der Klägerin Frist zur Stellungnahme gesetzt, die zweimal verlängert worden ist, zuletzt bis zum 10. Oktober 2022. Einen Antrag auf weitere Verlängerung und Terminsverlegung hat das OLG zurückgewiesen. In dem Termin ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erschienen, nicht aber der seinerzeit ebenfalls als Rechtsanwalt zugelassene Geschäftsführer der Klägerin. Der Prozessbevollmächtigte hat Vertagung beantragt und keine Sachanträge gestellt. Das OLG hat eine Vertagung abgelehnt und den Einspruch der Klägerin durch zweites Versäumnisurteil verworfen.

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Ein (zweites) Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch nicht statthaft ist, unterliegt der Revision insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Eine zulässige Revision setzt also die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden ist. Das Revisionsvorbringen der Klägerin ergibt nicht, dass sie den Termin vom 25. Oktober 2022 vor dem Berufungsgericht ohne Verschulden versäumt hat. Die Voraussetzungen für die von der Klägerin zunächst angestrebte Verlegung des Termins und später für die beantragte Vertagung der Verhandlung im Hinblick auf die geltend gemachte Erkrankung ihres Geschäftsführers hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen. Erhebliche Gründe iSv. § 227 Abs. 1 ZPO sind regelmäßig solche, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Liegen solche Gründe vor, verdichtet sich das Ermessen des Gerichts zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird. Wenn eine Partei anwaltlich vertreten ist, zwingt die Erkrankung der Partei selbst – bei einer juristischen Person die ihres Vertretungsorgans – nicht zu einer Terminsverlegung, wenn und weil ihr Prozessbevollmächtigter zur Wahrnehmung des Termins zur Verfügung steht. Durch ihn kann die Partei ihre Rechte im Verfahren in der Regel angemessen und effektiv wahrnehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit der Partei erfordern. Die Partei hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen, weshalb ihre persönliche Anwesenheit in der Verhandlung erforderlich ist. Hinreichend gewichtige Gründe ergeben sich nicht schon aus der Bedeutung, welche der Prozess für die Partei hat. Das bloße Anwesenheitsinteresse einer anwaltlich vertretenen Partei ist durch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht geschützt. Die Klägerin legt nicht schlüssig dar, dass eine Verlegung oder Vertagung deshalb geboten war, weil ihr Geschäftsführer gehindert war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Sie zeigt weder schlüssig auf, dass ihr Geschäftsführer ohne Verschulden am Erscheinen verhindert war, noch hat sie substantiiert dargelegt, dass seine Anwesenheit erforderlich war. Bereits eine seine Verhandlungsunfähigkeit begründende Erkrankung ihres Geschäftsführers zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2022 hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Erscheint die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht, ist dies nicht schon durch eine Arbeitsunfähigkeit ausreichend entschuldigt. Erforderlich ist vielmehr, dass die Partei krankheitsbedingt verhandlungsunfähig ist. Das ärztliche Attest vom 18. Oktober 2022 ist nicht geeignet, das Ausbleiben des am Gerichtsort wohnhaften Geschäftsführers zu entschuldigen. Daraus ergibt sich allein, dass der Geschäftsführer aufgrund des am 2. Oktober 2022 erlittenen dreifachen Rippenbruchs wegen ausgeprägter Schmerzen und notwendiger regelmäßiger Schmerzmitteleinnahme bis 31. Oktober 2022 arbeitsunfähig ist; es ist nicht erkennbar, warum dies einer Teilnahme an der Verhandlung entgegensteht oder gar eine Verhandlungsunfähigkeit am 25. Oktober 2022 begründet. Jedenfalls ist damit der Glaubhaftmachung einer krankheitsbedingten Verhinderung des Geschäftsführers im Verhandlungstermin die Grundlage entzogen. Zudem hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt, dass gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit der Partei erforderten. Es fehlt es an substantiierten Vorbringen dazu, weswegen die Anwesenheit des Geschäftsführers im Termin unabdingbar gewesen sein soll. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin, dass sie unverschuldet nicht in der Lage gewesen ist, die mündliche Verhandlung ausreichend vorzubereiten. Zwischen der Ladung und dem Termin zur mündlichen Verhandlung lagen über zwei Monate. Das Berufungsgericht gab mit seiner Terminsverfügung vom 17. August 2022 konkrete Hinweise auf den Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die Klägerin zeigt nicht auf, warum ihr Geschäftsführer nicht in der Lage gewesen ist, ihren mit der Sache ebenfalls seit langem befassten Prozessbevollmächtigten innerhalb dieses Zeitraums ausreichend zu instruieren. Dass der Geschäftsführer hierzu wegen der Folgen seines am 2. Oktober 2022 erlittenen Unfalls nicht, insbesondere nicht fernmündlich, in der Lage gewesen ist, ist nicht schlüssig dargelegt.

(BGH, Urteil vom 14. September 2023 – IX ZR 219/22)

 

Fazit: Die Erkrankung der anwaltlich vertretenen Partei selbst – bei einer juristischen Person die ihres Vertretungsorgans – zwingt nicht zu einer Terminsverlegung, wenn nicht gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit der Partei erfordern. Die Partei hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen. Erscheint die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht, ist sie nicht schon durch eine Arbeitsunfähigkeit ausreichend entschuldigt. Erforderlich ist vielmehr, dass die Partei krankheitsbedingt verhandlungsunfähig ist.

Mehr zum Autor: Hans Christian Schwenker ist Rechtsanwalt in der Kanzlei add LEGAL in Hannover

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