Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Tätigkeitspflicht eines Notars.

Urkundsgewährungspflicht bei Nachlassverzeichnis
BGH, Beschluss vom 19. Juni 2024 – IV ZB 13/23

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit den Voraussetzungen für die Verweigerung der Amtstätigkeit durch einen Notar.

Die Beschwerdeführerin war als Alleinerbin ihres im März 2020 verstorbenen Lebensgefährten gerichtlich zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt worden. Im Februar 2021 beauftragte sie einen Notar mit der Aufnahme des Verzeichnisses. Die Beschwerdeführerin reichte angeforderte Unterlagen ein, äußerte jedoch ihre Unsicherheit hinsichtlich der Verlässlichkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben. Zu Schenkungen und Zuwendungen des Erblassers konnte sie nahezu keine Angaben machen.

Im Juni 2022 lehnte der Notar die Aufnahme des Verzeichnisses mit der Begründung ab, er sei nicht in der Lage, ein den hohen Anforderungen der Rechtsprechung genügendes Nachlassverzeichnis aufzunehmen, zumal die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkomme.

Die auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 BNotO eingelegte Beschwerde der Erbin gegen die vom Notar ausgesprochene Weigerung ist erfolglos geblieben (LG Bad Kreuznach, B. v. 20.4.2023 – 4 OH 11/22, NotBZ 2024, 15).

Der BGH weist den Notar an, ein Verzeichnis über den Nachlass des Erblassers aufzunehmen.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO darf ein Notar seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Ein ausreichender Grund in diesem Sinne liegt vor, wenn der in Rede stehenden Tätigkeit ein gesetzliches Verbot entgegensteht, wenn sich besondere gesetzliche Regelungen dem Notar einen Entscheidungsspielraum einräumen oder wenn die Tätigkeit mit der Stellung des Notars als Organ der vorsorgenden Rechtspflege nicht vereinbar ist. An die Bejahung der zuletzt genannten Voraussetzung sind hohe Anforderungen zu stellen.

Entgegen der Auffassung des LG darf ein Notar die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses auch dann nicht gemäß § 14 Abs. 2 BNotO wegen Unvereinbarkeit mit Amtspflichten verweigern, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Verzeichnis trotz aller gebotenen Nachforschungen nicht vollständig ist.

Ein Notar hat bei der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Er darf und muss hierbei auf Wissen des Erben zurückgreifen. Die Erstellung eines Verzeichnisses auf der Grundlage der gebotenen Nachforschungen ist auch dann nicht amtspflichtwidrig, wenn Unklarheiten verbleiben. Der Notar muss gegebenenfalls verbliebene Zweifel im Verzeichnis zum Ausdruck bringen. Er darf die Erstellung aber nicht verweigern – unabhängig vom erforderlichen Zeitaufwand.

Der BGH lässt offen, ob dem Notar in Ausnahmefällen ein Ermessen zusteht. Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier jedenfalls nicht vor.

Der BGH zeigt ferner auf, dass der Notar seine Nachforschungspflicht im Streitfall nicht vollständig erfüllt hat. Angesichts der von der Erbin geäußerten Unsicherheit hat er Nachforschungen zu Zeitpunkt und Höhe etwaiger Schenkungen durch Einsichtnahme in die Kontoauszüge aus den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall anzustellen. Soweit die Erbin diese Unterlagen nicht beibringen kann, muss er sie anhalten, Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten geltend zu machen, oder selbst Anfragen an diese Institute richten. Darüber hinaus muss der Notar Dritte befragen, die als Empfänger von Schenkungen und ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers in Frage kommen.

Praxistipp: Bei einer erfolgreichen Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO dürfen dem Notar keine Kosten auferlegt werden, weil dieser in solchen Verfahren weder Beteiligter im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 noch Dritter im Sinn von § 81 Abs. 4 FamFG ist, sondern die erste Instanz der vorsorgenden Rechtspflege (BVerfG, B. v. 7.2.2013 – 1 BvR 639/12, NJW 2013, 1588, juris Rn. 19). Der Beschwerdeführer hat deshalb seine außergerichtlichen Kosten auch im Erfolgsfall selbst zu tragen. Das Gericht kann aber gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG anordnen, dass das Rechtsmittelverfahren gerichtskostenfrei ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine erbrechtliche Fragestellung.

Grabpflegekosten und Pflichtteil
Urteil vom 26. Mai 2021 – IV ZR 174/20

Mit der Berechnung des Zusatzpflichtteils nach § 2305 BGB befasst sich der IV. Zivilsenat.

Die im Jahr 1931 geborene und im Jahr 2017 verstorbene Erblasserin hat den Kläger, den sie im Jahr 1981 adoptiert hatte, in einem eigenhändigen Testament zusammen mit sechs weiteren Personen als Erben eingesetzt. Dem Kläger ist ein Anteil von 5 % zugedacht; die Summe der zugedachten Anteile beträgt 55 %. Ferner hat die Erblasserin angeordnet, dass aus dem Nachlass für zwanzig Jahre die Kosten der Grabpflege zu tragen sind. Der Bruttowert des Nachlasses beträgt rund 16.000 Euro, die unstreitigen Nachlassverbindlichkeiten belaufen sich auf rund 6.300 Euro, die Grabpflegekosten nach den Feststellungen des LG auf rund 9.500 Euro. Nach Abzug dieser Kosten verblieben für alle Erben zusammen also rund 200 Euro. Der Kläger, der bei gesetzlicher Erbfolge alleiniger Erbe gewesen wäre, verlangt einen Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 BGB auf der Grundlage eines Nachlasswerts von rund 9.700 Euro, also ohne Abzug der Grabpflegekosten. Seine ursprünglich (unter Anrechnung eines bereits erhaltenen Betrags von 800 Euro) auf Zahlung von rund 3.600 Euro und in zweiter Instanz zuletzt auf Zahlung von rund 6.300 Euro gerichtete Klage ist vor dem AG und dem LG erfolglos geblieben.

Die auf Zahlung von 3.200 Euro gerichtete Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

Zu den vom Erben gemäß § 1968 BGB zu tragenden Beerdigungskosten nur die Kosten des Bestattungsakts. Dieser findet seinen Abschluss mit der Errichtung einer dauerhaften Grabstätte. Die Kosten für das Grabmal und für Pflege und Instandsetzung des Grabs hat der Erbe zivilrechtlich nicht zu tragen. Insoweit kann er allenfalls nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften verpflichtet sein.

Die testamentarischen Erben sind allerdings aufgrund der Anordnung der Erblasserin, die als Auflage im Sinne von § 1940 BGB zu qualifizieren ist, zur Tragung der Grabpflegekosten verpflichtet. Als testamentarischer Erbe erhält der Kläger deshalb nur einen Anteil des nach Abzug der Grabpflegekosten verbleibenden Restbetrags von rund 200 Euro. Der Anteil des Klägers daran beträgt 9,09 % (ein Elftel). Dem Kläger sind im Testament zwar nur 5 % zugewandt worden. Da die Erblasserin insgesamt nur 55 % zugeteilt hat und ihr Testament dahin auszulegen ist, dass nur die darin genannten Personen Erben sein sollen, sind die einzelnen Anteile aber entsprechend zu erhöhen.

Zusätzlich zu diesem testamentarischen Erbteil von rund 20 Euro steht dem Kläger gemäß § 2305 BGB ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 40,91 % des Nachlasses (die Differenz zwischen dem Pflichtteil von 50 % und dem testamentarisch zugedachten Anteil von 9,09 %) zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Nachlasswert insoweit ohne Abzug der Grabpflegekosten anzusetzen. Die Auflage im Testament ist nicht zu berücksichtigen, weil ein Pflichtteilsanspruch durch Auflagen nicht geschmälert werden darf. Dem Kläger stehen damit rund 4.000 Euro abzüglich der bereits erhaltenen 800 Euro zu.

Eine abschließende Entscheidung ist dem BGH nicht möglich, weil die Beklagten hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch wegen eines der Erblasser gehörenden Nerzmantels aufgerechnet haben.

Praxistipp: Will der Erblasser auch gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten sicherstellen, dass die Grabpflegekosten aus dem Nachlass gezahlt werden, muss er bereits zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag schließen. Die sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen gehören nach § 1967 Abs. 2 BGB zu den Nachlassverbindlichkeiten.