Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz von 2016 wird reformiert. Zum GesetzentÂwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 19/10348) hat der Bundesrat rasch Stellung geÂnommen, die Bundesregierung repliziert (BT-Drs. 19/10991), und am 26.6.2019 wurden acht Sachverständige vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz angehört. Greift man heraus, dass der Bund zur angestrebten FlächenÂdeckung des Schlichtungsangebots mit einer von ihm getragenen UniversalschlichÂtungsstelle für die insoweit unwilligen Länder in die Bresche springt, so wurde dies überwiegend begrüßt. Soeben ist auch der Referentenentwurf des BMJV für die Verordnung zu der Universalschlichtungsstelle vorgelegt worden, welche mit den gesetzlichen Neuregelungen zum 1.1.2020 in Kraft treten soll. Ãœberwiegend beklagt wurde in der Anhörung die geringe Nutzung des Verfahrens zur Streitbeilegung in Verbrauchersachen bzw. die geringe Bereitschaft gerade auch bekannter und für den Markt wichtiger Unternehmen, sich an hieran zu beteiligen. Daran ändert der EntÂwurf nichts, und in diesem Punkt besteht nach Gössl der größte NachbesserungsÂbedarf. Die Frage ist nur, was zu tun ist. Soll die Verpflichtung zur Teilnahme über die wenigen bisherigen Fälle ausgedehnt werden (vielleicht zur Klärung der Individualansprüche nach einer Musterfeststellungklage)? Oder (Kosten-)Nachteile in einem Prozess, unabhängig von dessen Ausgang, vorgesehen werden, wenn man sich am vorgängigen Schlichtungsverfahren nicht beteiligt hat? Oder ist die KostenÂlast dieses Verfahrens, welche die Unternehmerseite trifft – sozusagen umgekehrt – zu mildern, weil dies von den Betroffenen als unfair angesehen werde (Gläßer)? Oder muss von staatlicher Seite mehr für das Verfahren geworben bzw. es besser präsentiert werden, so dass die Teilnahme als erwartbarer Regelfall anzusehen ist und die nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG offen zu bekundende Verweigerung auf dem Markt als Manko gilt. Ãœberlegung dieser Art finden sich auch im Hin- und Her zwischen Bundesregierung und Bundesrat mit einer gehörigen Portion Dissens und ohne dass eine Lösung des Problems erkennbar wäre (zu Modifikationen der KostenÂbelastung der Unternehmerseite bei Verfahren vor der Universalschlichtungsstelle s. allerdings § 31 Abs. 2 VSBG-E bzw. § 6 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 u.4 VO-E).
Wenig hilfreich ist es jedenfalls (Greger), dass Ansprüche, welche in MusterfeststelÂlungsklagen (noch) rechtshängig sind, von im Klageregister angemeldeten VerbrauÂchern im Schlichtungsverfahren nicht geltend gemacht werden können [§ 14 Abs. 1 Nr. 3 (neu) VSBG-E], auch wenn die Erwartung besteht, das Verfahren werde nach erfolgreicher Durchführung der Musterfeststellungklage zur Klärung des dem VerÂbraucher konkret zustehenden Anspruchs genutzt werden (Harriehausen).
In der Tat ist es misslich, dass die Ablehnungsgründe des § 14 VSBG noch vermehrt werden. Auffällig ist nämlich, dass eine hohe Zahl der Schlichtungsanträge an ihnen scheitert. Bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft beispielsweise betrifft dies ca. 50 % der 2018 bearbeiteten Anträge. Die reinen Fallzahlen sind hinsichtlich der Effektivität der einzelnen Schlichtungsstellen somit wenig aussagekräftig. Das verhindert aber offenbar nicht Beschönigungen, wie prägnant ein aktuelles Interview des neuen Schichters der anwaltlichen Schlichtungsstelle Gaier zeigt (NJW-aktuell 43/2019, S. 12 f.). Mit ihren jährlich gut 1.000 Anträgen wird sie als „mittelgroßen Schlichtungsstelle“ verkauft; dann ist von einer hohen Einigungsquote (bei 60 % der Schlichtungsvorschläge) die Rede. Unerwähnt bleibt, dass die Hälfte der Anträge schon auf der Zulässigkeitsebene scheitert. Beim Ombudsmann der privaten Banken sind das beispielsweise 36 %, bei demjenigen für Versicherungen etwa ein Viertel und beim Zentrum für Schlichtung in Kehl, welches bisher als eine allgemeine VerÂbraucherschlichtungsstelle fungiert, ca. 20 %, mit jeweils divergierenden „BrennÂpunkten“. Es sollte mehr hinter die Kulissen geschaut werden, um darüber nachzuÂdenken, wie solches Scheitern mit vermutlich demotivierender Frustration verÂmieden werden kann, verlangt das Gesetz doch, dass Ablehnungsgründe den „ZuÂgang von Verbrauchern zu den Streitbeilegungsverfahren nicht erheblich beeinträchÂtigen dürfen“ (§ 14 Abs. 1 S. 2 VSBG). Ansätze hierzu und zu einem breiteren AusÂleuchten der Schlichtungswirklichkeit bieten die (unterschiedlich konzipierten) Tätigkeitsberichte der Schlichtungsstellen, aber auch die Untersuchung von CreutzÂfeld/Steffek, ZKM 2019, 40 ff. (hierzu auch Blog vom 9.5.2019), welche sich jedoch nur mit der Stelle am Zentrum für Schlichtung in Kehl beschäftigt. Wichtig dürfte etwa sein, wie es für den Verbraucher weitergeht, wenn sein Antrag wegen UnzustänÂdigkeit der angerufenen Schlichtungsstelle abgelehnt wird (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 VSBG). Regeln zur „Verweisung“ an die zuständige Stelle enthält das Gesetz zur Zeit und auch künftig nicht; allein für die Universalschlichtungsstelle wird die Nennung der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle bei Ablehnung eigener Tätigkeit vorgeschrieben (§ 30 Abs.4 VSBG-E).
In Anbetracht der gravierenden Hemmnisse für die Durchsetzung der VerbraucherÂstreitbeilegung müssen die auf dem Tisch liegenden Reformvorschläge abgesehen von der Lösung des „Auffangproblems“ qua Einführung der UniversalschlichÂtungsstelle des Bundes eher als Glasperlenspiel erscheinen.