Erneut: TV-Übertragungen aus Gerichtssälen?

Inzwischen hat der Entwurf des Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (EMöGG) den Bundesrat erreicht. Der Bundesrat hat darüber am 14.10.2016 verhandelt und einige Änderungswünsche angemeldet, hier die wesentlichen:

Nach dem Gesetzesentwurf gibt es keinerlei Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Übertragung einer Gerichtsverhandlung in einen Arbeitsraum. Es heißt lediglich, dass das Gericht die Übertragung zulassen kann. Die Vorschrift sollte daher dahingehend ergänzt werden, dass eine solche Übertragung in einen Arbeitsraum für Medienvertreter nur möglich ist, wenn zu erwarten ist, dass die in dem Sitzungszimmer zur Verfügung stehenden Plätze nicht ausreichen.

Des Weiteren bittet der Bundesrat darum zu prüfen, ob nicht für den Zugriff auf hergestellte audiovisuelle Dokumentationen von Gerichtsverfahren eine bundeseinheitliche Regelung getroffen werden kann. Nach dem bisherigen Entwurf ist vorgesehen, dass die nach den Archivgesetzen zuständigen Archive auch für die Verwahrung und die damit zusammenhängenden Fragen zuständig werden. Da diese Gesetze im Bund und in den Ländern durchaus unterschiedlich sind, würde dies zu einer Rechtszersplitterung bezüglich der Sperrfristen führen. Insoweit meint der Bundesrat, dass eine Mindestschutzfrist von 30 Jahren nach dem Tode eines Betroffenen geregelt werden sollte.

Im Rahmen des SGG ist es nicht eindeutig, ob bei einem reinen Verkündungstermin die ehrenamtlichen Richter mitwirken müssen oder nicht. Da eine Anreise nur für einen Verkündungstermin mit Medienvertretern für die ehrenamtlichen Richter ein großer Aufwand wäre, möchte der Bundesrat erreichen, dass insoweit eine Anpassung des Gesetzes an die Rechtslage im ArbGG erfolgt. Dort ist eine Anwesenheit der ehrenamtlichen Richter bei einem Verkündungstermin ausdrücklich entbehrlich (§ 60 Abs. 3 S. 1 ArbGG).

Bezüglich der für Seh-, Hör- und Sprachbehinderte heranzuziehenden Übersetzer möchte der Bundesrat gerne die Möglichkeit einführen, dafür entstehende Kosten, die regelmäßig von den betroffenen Personen nicht erhoben werden, von einer anderen Person zu erheben, die die Prozesskosten tragen muss (z. B. weil sie den Prozess verloren hat). Der Bundesrat sieht keinen durchgreifenden Grund, beispielsweise den unterlegenen Prozessgegner in die Kostenprivilegierung für Behinderte aufzunehmen.

Die hier bereits mitgeteilten Beschlüsse des Deutschen Juristentages hat der Bundesrat offensichtlich nicht berücksichtigt. Die Änderungswünsche des Bundesrates erscheinen sachgerecht. Man darf gespannt sein, ob sie berücksichtigt werden.

TV-Übertragungen aus Gerichtssälen?

Die Beschäftigung mit diesem Thema gewinnt an Fahrt. Der 71. Deutsche Juristentag in Essen hat sich damit befasst, es gibt auch bereits einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Das Gesetz soll im Wesentlichen § 169 GVG ändern und trägt die schöne Abkürzung (EMöGG); Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren.

Vorgesehen ist nunmehr – in Anlehnung an Beschlüsse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zeitgemäße Neufassung des § 169 GVG“ – folgendes: Entscheidungsverkündungen oberster Gerichtshöfe des Bundes sollen grundsätzlich von Medien übertragen werden können, bei erheblichem Medieninteresse sollen an allen Gerichten Arbeitsräume für Medienvertreter mit Tonübertragungen eingerichtet werden, Gerichtsverfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung sollen audio-visuell dokumentiert werden können. Wenigstens könnten sich mit diesem Entwurf die noch weitergehenden Forderungen erledigen (z.B. Forderungen nach einer Übertragung von Gerichtsverhandlungen direkt im Fernsehen oder im Internet). Derartiges wäre auch im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte von beteiligten Personen, vor allem solchen, die aus nicht von ihnen zu vertretenden Gründen in ein Verfahren hineingezogen werden, mehr als problematisch.

Der Deutsche Juristentag hat sich wie folgt entschieden: Bei Hauptverhandlungen an den obersten Gerichtshöfen des Bundes sollten – wie derzeit schon beim BVerfG (§ 17a BVerfGG) – Bild- und Tonaufnahmen von dem Beginn der Verhandlung sowie von der Urteilsverkündung nebst Begründung zugelassen werden. Videoübertragungen in andere Säle sollten nicht zulässig sein, dasselbe gilt für Übertragungen in einen Medienraum. Die Entscheidung des Deutschen Juristentages sind alle zu begrüßen.

Der Aufwand, der für die Justiz durch diese Regelungen entsteht, wird allerdings stark unterschätzt. Die technischen Voraussetzungen zu schaffen, ist nicht einfach. Es müsste das dafür erforderlich Personal (was faktisch nicht geschieht) und die Technik zur Verfügung gestellt werden. Verfahren mit großem Medieninteresse führen ohnehin zu einer erheblichen Mehrarbeit zahlreicher Justizorgane, die an kaum einer Stelle in den vorgegebenen Pensen, nach denen sich in der Justiz alles ohne Rücksicht auf die tatsächliche Belastung und die sonstigen Umstände richtet, berücksichtigt wird. Der geschickte Strafverteidiger wird, selbst wenn wie vorgesehen, die entsprechenden Gerichtsbeschlüsse unanfechtbar sind, sicherlich reichlich Angriffsstoff für Verfahrensrügen finden können.

Von daher werden es sich bestenfalls die obersten Bundesgerichte leisten können, den anvisierten Aufwand zu betreiben. Den Instanzgerichten sollte man dies eher nicht zumuten. Erfahrungsgemäß dürfte jedoch nicht zu erwarten sein, dass sich an dem Gesetzesentwurf noch etwas ändern wird. Vielmehr wird – wie stets – ohne größere Rücksichtnahme auf weitere Sachargumente der Gesetzesentwurf zum Gesetz. Aber immerhin: Es hätte noch viel schlimmer kommen können! Und vielleicht kehrt dann diesbezüglich endlich wieder Ruhe ein.