Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um drei prozessuale Fragen.

Klageerweiterung in der Berufungsinstanz
BGH, Urteil vom 24. Juni 2025 – VI ZR 204/23

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit § 253 Abs. 2, mit § 264 und mit § 256 ZPO.

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Ersatz von Unterhaltsschaden (§ 844 Abs. 2 BGB) in Anspruch. Der Beklagte ist rechtkräftig wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zum Nachteil der Ehefrau bzw. Mutter der beiden Kläger sowie weiterer Opfer verurteilt. In einem früheren Rechtsstreit haben die Kläger den Beklagten erfolgreich auf Zahlung von Hinterbliebenengeld und Ersatz der Beerdigungskosten in Anspruch genommen.

Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger erstinstanzlich die Feststellungen begehrt, dass der Beklagte ihnen zur Zahlung einer Geldrente verpflichtet ist und dass diese Verpflichtung ihren Rechtsgrund in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat. Das LG hat nur die erste Feststellung ausgesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen haben beide Seiten Berufung eingelegt.

Im Berufungsverfahren haben die Kläger die Zahlung einer Unterhaltsrente begehrt. Deren Höhe haben sie in das Ermessen des Gerichts gestellt, jedoch mit mindestens 500 bzw. 400 Euro pro Monat angegeben. Das OLG hat die Zahlungsklage als unzulässig abgewiesen, aber die Feststellung ausgesprochen, dass die Verpflichtung des Beklagten ihren Rechtsgrund in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat. Dagegen wenden sich die Kläger mit der vom BGH zugelassenen Revision und der Beklagte mit der Anschlussrevision.

Der BGH hebt das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf und verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG ist der Klageantrag hinreichend bestimmt. Ein Kläger darf die Höhe des ihm zuzusprechenden Geldbetrags auch dann in das Ermessen des Gerichts stellen, wenn es um den Ersatz materieller Schäden geht. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass dem Tatrichter bei der Bemessung der Schadenshöhe gemäß § 287 ZPO ein weites Ermessen zusteht.

Dem gemäß § 264 Nr. 2 ZPO grundsätzlich zulässigen Übergang von einem Feststellungs- zu einem Zahlungsantrag steht im Streitfall nicht entgegen, dass das LG dem erstinstanzlichen Begehren der Kläger insoweit stattgegeben hatte. Auch eine nach § 264 ZPO zulässige Änderung setzt in zweiter Instanz allerdings voraus, dass der Kläger einen zulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat. Wenn ein Kläger in erster Instanz vollständig obsiegt hat, ist diese Voraussetzung nur dann erfüllt, wenn der Kläger sich einer vom Beklagten eingelegten Berufung frist- und formgerecht angeschlossen hat. Im Streitfall sind die Kläger jedoch in erster Instanz mit ihrem zweiten Feststellungsantrag erfolglos geblieben. Ihre hiergegen frist- und formgerecht eingelegte Berufung durften sie unabhängig von den Voraussetzungen einer Anschlussberufung mit einer Erweiterung ihres in erster Instanz erfolgreichen Begehrens verbinden.

Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Feststellung, dass die Verpflichtung des Beklagten ihren Rechtsgrund in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat, ist in der derzeitigen Verfahrenslage hingegen unzulässig. Eine vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge gehört zwar zu den Delikten, bei denen eine solche Feststellung gegebenenfalls auszusprechen ist und die Kläger haben im Hinblick auf § 850f Abs. 2 ZPO auch das erforderliche Feststellungsinteresse. Die Feststellung darf aber nur dann ergehen, wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die zugrunde liegende Forderung begründet ist. Sie ist mithin nicht zulässig, wenn das Gericht das zugrunde liegende Begehren als unzulässig oder unbegründet abweist.

Praxistipp: Zur Darlegung eines Unterhaltsschadens im Sinne von § 844 Abs. 2 BGB sind Ausführungen dazu erforderlich, aus welchem Grund der Kläger unterhaltsberechtigt war und in welcher Höhe ihm Unterhaltsleistungen zugestanden haben. Für die Schätzung eines Haushaltsführungsschadens kann auf das Werk von Pardey (Der Haushaltsführungsschaden, 10. Auflage 2021) und die zugehörigen Tabellen (Schulz-Borck/Pardey, Entgelttabellen, zuletzt mit Stand Juni 2025) zurückgegriffen werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB.

Vollstreckung eines Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung
BGH, Urteil vom 18. Juli 2025 – V ZR 76/24

Der VII. Zivilsenat entscheidet eine umstrittene Frage zur Auslegung von § 887 Abs. 2 ZPO.

Die Schuldnerin ist durch rechtskräftiges Versäumnisurteil zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von rund 225.000 Euro verurteilt worden. Die Gläubigerin hat beantragt, sie gemäß § 887 Abs. 1 ZPO zur Hinterlegung des genannten Betrags beim zuständigen Amtsgericht zu ermächtigen und die Schuldnerin gemäß § 887 Abs. 2 ZPO zu verurteilen, an die Gläubigerin einen Vorschuss in der genannten Höhe zu zahlen.

Das LG hat antragsgemäß entschieden. Das OLG hat die Verurteilung zur Zahlung dahin eingeschränkt, dass diese zugunsten der Gläubigerin an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts zu erfolgen hat.

Der BGH stellt die Entscheidung des Landgerichts wieder her.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass die Stellung einer Bauhandwerkersicherung eine vertretbare Handlung darstellt und ein darauf gerichteter Anspruch nach § 887 ZPO zu vollstrecken ist und dass der Gläubiger gemäß § 264 Abs. 1 BGB auswählen kann, auf welche Art der Sicherung er seinen Vollstreckungsantrag richtet, sofern der Schuldner vor dem Beginn der Zwangsvollstreckung keine Wahl vorgenommen hat.

Entgegen der Auffassung des OLG hat der Schuldner den ihm nach § 887 Abs. 2 ZPO obliegenden Vorschuss auch im Falle einer Hinterlegungspflicht nicht an die Hinterlegungsstelle zu zahlen, sondern an den Gläubiger. Die genannte Vorschrift sieht eine Zahlung an den Gläubiger vor, ohne zwischen dem Inhalt des zu vollstreckenden Anspruchs zu differenzieren. Die Gefahr, dass der Gläubiger den Vorschuss zweckwidrig verwendet, besteht auch bei anderen Ansprüchen. Der Schuldner kann diese Gefahr dadurch abwenden, dass er die geschuldete Leistung erbringt.

Praxistipp: Hat der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht schon vor der Vollstreckung durch Erklärung (§ 263 BGB) ausgeübt, darf die Vollstreckung nur auf die ausgewählte Leistung gerichtet werden. Auch ein Anspruch auf Stellung einer Bankbürgschaft kann aber nach § 887 ZPO vollstreckt werden (OLG Frankfurt a.M., B. v. 17.12.2007 – 24 W 61/07, OLGR Frankfurt 2008, 602).