The Hague Rules on Business and Human Rights Arbitration – neue Regeln für die außergerichtliche Beilegung von menschenrechtlichen Streitigkeiten

Prof. Dr. Ulla Gläßer  Prof. Dr. Ulla Gläßer
Europa-Universität Viadrina

Ko-Autorin:
Claudia Kück, Wissenschaftliche Mitarbeiterin,
Europa-Universität Viadrina

Die Schiedsgerichtsbarkeit – im Normalfall ein beliebtes Forum für internationale Handelsstreitigkeiten – könnte in Zukunft auch als Streitbeilegungsmechanismus für Menschenrechtsverletzungen im Verantwortungsbereich von Unternehmen an Boden gewinnen: Am 12. Dezember 2019 wurden im Friedenspalast von Den Haag “The Hague Rules on Business and Human Rights Arbitration“ (The Hague Rules) vorgestellt.

Hintergrund

Den Auftakt der Entstehungsgeschichte der The Hague Rules bildete eine von Experten auf dem Gebiet des internationalen Rechts gegründete unabhängige Arbeitsgruppe (sog. Working Group on Business and Human Rights Arbitration) mit dem Ziel, internationale Schiedsregeln zu erarbeiten, die die Besonderheiten unternehmensbezogener Menschenrechtsverletzungen effektiv berücksichtigen. Nachdem Anfang 2017 ein erster inhaltlicher Entwurf vorgelegt wurde, nahm das Projekt unter der Schirmherrschaft des „Center for International Legal Cooperation“ (CILC) weiter Fahrt auf. Ein „Drafting Team“, zusammengesetzt aus Vertreter*innen unterschiedlicher Interessengruppen wie etwa Großunternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaftsrechtskanzleien, Menschenrechtsexpert*innen und Schiedsrichter*innen veröffentlichte Ende 2018 ausführliche Erwägungen rund um den Entwurf in Form eines „Elements Paper“. Zu diesem Dokument wurde anschließend das Feedback von einem breiteren Stakeholder-Kreis als Sounding Board eingeholt. Die Ergebnisse dieser Konsultation wurden anschließend in einer konsolidierten Fassung online zur Verfügung gestellt. Auf Basis der zahlreichen Reaktionen auf das Elements Paper erstellte das Drafting Team im Juni 2019 seinen ersten Regel-Entwurf und leitete eine zweite Konsultationsrunde ein, woraufhin Ende 2019 schließlich die offizielle Bekanntmachung der finalen Version der The Hague Rules folgte.

 

Inhalt der Regeln im Überblick

Die The Hague Rules nehmen die Schiedsverfahrensregeln der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) zum Ausgangspunkt, einschließlich der “Rules on Transparency in Treaty-based Investor-State Arbitration”. Sie weichen jedoch dann von den UNCITRAL Schiedsregeln ab bzw. enthalten differenzierende Zusätze, wenn Themen betroffen sind, die speziell mit durch Unternehmen hervorgerufene Menschenrechtsverletzungen zusammenhängen.

Damit der Anwendungsbereich der The Hague Rules eröffnet ist, bedarf es grundsätzlich nur einer entsprechenden Schiedsvereinbarung unter Verweis auf die Regeln. Es bestehen keinerlei Beschränkungen hinsichtlich der Art der Parteien oder des Streitgegenstandes. In diesem Zusammenhang sei jedoch noch auf die sich vor dem eigentlichen Regeltext befindende, einführende Erläuterung hingewiesen, wonach die The Hague Rules nach Intention ihrer Verfasser nicht nur in Streitigkeiten eingesetzt werden sollen, in denen ein von einer Menschenrechtsverletzung betroffenes Individuum/eine Gruppe von Individuen versucht, eine Entschädigung zu erwirken, sondern auch in Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen, wie z.B. Konflikte im Zusammenhang mit Lieferkettenverträgen.

Insgesamt bestehen die The Hague Rules aus 57 Artikeln, die jeweils mit einem Kommentar versehen sind, in dem die Hintergründe für die Abfassung dieser Bestimmung verdeutlicht und etwaige Abweichungen von den UNCITRAL Schiedsregeln klargestellt werden. Für die Leser dieses Blogs besonders interessant dürfte es sein, dass der letzte Abschnitt u.a. eine Regelung zur Kombination des Schiedsgerichts- mit einem Mediations- oder anderen ADR-Verfahren enthält, s. Art. 56 The Hague Rules.

Den The Hague Rules vorangestellt ist eine Präambel, die die Zielsetzung und die übergeordneten Grundsätze der The Hague Rules vorstellt sowie sechs Hauptmerkmale der Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiet der unternehmensbezogenen Menschenrechtsverletzungen herausarbeitet, die Änderungen und Ergänzungen der UNCITRAL Schiedsregeln erforderlich machten.

Im Anschluss an die Artikel der The Hague Rules findet sich ein Verhaltenskodex für Schiedsrichter*innen (Code of Conduct, s. S. 95-99 The Hague Rules), der auf Grundlage international anerkannter Best-Practice-Standards ausgearbeitet wurde und aufgrund der besonderen Brisanz von Menschenrechtsstreitigkeiten passagenweise strengere Verhaltensanforderungen etabliert.

Die The Hague Rules schließen mit einem Anhang, der verschiedene Musterklauseln für einzelne, in den Artikeln behandelte Themenbereiche, enthält.

Fazit und Ausblick

Die The Hague Rules stellen einen ersten Meilenstein auf dem Weg hin zum vermehrten Einsatz der Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen von Menschenrechtsstreitigkeiten dar. Zudem hat die Art und Weise, in der das Regelwerk entworfen wurde, den Dialog zwischen den Interessengruppen befördert und ein Bewusstsein für von Unternehmen zu verantwortende Menschenrechtsverletzungen geschaffen. Vor allem aber wurde eine Diskussion darüber angestoßen, ob es sinnvoll ist, in diesem Kontext alternative Konfliktlösungsmechanismen anzuwenden.

Als nächster wichtiger Schritt sollte nun folgen, dass Unternehmen beim Abschluss von Verträgen Schiedsklauseln mit Verweis auf die Hague-Regeln aufnehmen. Ob bzw. wann diese Entwicklung eintritt, ist jedoch schwer abzuschätzen; wie Prof. Steven Ratner, ein Mitglied des Drafting Teams, sagte: „as with all issues of human rights, you have to look to the long term, and we are at the beginning of this new field.“ (zitiert nach Wellings-Longmore)

Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt der The Hague Rules folgt in einer der kommenden Ausgaben der ZKM.

 

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