Diese Woche geht es um die Voraussetzungen eines Produktfehlers bei einem Medizinprodukt.
Produktfehler bei Hüftendoprothese
BGH, Urteil vom 30. Juni 2023 – V ZR 165/22
Der VI. Zivilsenat befasst sich mit den Fehlerkategorien des § 3 Abs. 1 ProdHaftG.
Der Klägerin erhielt im Jahr 2007 ein künstliches Hüftgelenk in Form einer so genannten Totalendoprothese, bestehend aus einer Pfanne mit Inlay, einem Hüftkopf und einem Verankerungsschaft. Die Prothese war bei der in Österreich ansässigen Beklagten hergestellt worden. Knapp vier Jahre später musste die Prothese ausgewechselt werden, weil das Keramik-Inlay gebrochen war.
Das LG hat die auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden gerichtete Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Die (vom OLG zugelassene) Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.
Einen Fabrikationsfehler hat das OLG rechtsfehlerfrei verneint. Hierbei hat es einen Anscheinsbeweis zu Recht verneint. Dass ein Sachverständiger als mögliche Fehlerquellen eine ungenügend kontrollierte oder reproduzierbare Fertigung oder eine ungenügende Qualitätskontrolle benannt hat, reicht für die Annahme eines typischen Geschehensablaufs nicht aus.
Ein Konstruktionsfehler lag ebenfalls nicht vor. Aus damaliger Sicht war nicht erkennbar, dass ein anderes Material mehr Sicherheit geboten hätte. Dass bei Inlays der im Streitfall eingesetzten Größe ein im Vergleich zu kleineren Inlays höheres Bruchrisiko bestand, reicht für die Annahme eines Fabrikationsfehlers ebenfalls nicht aus. Aus damaliger Sicht war dieses Risiko im Hinblick auf den mit dem Produkt verbundenen Nutzen noch vertretbar.
Die abstrakte Gefahr, die aus dem erhöhten Bruchrisiko resultiert hat, begründete im Jahr 2007 auch noch keine Instruktionspflicht der Beklagten. Eine solche Pflicht kam erst ab dem Jahr 2009 in Betracht, als Brüche bekannt geworden waren.
Die Rechtsprechung des EuGH, wonach Herzschrittmacher und ähnliche Produkte schon dann als fehlerhaft eingestuft werden können, wenn bei anderen Exemplaren des betreffenden Produkts ein potentieller Fehler festgestellt wurde, ist für die Entscheidung nicht relevant. Im Streitfall wurde die Prothese nicht wegen eines potentiellen Fehlers ausgetauscht, sondern deshalb, weil sie bereits gebrochen war. Ein potentieller Fehler ist für den geltend gemachten Schaden deshalb nicht ursächlich geworden.
Praxistipp: Nach der für Schadensereignisse ab 11.01.2009 geltenden Regelung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Rom II reicht es für die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus, dass das Produkt in Deutschland in Verkehr gebracht worden ist und die geschädigte Person beim Eintritt des Schadens hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte.