Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen Aufklärungs- und Behandlungsfehler bei der Arzthaftung.

Keine Aufklärungspflicht des Arztes in Bezug auf Organisationsfehler
BGH, Urteil vom 25. November 2025 – VI ZR 51/24

Der VI. Zivilsenat verdeutlicht den Anwendungsbereich von § 630e Abs. 1 BGB.

Der im Jahr 1946 geborene Kläger wurde im Jahr 2017 im Krankenhaus der Beklagten am rechten Auge operiert. Der Chefarzt, der die Operation durchgeführt hatte, fuhr nach Dienstschluss des folgenden Tages (Freitag) in Urlaub. Im Haus der Beklagten bestand weder ein geregelter ärztlicher Nachtdienst noch ein geregelter fachärztlicher Hintergrunddienst. Ein Assistenzarzt am Ende des ersten Jahres seiner Ausbildung zum Facharzt für Augenheilkunde erklärte sich gegenüber dem Chefarzt bereit, bei Bedarf nachts in die Klinik zu kommen und Patienten zu versorgen. In der Nacht auf Samstag klagte der Kläger über Schmerzen und vermindertes Sehvermögen beim operierten Auge. Der Assistenzarzt untersuchte den Kläger gegen 3 Uhr morgens und verabreichte nach telefonischer Rücksprache mit dem Chefarzt mehrere Sorten von Augentropfen. Gegen 9 Uhr morgens stellte er eine Eiteransammlung im operierten Auge fest und verlegte den Kläger nach erneuter Rücksprache mit dem Chefarzt in ein Klinikum. Dort wurde eine Infektion festgestellt und noch am gleichen Tag ein erster Revisionseingriff durchgeführt, dem zahlreiche weitere Eingriffe folgten. Im Ergebnis ist das Sehvermögen des Klägers auf dem rechten Auge stark eingeschränkt.

Das LG hat die auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Das OLG hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Die Behandlung im Hause der Beklagten war nicht schon mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig. Entgegen der Auffassung des OLG bezieht sich die ärztliche Aufklärungspflicht nach § 630e Abs. 1 BGB nicht auf vorhandene Organisationsfehler. Die Aufklärungspflicht betrifft lediglich Risiken, die sich aus einem ordnungsgemäßen Vorgehen ergeben können.

Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das OLG prüfen müssen, ob sich der festgestellte Organisationsmangel auf das Behandlungsgeschehen ausgewirkt hat, die festgestellte Infektion bei ordnungsgemäßem nächtlichem Bereitschaftsdienst einen anderen Verlauf genommen hätte und der eingetretene Schaden dadurch verhindert worden wäre.

Praxistipp: Die Ursächlichkeit eines Fehlers für den eingetretenen Schaden wird nach § 630h Abs. 4 BGB vermutet, wenn ein Behandelnder für die vorgenommene Behandlung nicht befähigt war, und gemäß § 630h Abs. 5 BGB, wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt und dieser grundsätzlich geeignet ist, den in Rede stehenden Schaden herbeizuführen.

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