Verstöße gegen die DSGVO abmahnfähig? Aktueller Rechtsprechungsüberblick

Update: 18. März 2019 mit Entscheidung des LG Magdeburg

Durch eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg kommt wieder Bewegung in die Diskussion. Mit der EU-Datenschutzgrundverordnung haben Unternehmer zum 25. Mai 2018 viele neue Pflichten auferlegt bekommen. Eine vollkommen rechtskonforme Umsetzung sollte gut durchdacht sein. Gerade die Verarbeitung personenbezogener Daten kumuliert zwei Risiken: Einerseits sind Tools zur Verarbeitung personenbezogener Daten teils äußerst innovativ und somit wenig transparent, sodass Pflichtinformationen gem. Art. 13 DSGVO nur schwierig erteilt werden können und auch eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung schwerer fällt. Andererseits ist gerade eine Verarbeitung personenbezogener Daten an der Außenflanke eines Unternehmens auch der meistens häufigste Berührungspunkt Dritter zu einem Unternehmen und damit Einfallstor für ein genaueres Hinsehen durch Wettbewerber, Aufsichtsbehörden oder Verbände.

Können Verstöße gegen Vorgaben der DSGVO von Wettbewerbern und Verbänden abgemahnt (und später gerichtlich verfolgt) werden? Hierzu ist zu klären, ob die Regelungen der DSGVO Marktverhaltensnormen nach § 3a UWG sind.

Es war zu erwarten, dass nach Inkrafttreten der Neuregelungen Abmahnungen ausgesprochen werden, wenn auch der Umfang der Abmahntätigkeit erstaunlich niedrig blieb. Auch die ersten gerichtlichen Entscheidungen liegen vor.

LG Würzburg: Ja grundsätzlich wettbewerbswidriges Verhalten

Das LG Würzburg bejahte ohne ausschweifende Begründung lediglich durch Verweis auf früher zum BDSG ergangene Entscheidungen einen Verstoß gegen Marktverhaltensnormen bei einer unzureichenden Aufklärung gem. Art. 13 DSGVO (LG Würzburg, Beschluss v. 13.09.2018, 11 O 1741/18).

LG Bochum: Nein, kein lauterkeitsrechtliche Relevanz der Vorgaben des Datenschutzrechts

Hiernach war das LG Bochum anderer Meinung, verwies dabei auf einen Aufsatz von Köhler. Das dortige Hauptargument ist der Umstand, dass die Art. 77 bis 84 der DSGVO abschließend Regelungen für Verstöße enthalte, Wettbewerber dort jedoch unberücksichtigt lässt (LG Bochum, Urt. v. 07.08.2018, I-12 O 85/18).

OLG Hamburg: Ja, aber…

Nunmehr hat das OLG Hamburg die Ansicht des LG Würzburg, dass ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß vorliegen kann und damit auch seine früher zum BDSG ergangene Rechtsprechung bestätigt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Verstoß tatsächlich zu einem unmittelbaren Wettbewerbsvorteil erfolgt (OLG Hamburg Urt. v. 25.10.2018 , 3 U 66/17, auszugsweise bei Dr. Bahr)

LG Magdeburg: Nein

Das LG Magdeburg dürfte die jüngste Entscheidung hierzu verkündet haben und hält die Regelungen der DSGVO nicht für solche, die von Wettbewerbern im Rahmen des § 3a UWG herangezogen werden können. Das Sanktionssystem der DSGVO sei abschließend, lauterkeitsrechtliche Maßnahmen würden die Vorgaben des Verordnungsgebers unterlaufen.

(LG Magdeburg, Urt. v. 18.01.2019, 36 O 48/18)

Praxistipp:
Insbesondere dann, wenn durch den Umgang mit personenbezogenen Daten Wettbewerbsvorteile entstehen, ist ein besonders sorgfältiges Vorgehen des Unternehmers angezeigt. Klassische Beispiele dürften hier Webanalysetools und das Direktmarketing sein.

OLG Hamm: Verlag haftet, wenn Anzeigen nicht auf fehlende Identitätsangaben geprüft werden

Der Verfügungskläger vertreibt Produkte, für den ein Mitbewerber unlauter wirbt, konkret ging es unter anderem um einen Verstoß gegen § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG, wonach in Anzeigen in den meisten Fällen die Identität und Anschrift des Unternehmers, für den die Anzeige geschaltet wurde, anzugeben sind.

Für den Verfügungskläger bestanden im Wesentlichen die Hürde, dass der Zeitungsverlag nur fremde Inhalte abdruckt.

In der Praxis könnte man zunächst meinen, dass Zeitungsverlage hier eine rein technische Dienstleistung ausüben, indem angelieferte Anzeigenvorlagen gesetzt und gedruckt werden. Aufgrund der finanzierenden Funktion für den redaktionellen Teil ist bei einer Abwägung der Verantwortlichkeit zudem die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützte Pressefreiheit mit einzubeziehen, die langwierige Prüfungen insbesondere bei täglich erscheinenden Publikationen entgegenstehen könnte.

Der BGH hat die Pflicht zur Prüfung auf evidente Verstöße begrenzt und dies beispielsweise verneint bei

  • blickfangmäßigen Preisangaben ohne Hinweis auf Versandkosten (BGH, Urteil vom 07.05.1992 – I ZR 119/90 – Pressehaftung II)
  • irreführender Beschreibung eines Schlankheitsmittels, das ein Sattessen erlaubte (BGH, Urteil vom 10.02.1994 – I ZR 316/91 – Schlankeitswerbung)
  • nicht schlussverkaufsfähiger Ware bei Bewerbung im Rahmen eines Schlussverkaufs (BGH, Urteil vom 10.11.1994 – I ZR 147/92 – WSV-Werbung für Möbel)

Das OLG Hamm hat in einem Hinweisbeschluss hier aber klare Worte für die Prüfungspflichten bei einem Presseerzeugnis gefunden, dass nur monatlich veröffentlicht wird und über keinen nennenswerten redaktionellen Teil verfügt:

„Ein Presseunternehmen trifft jedenfalls eine Pflicht zur Prüfung von Werbeanzeigen Dritter auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße (BGH, Urteil vom 05.02.2015 l ZR 136/13 – [TIP der Woche] «juris;», dort Rdnr. 31). Bei dem vorbezeichneten Wettbewerbsverstoß dürfte es sich um einen derartigen Verstoß handeln. Bereits bei flüchtiger Durchsicht der streitgegenständlichen Werbeanzeige fällt auf, dass diese den Verbraucher zwar in die Lage versetzen soll, unmittelbar eine Bestellentscheidung zu treffen und diese auch sofort in die Tat umzusetzen, indes keinerlei Angaben zum Vertragspartner des Verbrauchers bei einer eventuellen Bestellung enthält und dem Verbraucher so eine ganz wesentliche Information vorenthält. Die Regelung in § 5a Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 UWG gehört überdies zu den auch für die eigene Kundenakquise der Verfügungsbeklagten – namentlich bei der Einwerbung von Anzeigenkunden – bedeutsamen gesetzlichen Regelungen.“

Verlage sind daher erneut an eine zumindest kursorische Prüfung der geschalteten Anzeigen zu erinnern, gerade bei nur wöchentlich oder monatlich erscheinenden Werken, die ggf. auch einen verminderten redaktionellen Teil haben (z. B. Kostenlose Wochenzeitungen, Gratis-Fernsehzeitschriften). Hierzu sollte unbedingt die Prüfung gehören, ob die Kontaktdaten des Werbenden vollständig angegeben sind, dies sind in der Regel:

  • Bürgerlicher Name oder Firma inklusive Rechtsformzusatz
  • Postleitahl, Ort, Straße, Hausnummer, eine Postfachangabe ist nicht ausreichend

Ausnahmen können sich bei besonders kleinformatigen Anzeigen aus § 5a Abs. 5 Nr. 1 UWG ergeben, wobei vertiefte Kenntnisse von Verlagen wohl nicht verlangt werden können.

Die Inanspruchnahme eines Verlages kann sich, insbesondere bei stets wechselnden Handlungspersonen auf Auftraggeberseite oder bei Auslandsbezug, als effektiveres Mittel darstellen, um nachhaltig Wettbewerbsverstöße zu bekämpfen. Indem Verlage über Wettbewerbsverstöße informiert werden, steigen deren Prüfungspflichten (OLG Köln, Urteil vom 03.02.2012 – Aktenzeichen 6 U 76/11).

OLG Hamm Hinweisbeschluss vom 06.07.2017 I-4 U 33/17

BGH: Einlösung von Rabatt-Coupons von Mitbewerbern ist nicht unlauter

In einer heutigen Entscheidung hat der BGH sich mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen, in dem eine Drogeriemarktkette beworben hatte, unter Vorlage des 10%-Rabattcoupons eines Wettbewerbers ebenfalls 10% Rabatt zu gewähren.

Interessanterweise ist in diesem Fall nicht der betroffene Wettbewerber, sondern ein Verband, hier die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen diese Maßnahme vorgegangen. Wie auch in den Vorinstanzen, wurde dieses Verhalten weder unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigung einer fremden Werbemaßnahme, noch unter einer Irreführung über eine (hier nicht bestehende) Kooperation zwischen den Wettbewerbern beanstandet.

Zu dem ersten Punkt ist der BGH zutreffend der Ansicht, dass eine gezielte Behinderung eines Wettbewerbers ausscheiden muss, da die Empfänger des Rabattcoupons noch gar keine Kunden des aussendenden Drogeriemarktes waren, dies erst später werden sollten.
Diese Entscheidung fügt sich in die bisherige Rechtsprechung des BGH ein. Eine gezielte Behinderung liegt danach im Unterschied zu einer als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung vor,

„wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist“

(BGH, Urteil vom 11. 1. 2007 – I ZR 96/04).

Das Aufspringen auf den „Marketing-Zug“ eines Dritten, indem man z.B. auch durch Kundenbindungsprogramme sauber vorselektierte und besonders wertvolle Kunden für sich lockt, ist sicher kein Verhalten, dass primär der Schädigung des Mitbewerbers dient.  Es ist so z.B. in der Reisebranche durchaus üblich, besonders wertvolle Kunden eines Wettbewerbers durch Sonderangebote für die eigenen Leistungen zu interessieren (hier z.B. bei Fluggesellschaften).

Der Umstand, dass Coupons offenbar von der hier beklagten Wettbewerberin im Rahmen der Einlösung „eingezogen“ und damit vernichtet wurden, könnte eine andere Bewertung zulassen. Immerhin wird so verhindert, dass der Kunde noch bei dem Herausgeber des Coupons diesen einlösen kann. Dies ist aber möglicherweise auch den Anträgen des Rechtsstreits geschuldet, so führt das OLG Stuttgart in der Vorinstanz auf:

„Vorliegend ist der Unterlassungsantrag des Klägers in beiden Teilen eindeutig. Er richtet sich einzig gegen die jeweilige Werbung. Beide Antragsteile sind ausdrücklich darauf gerichtet, der Beklagten zu untersagen, mit je einer bestimmten Formulierung zu werben oder werben zu lassen. Hingegen ist der Einlösevorgang selbst nach dem eindeutigen Wortlaut der Klageanträge nicht Streitgegenstand.“

(OLG Stuttgart Urteil vom 2. 7.2015  – 2 U 148/14

Sollte der BGH hierzu in seinen noch ausstehenden Entscheidungsgründen nicht Stellung nehmen, wäre diese Maßnahme in der konkreten Ausführungsart wohl nicht vorbehaltslos als lauter zu bezeichnen.

BGH Urteil vom 23.6.2016 – I ZR 137/15, Pressemitteilung