Diskussion um den Pflichtenkanon des Mediators – BGH, Urt. v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17: Ergebnis richtig, Begründung zweifelhaft.

Prof. Dr. Fritz Jost  Prof. Dr. Fritz Jost
Universität Bielefeld

Über unterschiedliche Rechtsmeinungen zu streiten ist wichtig und macht Spaß. Deshalb sei der Ball, den Hartung in seiner Anmerkung wie im ZKM Blog vom 5.2.1018 spielt, gerne nochmals auf­ge­nommen.

Richtig ist, dass M. Hartung, R. Greger und F. Jost das Urteil des BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 34/17 im Ergebnis für richtig halten. Die Abwehr der Kritik der beiden Letztgenannten an der Entscheidung stützt Hartung auf zwei Punkte. Beim IX. Zivilsenat des BGH gehe es um Man­dan­tenschutz. Richtige Erledigung des Mandats im Rahmen der eigenen Kompetenz, deren Grenzen für seine Annahme oder Ablehnung entscheidend sei, werde vom Anwalt geschuldet. Das ist der eine Punkt, und hier besteht m.E. keinerlei Dissens.

Was ist der zweite Punkt von Hartungs Verteidigung? Nichts anderes, nur dass der Bezug derselben Überlegungen zum Auftreten als Anwaltsmediator hergestellt wird. Auch insoweit kann ich keine Gegensätze erkennen. Natürlich müssen hier ebenfalls „Missverständnisse“ hinsichtlich der zu erbringenden anwalt­lichen Leistungen ausgeschlossen, also die Ent­täuschung berechtigter Mandanten­erwartungen und hieraus resultierender Schaden vermieden werden.

Was Hartung übergeht, ist das Anliegen, der Verwässerung des Mediatorbegriffs entgegen­zutreten. Diese Gefahr liegt in Formulierungen des BGH (wie schon des Berufungsgerichts) begründet. Sie können so gedeutet werden, dass dem Mediator die Rechts­betreuung der Me­dianden obliegt, welche aber grundsätzlich nicht seine Sache ist. Im vorliegenden Falle lag die Pflichtverletzung der anwaltlichen „Mediatorin“ darin, die Auskünfte zum Versorgungs­aus­gleich nicht eingeholt und nicht verhindert zu haben, dass die Ehefrau ohne nähere Kenntnis ihrer diesbezüglichen Rechte auf den Ausgleich der Anwartschaften verzichtete (BGH a.a.O. Rdnrn. 23 ff.); hierzu war sie nach dem Mandatsvertrag, wie immer er bezeichnet worden sein mag, verpflichtet.

Die Pflichtverletzung stammt also gar nicht aus dem Bereich dessen, was Sache einer Mediatorin ist, sondern aus dem der Rechtsberatung und -betreuung (so schon deutlich Greger,  BRAK-Mitt. 2017, 289, 295). Um sie festzustellen und eine Haftung zu begründen war eine Grenz­verschiebung zwischen mediatorischer und advokatorischer Tätigkeit und Pflichtenstellung nicht nötig. Das ist die Kritik bzw. Warnung, welche mir nach wie vor gegenüber der BGH-Entscheidung angebracht zu sein scheint.

Dankenswert sind allerdings die deutlichen Worte in berufsrechtlicher Hinsicht, welche Hartung zum hier betriebenen und gescheiterten Scheidungsmanagement in seiner Anmerkung in der ZKM (letzter Absatz) gefunden hat. In der Praxis möglicherweise verbreitet gepflogene Geschäftsmodelle sollten in dieser Hinsicht noch einmal nachhaltig überprüft werden. Hier sicher kein Dissens!

Prof. Dr. Fritz Jost, Universität Bielefeld

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