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Montagsblog: Neues vom BGH

Dr. Klaus Bacher  Dr. Klaus Bacher
Vorsitzender Richter am BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen einer Parteivernehmung von Amts wegen.

Subsidiarität der Parteivernehmung von Amts wegen
Urteil vom 12. Dezember 2019 – III ZR 198/18

Mit den Voraussetzungen des § 448 ZPO befasst sich der III. Zivilsenat.

Die beiden Kläger sind Erben eines im Oktober 2015 verstorbenen Erblassers, der mit ihrer bereits im Mai 2015 verstorbenen Tante verheiratet war. Der Beklagte war Nachfolger des Erblassers als Chef der Wertpapierabteilung einer örtlichen Bankfiliale und mit den Eheleuten seit Jahren befreundet. Von Januar 2015 bis kurz nach dem Tod des Erblassers hob er mittels einer EC-Karte mehrfach größere Geldbeträge von Konten des Erblassers und dessen Ehefrau ab. Gegenüber der auf Herausgabe dieser Beträge gerichteten Klage verteidigte er sich unter anderem damit, er habe dem Kläger zu 2 bei drei Anlässen im Juni und Oktober 2015 insgesamt 63.600 Euro in bar übergeben, teils in einem Briefumschlag, teils in Geldtaschen. Das LG wies die Klage ab. Das OLG verurteilte den Beklagten unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung zur Zahlung von rund 60.500 Euro.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Er tritt dem OLG darin bei, dass der Beklagte für die behaupteten Zahlungen an den Kläger zu 2 die Beweislast trägt und dass die Aussagen der von ihm hierfür benannten und bereits vom LG vernommenen Zeugen hierfür keinen unmittelbaren Beweis liefern.

Der BGH sieht die Entscheidung des OLG aber schon deshalb als fehlerhaft an, weil dieses die Zeugen nicht erneut vernommen, sondern seine Würdigung allein auf die erstinstanzlichen Aussageprotokolle gestützt hat. Die erneute Vernehmung eines Zeugen gemäß § 398 ZPO sei nicht nur dann geboten, wenn dessen Aussage abweichend von der Vorinstanz gewürdigt werden soll, sondern auch dann, wenn die Feststellungen der Vorinstanz unvollständig ist.

Darüber hinaus hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob sich den Aussagen der Zeugen zumindest hinreichende Anhaltspunkte entnehmen lassen, die Anlass zu einer Parteivernehmung des Beklagten von Amts wegen gemäß § 448 ZPO geben. Entgegen der Auffassung des OLG scheidet diese Form der Beweisaufnahme nicht schon deshalb aus, weil der Beklagte noch die Ehefrau des Klägers zu 2 als Zeugin hätte benennen können. Eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO kommt zwar nur dann in Betracht, wenn die beweisbelastete Partei alle anderen zumutbaren Beweisangebote ausgeschöpft hat. Die Benennung eines im Lager der Gegenseite stehenden Zeugen oder ein Antrag auf Parteivernehmung des Gegners sind aber nicht zumutbar in diesem Sinne. Deshalb hängt die Frage, ob Veranlassung zu einer Vernehmung nach § 448 ZPO bestand, im Streitfall allein davon ab, ob sich aus den Aussagen der vernommenen Zeugen der erforderliche „Anbeweis“ ergibt. Dies wird das OLG im neu eröffneten Berufungsverfahren zu klären haben.

Praxistipp: Zu den zumutbaren Beweismitteln, die die Partei ausschöpfen muss, gehört auch ein Antrag auf (eigene) Parteivernehmung nach § 447 ZPO. Eine solche Vernehmung ist nur mit Zustimmung des Gegners zulässig.

Mehr zum Autor: Der Autor ist Vorsitzender des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Er gehört zum Herausgeberbeirat der MDR und ist Mitautor des Prozessformularbuchs (Hrsg. Vorwerk).

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