Montagsblog: Neues vom BGH

Darlegung der Einkommensverhältnisse bei Pkh-Antrag
Beschluss vom 16. November 2017 – IX ZA 21/17

Mit den Anforderungen an die Darlegung der Einkommensverhältnisse durch einen nach eigenen Angaben einkommens- und vermögenslosen Antragsteller befasst sich IX. Zivilsenat.

Der Kläger, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren anhängig ist, wandte sich gegen die Feststellung von Forderungen der Beklagten zur Insolvenztabelle. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos. Beim BGH beantragte der Kläger – erstmals im Verlauf des Verfahrens – Prozesskostenhilfe, mit dem Ziel, die Berufungsentscheidung mit einer Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten.

Der BGH lehnt den Antrag ab, weil der Kläger seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nachvollziehbar dargelegt hat. Im amtlich vorgeschriebenen Formular hat der Kläger angegeben, er verfüge nicht über Einkommen oder Vermögen und nehme keine öffentlichen Hilfen in Anspruch; für seine Wohnung müsse er weder Miete noch Heizkosten zahlen. Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger konkret darlegen müssen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet, weshalb er keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die ihm im Falle einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter (§ 35 Abs. 2 InsO) ermöglichen würde, nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegendes Vermögen zu bilden, weshalb er eine Wohnung nutzen kann, ohne Miete und Heizkosten zu zahlen, und wie er die Prozesskosten für die beiden ersten Instanzen aufbringen konnte.

Praxistipp: Dient der Antrag auf Prozesskostenhilfe der Einlegung oder Begründung eines fristgebundenen Rechtsmittels, müssen die Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen innerhalb der dafür maßgeblichen Fristen eingereicht werden.

Kein Widerruf des Darlehenswiderrufs
Urteil vom 7. November 2017 – XI ZR 369/16

Eine Frage der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre behandelt der XI. Zivilsenat in einer Segelanweisung.

Der Kläger nahm die Beklagte nach Widerruf eines Darlehensvertrags unter anderem auf Rückzahlung von nicht geschuldeten Zinsleistungen in Anspruch. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Widerruf des Darlehens nicht schon deshalb rechtmissbräuchlich, weil er nicht durch den Schutzzweck des Widerrufsrechts – Schutz vor Übereilung – motiviert war, sondern durch das Absinken des allgemeinen Zinsniveaus. Das OLG wird deshalb nach Zurückverweisung der Sache anhand der in der neueren Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 1213 Rz. 31 ff.) zu prüfen haben, ob das Widerrufsrecht verwirkt war oder ob dessen Geltendmachung als unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist. Für das weitere Verfahren weist der BGH ergänzend darauf hin, dass ein nach Zugang des Widerrufs übersandtes Schreiben, in dem der Kläger von dieser Erklärung Abstand nahm, für die Entscheidung nicht erheblich ist, weil der Widerruf als Gestaltungsrecht nach Zugang der Widerrufserklärung nicht zurückgenommen oder widerrufen werden kann.

Praxistipp: Der Zugang der Widerrufserklärung sollte sorgfältig dokumentiert werden, etwa durch eine Versendung als Einwurf-Einschreiben.

Montagsblog: Neues vom BGH

Darlehenswiderruf per Telefax durch Stellvertreter
Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 457/16

Eine allgemeine Frage zur Wirksamkeit einseitiger Rechtsgeschäfte beantwortet der XI. Zivilsenat.

Die Kläger hatten bei der Beklagten zwei Darlehen zur Finanzierung einer Immobilie aufgenommen. Sieben Jahre später erklärte ein für die Verbraucherzentrale tätiger Rechtsanwalt per Telefax den Widerruf der Verträge. Zusammen mit diesem Schreiben übermittelte er eine Einverständniserklärung, die in der für den Telefax-Versand verwendeten Originalvorlage von einem der beiden Kläger unterschrieben war. Sechs Tage später wies die Beklagte den Widerruf gemäß § 174 Abs. 1 BGB zurück, weil der Erklärung keine Originalvollmacht beigelegen habe. Einige Wochen später erklärte der Prozessbevollmächtigte erneut den Widerruf der Darlehensverträge, diesmal unter Vorlage einer Originalvollmacht. Die auf Feststellung des wirksamen Widerrufs gerichtete Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG stellte fest, dass die Darlehensverträge durch die zweite Widerrufserklärung in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden seien.

Der BGH verweist die Sache auf die (nur) von der Beklagten eingelegte Revision an das OLG zurück. Im Anschluss an seine neuere Rechtsprechung hält er das Feststellungsbegehren für unzulässig, weil es den Klägern möglich und zumutbar war, die ihnen aufgrund des Widerrufs zustehenden Ansprüche im Wege der Zahlungsklage geltend zu machen. Ergänzend führt er aus, dass bereits die erste Widerrufserklärung wirksam war, weil die Beklagte diese Erklärung nicht unverzüglich zurückgewiesen hat. In einer Parenthese bringt der BGH schließlich zum Ausdruck, dass der Beklagten ein Recht zum unverzüglichen Widerruf gemäß § 174 Abs. 1 BGB zugestanden hatte, weil die Übermittlung einer Vollmacht per Telefax nicht als Vorlage einer Vollmachtsurkunde im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Letzteres ist auch Gegenstand des (einzigen) Leitzsatzes der Entscheidung.

Praxistipp: Eine im Namen des Mandanten abgegebene einseitige Willenserklärung, die an sich nicht formbedürftig ist, sollte wegen § 174 Abs. 1 BGB stets auf dem Postwege (unter Beifügung einer Originalvollmacht) übermittelt werden.