Zum Haftungsrisiko von Mediatoren: Kein Grund zur Panik!

Prof. Dr. Ulla Gläßer  Prof. Dr. Ulla Gläßer
Europa-Universität Viadrina

Obwohl seit den Anfängen einer nennenswerten Mediationspraxis in Deutschland nur eine Handvoll (erfolgreicher) Haftungsfälle gegen Mediatoren aktenkundig geworden sind, scheint die Frage des Haftungsrisikos – spätestens seit der Entscheidung des BGH vom 21.9.2017 (ZKM 2018, 29 ff., mit Anm. Markus Hartung) – wie ein Damoklesschwert über den Köpfen von Mediatoren zu schweben.

 

Insbesondere aus leider verkürzten Versionen der Leitsätze zu der genannten Gerichtsentscheidung wird herausgelesen, dass Mediatoren nunmehr zu einer detaillierten Sachverhaltsaufklärung und umfassender inhaltlicher Information oder gar Beratung der Mediationsparteien verpflichtet würden. Da dies dem Rollenverständnis der meisten deutschen Mediatoren eklatant zuwiderliefe, sorgt die besagte Interpretation der BGH-Entscheidung verständlicherweise für Aufregung und Besorgnis.

 

Umso wichtiger erscheint es, die vom BGH erörterten tatbestandlichen Anknüpfungspunkte für mögliche Schadensersatzansprüche gegen Mediatoren nüchtern auf ihren Kerngehalt hin zu überprüfen.

Nach der rechtsdogmatischen Konstruktion vertraglicher Haftungsansprüche muss im Rahmen einer wirksamen Vertragsbeziehung (1) von einem Vertragspartner vorsätzlich oder fahrlässig (3) eine Pflichtverletzung (2) begangen worden sein, die zurechenbar kausal zu einem Schaden (4) in der Sphäre des anderen Vertragspartners geführt hat. Sind mit Blick auf einen konkreten Lebenssachverhalt alle diese Tatbestandsmerkmale erfüllt, erfolgt der Ersatz des Schadens gemäß der in den §§ 249 ff. BGB niedergelegten Regeln.

Für die Mediatorenhaftung und auch die betreffende BGH-Entscheidung zentral ist die Frage nach der exakten Begründung der konkreten Pflicht, gegen die ein Mediator (angeblich) verstoßen hat. Da es für die Ermittlung der Pflichten eines Mediators zwar vielfältige Ansatzpunkte, aber keinen abschließend normierten Katalog gibt, sind hierzu in mehrfacher Hinsicht differenzierende Betrachtungen erforderlich.

Zum einen ist zwischen „harten“, tatsächlich pflichtbegründenden Minimalanforderungen an mediatorisches Handeln und „weichen“ Empfehlungen für gute mediatorische Praxis zu unterscheiden, die einen bloßen Hilfestellungscharakter für die Erreichung eines konstruktiven Mediationsverlaufs und höherer Parteizufriedenheit haben (Klowait/Gläßer, HK-MediationsG/Gläßer, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 27).

Zum anderen muss präzise geklärt werden, ob eine Pflicht originär aus der Mediatorenstellung oder aus einer anderen beruflichen Rolle oder anderen Umständen herrührt. Genau hier liegt meiner Ansicht nach die Crux der (Fehl-)Interpretation der BGH-Entscheidung. Der BGH sieht die Pflichtverletzung der beklagten Anwaltsmediatorin darin, dass letztere entgegen ihrer Zusage die für die Berechnung eines etwaigen Versorgungsausgleichs nötigen Informationen nicht rechtzeitig eingeholt und weder die Parteien noch deren Anwälte vor dem Scheidungstermin adäquat über das Fehlen dieser Entscheidungsgrundlage aufklärte.

Auch wenn diesem Befund einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung der Beklagten im Ergebnis unbedingt zuzustimmen ist, erscheint die Formulierung der Pflichtenbegründung durch den BGH unnötig weitgehend: „Als Anwaltsmediatorin hatte die Beklagte die Belehrungen und Hinweise zu erteilen, die in der konkreten Situation einem Anwalt obliegen.“ Denn die explizite Übernahme der Informationsbeschaffung durch die Beklagte ist als individuelle Vereinbarung einer spezifischen Aufgabe zu sehen, die völlig losgelöst von einer etwaigen Mediatorenrolle und auch von der anwaltlichen Rolle der Beklagten zu betrachten ist, siehe auch Greger, Blog-Beitrag vom 13.10.2017. Dass diese Aufgabe nicht rechtzeitig erfüllt wurde und darauf auch nicht vor dem Scheidungstermin hingewiesen wurde, stellt ohne weiteres eine Verletzung der vertraglich vereinbarten Pflicht dar. Der argumentative „Umweg“ über den typischen Pflichtenkreis von Anwälten und die Bestätigung dessen Anwendbarkeit auf Anwaltsmediatoren erscheint nicht nur unnötig für die Begründung der Haftung der Beklagten, sondern birgt auch die Gefahr undifferenzierter Generalisierung – wie es sich in den Diskussionsbeiträgen zur BGH-Entscheidung zeigt.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das Haftungsrisiko, das sich aus der rein mediatorischen Tätigkeit ergibt, wegen der typischen Aufgaben- und Verantwortungsverteilung zwischen Mediator und Parteien und wegen der großen Flexibilität der mediatorischen Arbeitsweise deutlich geringer, als die breite Diskussion der Thematik dies zunächst vermuten lässt, ausführlich Gläßer, ZKM 3/2018, 81 ff (aktuelles Heft).

Solange die entstandene Verwirrung aber anhält, empfiehlt sich eine präzise (Er-)Klärung der Mediatorenrolle gegenüber den Mediationsparteien als haftungsminimierende Maßnahme. Haben die Parteien zu Beginn einer Konfliktbearbeitung verstanden, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Mediator in einem konkreten Fall übernimmt und welche nicht, dann besteht weniger Gefahr, dass diffuse Erwartungen oder tatsächlich unklare Mischrollen den Beteiligten ex post „auf die Füße fallen“.

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