„Wenn der Richter nicht mehr weiter kann, muss der Mediator ran…“
So oder so ähnlich müsste man es formulieren, wenn es in einer Wohnungseigentümergemeinschaft knirscht. Zum 1. Dezember 2020 ist die Reform des Wohnungseigentumsrecht in Kraft getreten. Danach hat sich einiges geändert und einige der im Gesetz verankerten Unklarheiten beherbergen ein erhebliches weiteres Streitpotenzial.
Schon allein weil der Verwalter nunmehr in eigener Verantwortung ohne Beschlussfassung über Maßnahmen von „untergeordneter Bedeutung“ frei schalten und walten kann, § 27 Abs.1 Nr. 1 WEG-neu, wird man sich trefflich darüber in die Haare bekommen können, ob und in welchem Kontext eine konkrete Maßnahme die relevante Schwelle erreicht bzw. eben gerade noch nicht erreicht.
Anders als nach altem Recht sind künftig grundsätzlich alle Beschlüsse der Eigentümerversammlung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen. Dabei ist jede Versammlung beschlussfähig – egal wie viele Eigentümer anwesend sind bzw. teilnehmen. (§ 25 WEG in der bisherigen Fassung wurde gestrichen.) Das vereinfacht, birgt aber auch nicht wenig Streitpotenzial.
Dass Eigentümerversammlungen künftig durch die Möglichkeit der Online-Teilnahme flexibler gestaltet werden können (§ 23 Abs. 1 WEG-neu), ist in der heutigen Zeit grundsätzlich zu begrüßen. Aber auch das sieht einfacher aus, als es ist. Was passiert zum Beispiel, wenn einzelne Eigentümer gar nicht über einen Internetanschluss verfügen oder der Laptop eines der Teilnehmer mitten in der Online-Versammlung seinen Geist aufgibt (Batterie leer, Funkloch …). Interessant ist mE auch die Frage, ob die Online-Versammlung überhaupt noch – wie bisher vorausgesetzt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Niemand kann wissen, ob bei den anderen via Konferenztool teilnehmenden Eigentümern außerhalb des Kamerabereiches weitere Personen mithören oder auch still beraten/beeinflussen.
Besonderheiten gibt es nach wie vor für bauliche Veränderungen. Es gibt keine Unterteilung in allgemeine Veränderungen, Instandsetzungen, Modernisierungen und modernisierende Instandsetzungen mehr. Es tragen grundsätzlich diejenigen die Kosten, die von der baulichen Veränderung profitieren und sie können andere auch von der Nutzung ausschließen. Sollen alle die Kosten tragen, bedarf es einer qualifizierten Mehrheit (â…” Stimmen und ½ aller Anteile). Wenn dieses Quorum nicht erreicht wird, können auch weitere Miteigentümer die „bauliche Veränderung“ – etwa einen neuen Fahrstuhl – (mit)nutzen, wenn sie sich mit einem angemessenen Ausgleich beteiligen, § 14 WEG-neu. Was aber „angemessen“ ist, birgt wieder bestes Streitpotential.
Einen ganz gravierenden Einschnitt stellt die Neuregelung der Anfechtungsklage gegen gefasste Beschlüsse dar. Im Tatsächlichen hat sich natürlich nichts geändert, denn die Eigentümer sind es, die einen Beschluss fassen, der dann die Gemeinschaft bindet. Daher war es bisher auch konsequent, im Falle eines unrechtmäßigen Beschlusses die Klage gegen diejenigen zu richten, die diesen Beschluss gefasst hatten, also gegen die Eigentümer persönlich, die eine Willenserklärung abgegeben, dh abgestimmt hatten. Nach neuem Recht ist die Klage gegen die „Gemeinschaft“ als solche zu richten, § 44 Abs. 2 WEG-neu. Das ist eine Kehrtwendung gegenüber dem früheren Recht. Die Gemeinschaft, nach wie vor „teilrechtsfähig“, wird verklagt und ist wie bisher vom Verwalter vertreten. Den „beklagten“ Eigentümern wird dabei ungefragt eine lästige Angelegenheit (Verteidigung) abgenommen. Wie aber, wenn einer aus dem Kreis der übrigen Eigentümer, der den Beschluss zwar nicht selbst anficht, mit der Anfechtung jedoch einverstanden ist, und den geltend gemachten Anspruch anerkennen (§ 93 ZPO) oder einen eigenen Anwalt beauftragen und nicht den des Verwalters beauftragen will?
Dies soll als kurzer Einblick in einige zentrale Änderungen des neuen WEG-Rechts und daraus resultierenden Reibungsflächen genügen. Jedem Mediator dürfte klar sein, dass Unzufriedenheit und Konflikte in WEGs – von denen es auch in der Vergangenheit schon mehr als genug gab – noch erheblich zunehmen werden. Erfahrungsgemäß können Richter hier nicht nachhaltig befrieden, da sie an das gesetzliche Korsett von ZPO und WEG gebunden sind. Selbst im Rahmen von Vergleichen kann ein Gericht Maßnahmen, die eine Verwaltung auf gesetzlicher Grundlage getroffen hat, auch dann nicht aufheben, wenn die Eigentümer dafür in unfairer Weise bezahlen müssen und die Aufhebung selbst wünschen.
Hier hat sich in den vergangenen Jahren ein breites und interessantes Betätigungsfeld für Mediatoren eröffnet. Denn nur in der Mediation besteht die Möglichkeit eines wirklichen Interessenausgleichs zwischen allen Beteiligten.
Man mag zum neuen Gesetz stehen, wie man will. Die Richtung ist vorgegeben und wir Mediatoren müssen und sollten uns darauf einstellen. Bereiten wir uns darauf vor. Für uns Mediatoren verspricht die WEG-Reform interessante weitere Aufgabenfelder!