Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Anwendbarkeit von § 280 und § 281 BGB im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Urteil vom 18. März 2016 – V ZR 89/15

Eine viel diskutierte Streitfrage zum Verhältnis zwischen §§ 985 ff. BGB und den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts hat der V. Zivilsenat entschieden.

Eine mittlerweile insolvente Gesellschaft hatte aufgrund eines Kooperationsvertrags mit einem Einkaufsring in mehreren von der Beklagten betriebenen Getränkemärkten Videogeräte für Werbezwecke aufgestellt. Nach Beendigung des Kooperationsvertrags teilte der Kläger mit, die Geräte seien an ihn übereignet worden. Zugleich verlangte er die Herausgabe der Geräte. Nachdem die Beklagte diesem Verlangen nicht nachgekommen war, verlangte er von ihr Schadensersatz in Höhe des Veräußerungswerts. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit den Vorinstanzen verneint er einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB. Die Beklagte war zwar bösgläubig, weil sie nach Beendigung des Kooperationsvertrags wusste, dass sie nicht (mehr) zum Besitz der Geräte berechtigt ist. Der Anspruch aus §§ 989, 990 BGB umfasst aber nur den Schaden, der dadurch entsteht, dass die Sache nicht mehr herausgegeben werden kann, nicht hingegen einen Schaden aufgrund bloßer Vorenthaltung der Sache. Als Grundlage für einen solchen Anspruch kommen in der zu beurteilenden Konstellation nur §§ 280, 281 BGB in Betracht. Diese sind nach Auffassung des BGH auf den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB anwendbar. Das in einem Teil der Literatur angeführte Gegenargument, die Anwendung der Vorschriften laufe auf einen Zwangskauf hinaus, hält der BGH für nicht stichhaltig, weil sich eine vergleichbare Situation auch bei schuldrechtlichen Rückgabeansprüchen ergeben kann und der Gesetzgeber dem Gläubiger dennoch die Möglichkeit eingeräumt hat, zum Schadensersatz überzugehen. Entsprechend der Wertung in §§ 989, 990 BGB setzen Ansprüche aus § 280 und § 281 BGB wegen Verletzung der Herausgabepflicht aus § 985 BGB allerdings zusätzlich voraus, dass der Herausgabeanspruch rechtshängig oder der Besitzer bösgläubig ist.

Praxistipp: Die Entscheidung, vom Herausgabeanspruch zum Schadensersatzanspruch überzugehen, sollte sorgfältig erwogen werden. Nach § 281 Abs. 4 BGB ist es dem Eigentümer verwehrt, weiterhin Herausgabe zu verlangen, sobald er Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat.

Eigentumsverletzung durch Einsperren eines Schiffs im Hafen
Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 403/14

Eine seit langem etablierte Rechtsprechung wendet der VI. Zivilsenat auf einen aktuellen Fall an.

Der Beklagte wollte mit einem Tankmotorschiff in einem dafür nicht zugelassenen Bereich vor Anker gehen. Bei dem Manöver setzte sich das Schiff so unglücklich fest, dass die Einfahrt zu einem Yachthafen nicht mehr befahrbar war. Der Kläger begehrt Ersatz von Stillstandskosten für mehrere Schiffe, die einen Tag lang in dem Yachthafen eingeschlossen waren. Das in erster Instanz als Rheinschifffahrtsgericht zuständige AG erließ ein Grundurteil zugunsten des Klägers. Das als Rheinschifffahrtsobergericht für die Berufung zuständige OLG wies die Klage hingegen ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er nimmt Bezug auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Verletzung des Eigentums an einer Sache nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz erfolgen kann, sondern auch durch eine sonstige die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache selbst, die deren Benutzung objektiv verhindert. Bei einem Schiff, das in einem Hafen eingesperrt wird, ist diese Voraussetzung in der Regel erfüllt. Entgegen der Auffassung des OLG ist nicht zusätzlich erforderlich, dass die Beeinträchtigung über einen längeren Zeitraum hinweg fortdauert. Die Dauer der Beeinträchtigung ist allenfalls für die Höhe der zu ersetzenden Schäden von Bedeutung.

Praxistipp: Die Erfolgsaussicht des Geschädigten hängt in solchen Konstellationen entscheidend davon ab, ob eine bestimmungsgemäße Nutzung der Sache noch in bestimmten Grenzen möglich war. Nur wenn dies nicht der Fall war, liegt eine Eigentumsverletzung vor.

Sachmangelbegriff nach der Schuldrechtsmodernisierung
Urteil vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/14

Dass der Sachmangelbegriff des § 459 BGB a.F. enger ist als derjenige des § 434 BGB in der seit 1.1.2002 geltenden Fassung, verdeutlicht der VIII. Zivilsenat in einer Entscheidung, die auch in der Tagespresse Aufmerksamkeit gefunden hat.

Der Kläger hatte vom beklagten Kraftfahrzeughändler über eine Internet-Plattform im Juli 2013 einen Audi TT „inklusive Audi-Garantie bis 11/2014“ gekauft. Schon kurz nach dem Kauf traten Motorstörungen auf, die in einem Audi-Zentrum behoben wurden. Weitere Garantieleistungen lehnte die Audi AG in der Folgezeit mit der Begründung ab, es lägen Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstands im Zeitraum vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vor. Der Kläger begehrte daraufhin vom Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Seine Klage hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sieht er das Nichtbestehen der im Kaufvertrag vorgesehenen Herstellergarantie als Sachmangel an. Die auf der Grundlage des früheren Rechts getroffene Unterscheidung zwischen Beschaffenheitsmerkmalen, deren Vorliegen einen Sachmangel im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB a.F. darstellt, und sonstigen Eigenschaften, deren Fehlen nur dann zu Gewährleistungsansprüchen gem. § 459 Abs. 2 BGB a.F. führt, wenn sie zugesichert wurden, ist auf der Grundlage des neuen Rechts obsolet. Als Beschaffenheit im Sinne von § 434 BGB n.F. sind jedenfalls auch alle zusicherungsfähigen Eigenschaften im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB a.F. anzusehen, deren Vorliegen zur vertraglichen Sollbeschaffenheit gehört. Davon umfasst sind alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Diese Voraussetzungen sind bei der hier in Rede stehenden Herstellergarantie erfüllt.

Praxistipp: Wenn der Hersteller Garantieleistungen aus einem Grund verweigert, der für sich gesehen bereits einen Mangel darstellt, sollten das Nacherfüllungsbegehren und die Rücktrittserklärung des Käufers gegenüber dem Verkäufer vorsorglich auf beide Gründe gestützt werden – in der dem Streitfall zugrunde liegenden Konstellation also nicht nur auf das Nichtbestehen der Herstellergarantie, sondern auch auf die Manipulationen am Kilometerstand.

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