Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Recht zum Widerruf eines an einem Messestand geschlossenen Kaufvertrags.

Konkretes Erscheinungsbild eines Messestands
Urteile vom 10. April 2019 –VIII ZR 244/16 und VIII ZR 82/17

Mit der Umsetzung der Vorgaben aus der EuGH-Entscheidung zur Grünen Woche befasst sich der VIII. Zivilsenat in zwei Urteilen.

In beiden Verfahren ging es darum, ob der Käufer einen auf einer Verbrauchermesse geschlossenen Kaufvertrag nach § 312g Abs. 1 BGB widerrufen konnte. Zu der hierfür relevanten Frage, ob der Messestand, an dem der Vertragsschluss stattfand, als beweglicher Gewerberaum im Sinne von § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB und der Richtlinie 2011/83/EU anzusehen ist, hat der EuGH mit Urteil vom 7. August 2018 (C-485/17) die maßgeblichen Kriterien herausgestellt. Danach ist maßgeblich, ob der Käufer damit rechnen muss, dass ihm auf der Messe ein Kaufangebot unterbreitet wird. Relevant dafür sind sowohl der Gesamtcharakter der Messe als auch das konkrete Erscheinungsbild des jeweiligen Messestands. Nur in einem der beiden Verfahren vor dem BGH reichten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung aus.

Im Verfahren VIII ZR 82/17, das die Messe Rosenheim betrifft, hatte das LG festgestellt, dass der Käufer sowohl aufgrund des Gesamtcharakters der Messe als auch aufgrund des konkreten Erscheinungsbilds des Messestands mit der Unterbreitung von Kaufangeboten rechnen musste. Der BGH sah diese Feststellungen als rechtsfehlerfrei an und verneinte deshalb mit der Vorinstanz ein Widerrufsrecht.

Im Verfahren VIII ZR 244/16, das die Grüne Woche in Berlin betrifft, hatte das LG hingegen nur Feststellungen zum Gesamtcharakter der Messe getroffen. Der BGH konnte auf dieser Grundlage nicht ausschließen, dass der konkrete Messestand so ausgestaltet war, dass der Käufer ihn als reinen Informationsstand ansehen durfte. Deshalb verwies er die Sache an das LG zurück.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Widerrufsrechts liegen bei der Partei, die einen wirksamen Widerruf geltend macht.

EuGH: Nicht immer Widerrufsrecht bei Kauf auf einer Messe

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers soll diesen entweder vor den Nachteilen schützen, die Ware nicht ausgiebig vor dem Kauf geprüft zu haben (Fernabsatz) oder vor Vertragsabschluss nicht gründlich die Tragweite des Geschäfts überschaut zu haben („Haustürgeschäfte“, Versicherungen, Finanzdienstleistungen).

Haustürgeschäfte heißen seit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie im Jahr 2014 außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, § 312b BGB.

Dem EuGH wurde eine Vorabentscheidungsersuchen des BGH vorgelegt, in dem es darum ging, ob ein – nur auf Messen tätiger – Händler bei dem Verkauf eines Dampfreinigers auf einer Messe den kaufenden Verbraucher über sein Widerrufsrecht hätte belehren müssen. Entscheidende Frage war hier, ob die Voraussetzungen des § 312b Abs. 2 S. 1 BGB vorliegen:

„Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. „

Rechtlicher Knackpunkt ist hier das „für gewöhnliche Ausüben seiner Tätigkeit“.

Der EuGH hält es für möglich, dass ein Messestand ein beweglicher Gewerberaum ist, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt, sodass kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestünde.

Der EuGH stellt klar auf den Sinn und Zweck der Regelung ab:

„Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein Messestand eines Unternehmers wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, an dem der Unternehmer seine Tätigkeiten an wenigen Tagen im Jahr ausübt, unter den Begriff „Geschäftsräume“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort auf der Messe selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.“

Die Frage, welchen Eindruck der Messestand hier vermittelte, ist dann wieder vom nationalen Gericht zu klären.

Hier werden vermutlich Kriterien wie

  • eine deutlich erkennbare Beschriftung des Messestands,
  • das (großvolumige) Verteilen von Rabattgutscheinen auf der Messe,
  • die gewöhnliche Art des Vertriebes von Produkten des Unternehmens (z.B. allgemein bekannt kein stationärer Handel).

Praxistipp

Für Messeverkäufer dürfte es daher attraktiv sein, möglichst deutlich nach Außen hin zu zeigen: Hier werden Verträge abgeschlossen. So haben sie die Möglichkeit, dem Widerrufsrecht des Verbrauchers zu entgehen. Dies sollte auch z.B. durch Fotos des Messestands dokumentiert werden.

Messekäufer werden genauer hinsehen müssen, ob ein Widerrufsrecht eingeräumt wird. Ist dies nicht der Fall, kann ein solches – auch unabhängig von der gesetzlichen Situation – vertraglich vereinbart werden. Seriöse Messeverkäufer werden sich vermutlich auf eine solche Regelung in vielen Fällen einlassen.

EuGH Urt. v. 07.08.2018, C-485/17, Verbraucherzentrale Berlin e.V. / Unimatic Vertriebs GmbH