BGH verurteilt Mediatorin zu Schadensersatz

Prof. Dr. Reinhard Greger  Prof. Dr. Reinhard Greger
RiBGH a.D., Universität Erlangen-Nürnberg

Ein soeben veröffentlichtes Urteil des BGH (IX ZR 34/17 vom 21.9.2017) könnte Mediatoren verschrecken: Nach diesem Urteil muss eine Mediatorin rund 32.000 Euro Schadensersatz leisten, weil sie nicht verhindert hat, dass eine Ehefrau im Rahmen eines Scheidungsvergleichs auf Ansprüche aus Versorgungsausgleich verzichtet hat.

Beim zweiten Hinsehen erkennt man aber sogleich, dass es sich hier nicht um eine übliche Mediationsdienstleistung gehandelt hat. Die „Mediatorin“, eine Rechtsanwältin, war von den Eheleuten nicht damit beauftragt worden, eine einvernehmliche Konfliktlösung zu vermitteln. Der Auftrag an die als Schlichtungsstelle firmierende Anwältin bestand vielmehr ausschließlich darin, eine kostengünstige Ehescheidung zu organisieren. Dies tat sie durch Einschaltung zweier Anwälte, die nur formal die notwendigen Erklärungen bei Gericht abgeben sollten. Der erst im Gerichtstermin bevollmächtigte Anwalt der Ehefrau erklärte auf Grund lückenhafter und missverständlicher Informationen durch die „Mediatorin“ den Verzicht auf Versorgungsausgleich. Dadurch entstand der Ehefrau ein Schaden von rund 64.000 Euro, für den der Anwalt und die „Mediatorin“ nun je zur Hälfte aufkommen müssen.

Diese Quittung für eine unverantwortliche Prozess-Trickserei (für die der Anwalt der Ehefrau übrigens ein Honorar von 100 Euro erhielt!) ist zweifellos verdient. Fatal an der Entscheidung ist aber, dass der BGH, dem Sprachgebrauch der Beteiligten folgend, die Tätigkeit der Scheidungsmanagerin als Mediation qualifiziert hat. Er führt wörtlich aus: „Als Anwaltsmediatorin hatte die Beklagte die Belehrungen und Hinweise zu erteilen, die in der konkreten Situation einem Anwalt obliegen … und für deren Richtigkeit einzustehen“. Sie hätte die tatsächlichen Grundlagen für etwaige Versorgungsausgleichsansprüche ermitteln und „die von ihr für die Vertretung der Eheleute eingesetzten Rechtsanwälte vor Anrufung des Gerichts zutreffend und umfassend über den Stand des Einigungsversuchs und die für die Bemessung des Versorgungsausgleichs fehlenden tatsächlichen Grundlagen informieren müssen“.

Zu verdeutlichen, dass der BGH hier mitnichten die Pflichten umrissen hat, die den Mediator bei einer Konfliktvermittlung im Sinne des Mediationsgesetzes treffen, wird einige Mühen kosten. Die Klärung von Ansprüchen ist ebenso wenig wie die Einschaltung und Information von Rechtsanwälten Aufgabe des Mediators, ja mit seiner Stellung überhaupt unvereinbar. Es ist beklagenswert, dass mit dem Mediationsbegriff nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch bei den Gerichten so nachlässig und irreführend umgegangen wird. Ein gesetzlicher Schutz dieser Bezeichnung wird immer dringender.

Mehr zum Autor: Der Autor war Richter am Bundesgerichtshof und Inhaber des Lehrstuhls für Zivilprozessrecht, Bürgerliches Recht und freiwillige Gerichtsbarkeit an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist Mitautor des ZPO-Kommentars Zöller und Redaktionsbeirat der Zeitschrift für Konfliktmanagement. Die Abschlussberichte zu zahlreichen Forschungsprojekten auf dem Gebiet der autonomen Konfliktlösung sind einsehbar unter www.reinhard-greger.de/zur-person/forschungen. Dort finden sich auch Nachweise zu weiteren Veröffentlichungen.

Ein Kommentar

  1. Avatar Prof. Dr. Fritz Jost
    Veröffentlicht 8. Januar 2018 um 12:36 | Permalink

    Gregers Würdigung des BGH-Urteils vom 21.9.2017 (IX ZR 34/17; AnwBl 2017, 1231; DB 2017, 2604) ist zuzustimmen. Im Ergebnis hat der Senat die bekl. Rechtsanwältin, welche auch als Mediatorin firmierte, zwar zu Recht verurteilt; sie hat pflichtwidrig und schuldhaft einen Schaden ihrer Mandantin verursacht. Aber hinsichtlich der Begründung ist beklagenswert, dass die Rolle des Mediators in der Rechtsprechung noch immer recht unklar ist (zum Berufungsurteil des OLG Stuttgart s. Verf., ZKM 2017, 71 ff.). Das betrifft den Ausgangspunkt, nämlich die Behauptung, für die anwaltliche Mediation hätten grundsätzlich die Maßstäbe der Anwaltshaftung zu gelten, auch wenn dabei „Besonderheiten“ anwaltlicher Schlichtungstätigkeit erwähnt werden (vgl. insbes. Rdnr. 17 ff. der Entscheidung). Damit würde „grundsätzlich“ der gesamte Kanon anwaltlicher Pflichten einschließlich Sachverhalts-aufklärung und Rechtsberatung aktiviert werden.
    Seit mehr als fünf Jahren haben wir das Mediationsgesetz, und in den Materialien hierzu werden Rechtsberatung und Mediation ausdrücklich gegeneinander abgegrenzt: „Von der Rechtsberatung unterscheidet sich die Mediation insbesondere insoweit, als im Mediationsverfahren zwar das Recht als ein wesentlicher Orientierungspunkt für mögliche Konfliktlösungen erörtert werden kann, eine konkrete rechtliche Beratung über die dem Konflikt zugrundeliegenden Rechtsfragen jedoch nicht erfolgen darf“ (BT-Drs. 17/5335, S. 10; allgemeine Warnhinweise, insbes. auf eventuelle Rechtsverluste durch das Aufschieben gerichtlicher Geltendmachung sind nicht ausgeschlossen und von rechtlicher Betreuung unterscheidbar).
    Sicherlich gibt es Konstellationen, in welchen Konfliktparteien unterschiedliche Erwartungen an den Mediator entwickeln. Bei einer Mediation zwischen anwaltlich vertretenen Wirtschaftsunternehmen wird der Gedanke, der Mediator werde auch die rechtliche Betreuung der Parteien betreiben, gar nicht aufkommen. Bei Privatpersonen bzw. Verbrauchern, welche einen anwaltlichen Berufsträger als Mediator ausgewählt haben, kann der Erwartungshorizont ein ganz anderer sein. Aber § 2 Abs. 2 MediationsG sieht sinnvollerweise eine Pflicht des Mediators vor, sich zu vergewissern, dass die Parteien „die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben“. Dazu gehört natürlich die Rolle des Vermittlers als eine „unabhängige und neutrale Person […], die die Parteien durch die Mediation führt“, also durch ein Verfahren, „bei dem die Parteien […] eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben“ (§ 2 Abs. 1 u. 2 und auch § 1 Abs. 1 MediationsG). Die grundsätzlich gegebene Ausgrenzung der Rechtsberatungsfunktion wird durch die Verpflichtung des Mediators flankiert, „Parteien, die ohne eine fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen“ (so explizit für die Abschlussvereinbarung § 2 Abs. 6 S. 2 MediationsG).
    Wer hier keine Rollenklarheit schafft und die Parteien hindert, ihre Rechte selbst oder anderweitig beraten wahrzunehmen, haftet für hierdurch entstehende Schäden. Das Ergebnis stimmt, muss und sollte aber nicht mit der generellen Aussage begründet werden, die Rechtsberatung der Parteien sei der Tätigkeit eines anwaltlichen Mediators inhärent.

    Prof. Dr. Fritz Jost, Universität Bielefeld

2 Trackbacks

  1. Von Centrale für Mediation – Blog am 14. April 2020 um 13:12

    […] Würdigung würde ich gerne zunächst auf meine Urteilsanmerkung verweisen (in ZKM 1/2018, 32 ff.). R. Greger und F. Jost haben sich zur Begründung dieser Entscheidung kritisch geäußert. Meines Erachtens […]

  2. Von Centrale für Mediation – Blog am 14. April 2020 um 13:12

    […] Mediatorenrolle und auch von der anwaltlichen Rolle der Beklagten zu betrachten ist, siehe auch Greger, Blog-Beitrag vom 13.10.2017. Dass diese Aufgabe nicht rechtzeitig erfüllt wurde und darauf auch nicht vor dem […]

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