Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung für Veränderungen des Wasserabflusses von einem Grundstück.

Wasserabfluss von landwirtschaftlich genutztem Grundstück
BGH, Urteil vom 20. April 2023 – III ZR 92/22

Der III. Zivilsenat befasst sich mit den Grenzen der Haftung aus § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG.

Die Kläger sind Miteigentümer eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Etwa 800 m oberhalb liegen Ackerflächen, die der Beklagte seit rund 20 Jahren landwirtschaftlich nutzt. Im Jahr 2014 baute der Beklagte erstmals nach längerer Zeit wieder Kartoffeln statt Getreide an. Hierzu zog er Ackerfurchen, die nach dem Vortrag der Kläger längs zum Gefälle verliefen. Nach zwei Starkregenereignissen im Juli und August 2014 drang in das Kellergeschoss des den Klägern gehörenden Gebäudes Wasser ein. Die Kläger machen geltend, hierfür sei ein verstärkter Wasserabfluss infolge der vom Beklagten angelegten Furchen ursächlich.

Die auf Ersatz der durch eindringendes Wasser verursachten Schäden gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das nachbarliche Verhältnis zwischen den Parteien bestimmt sich nach § 37 WHG. Die im Streitfall maßgebliche Regelung in § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG, wonach der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers nicht zum Nachteil eines tiefer liegenden Grundstücks verstärkt oder auf andere Weise verändert werden darf, ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.

Im Ansatz zu Recht ist das OLG davon ausgegangen, dass § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG einschränkend dahin auszulegen ist, dass Änderungen des Ablaufs, die sich im Rahmen der bestimmungsgemäßen Benutzung halten, von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen sind. Bei einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück gilt dies auch für einen Wechsel der Anbauart.

Auch die landwirtschaftliche Nutzung unterliegt jedoch dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Bei einer Änderung der landwirtschaftlichen Nutzung darf der Abfluss wild ablaufenden Oberflächenwassers deshalb nur insoweit verstärkt werden, als dies eine notwendige Folge dieser Nutzungsänderung ist. Diese Grenze wäre im Streitfall überschritten, wenn die für den Anbau von Kartoffeln erforderlichen Ackerfurchen auch quer zum Gefälle hätten angelegt werden können und dies dem Abfluss des Oberflächenwassers entgegengewirkt hätte. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären haben.

Praxistipp: Erweist sich das Verhalten des Störers als rechtswidrig, aber nicht schuldhaft, kommt ein Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 BGB in Betracht, sofern der Betroffene keine zumutbare Möglichkeit hatte, gegen die Beeinträchtigung schon vor dem Schadensereignis mit einem Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB vorzugehen.