Blog powered by Zöller: Augen auf beim beA-Versand

Es kommt immer wieder vor, dass ein fristgebundener Schriftsatz versehentlich an ein anderes als das zuständige Gericht gesandt wird, z.B. an das Ausgangs- statt an das Rechtsmittelgericht. Wenn das nicht noch rechtzeitig bemerkt und korrigiert wird, ist die Frist versäumt – in der Regel unrettbar, denn eine Wiedereinsetzung scheitert oft am Vorwurf mangelhafter Ausgangskontrolle. Einen Rettungsring hat die Rechtsprechung aber geschaffen: Wenn der Schriftsatz so frühzeitig bei dem unzuständigen Gericht einging, dass mit seiner Weiterleitung an das zuständige im üblichen Geschäftsgang gerechnet werden konnte, verneinte sie die Kausalität des Verschuldens und gewährte die Wiedereinsetzung (s. Zöller/Greger, § 233 ZPO Rn. 21).

Da Anwälte ihre Schriftsätze jetzt auf elektronischem Weg, in der Regel übers beA, übermitteln müssen, stellt sich die Frage nach Rettungsring oder Ertrinkungstod in neuem Gewand. Unverändert bleibt es zwar dabei, dass der Schriftsatz nur bei dem Gericht eingeht, an dessen elektronisches Postfach er gesandt wurde. Da hilft es auch nichts, so hat der BGH gerade entschieden, dass die Postfächer vom selben Dienstleister betrieben werden, denn es ist durch separate Posteingangsschnittstellen sichergestellt, dass die Elektronik jedes Gerichts nur auf die an dieses adressierten Nachrichten zugreifen kann (BGH, Beschl. v. 30.11.2022 – IV ZB 17/22; Kurzbeitrag ZIP 2022, R4).

Aber wie sieht es jetzt mit der Weiterleitung ans zuständige Gericht aus? Einen „üblichen Geschäftsgang“ gibt es derzeit nicht. Bei einem voll auf E-Akte umgestellten Gericht mag man an eine rasche Weiterleitung auf elektronischem Weg denken können, jedenfalls bei Dokumenten mit qualifizierter Signatur. Wo die elektronischen Schriftsätze erst noch ausgedruckt werden müssen, geht dagegen nicht nur Zeit verloren, sondern es ist auch fraglich, ob der Schriftsatz dann in Papierform oder als Fax oder dann doch wieder als PDF ans zuständige, möglicherweise voll elektronische Gericht weiterzuleiten ist. Bacher hält die Papierform für möglich, bezweifelt aber selbst, ob die Rechtsprechung dem folgen wird (Bacher, MDR 2022, 1441, 1443); das OLG Bamberg hat schon anders entschieden (MDR 2022, 1048).  Der BGH brauchte sich dazu im vorgenannten Beschluss nicht zu äußern, denn der Schriftsatz war erst einen Tag vor Fristablauf eingereicht worden – und das erschien ihm selbst im elektronischen Zeitalter zu kurz.

Nun bietet der elektronische Rechtsverkehr allerdings noch eine Chance, versehentliche Falschadressierungen unschädlich zu machen. Nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhält der Einsender nämlich eine automatische Eingangsbestätigung. Aus dieser ist auch zu ersehen, welches Gericht den Eingang bestätigt. Daraus hat der BGH im besagten Beschluss abgeleitet, dass der versendende Rechtsanwalt überprüfen (lassen) muss, ob der Schriftsatz bei dem Gericht eingegangen ist, bei dem er eingehen sollte (sonst kann er ihn nochmals richtig versenden).

Möglicherweise hat sich die aus den Urzeiten der Papierkommunikation stammende Weiterleitungsrechtsprechung damit ohnehin erledigt. Beim Versand übers beA hilft dann nur noch eins: Augen auf!