Seit einem Vierteljahrhundert begleitet die ZKM die Mediations- und ADR-Entwicklungen in Deutschland.
Die Meilensteine der Mediationsentwicklung hierzulande lassen sich in 5-Jahres-Schritten darstellen: 2002 begann ausgehend von Niedersachsen die Mediation in den Gerichten (hierzu Kirchhoff/Zenk, ZKM 2022, 190). 2007 hat das Bundesverfassungsgericht den bemerkenswerten, viel zitierten (auch in der Jubiläumsausgabe: Papier, ZKM, 2022, 161 sowie Gläßer, ZKM 2022, 174), allerdings als Durchbruch auch überschätzten Satz geprägt: „Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung.“ 2012 brachte das mit einigen Befürchtungen, vor allem mit hohen Erwartungen verbundene Mediationsgesetz (vgl. Gläßer, ZKM 2022, 174 sowie Schroeter, ZKM 2022, 183). 2017 trat die zugehörige Zertifizierungs-Verordnung in Kraft und im selben Jahr sorgte die Evaluierung des Gesetzes für Ernüchterung (vgl. Gläßer, ZKM 2022, 174 sowie Schroeter, ZKM 2022, 183). 2022 ist das Jahr intensiver Diskussionen um eine Weiterentwicklung des Mediationsrechts und könnte noch einen Reformentwurf hervorbringen, der allerdings wohl nur zu geringfügigen Änderungen führen wird (vgl. Greger, ZKM 2022, 193).
Heiner Krabbe, ZKM, 2022, 172 führt uns vor Augen, dass die Mediation in Deutschland sich seit den 1970/1980iger Jahren zuerst und vor allem im Familienrecht entwickelte. Eine Erfolgsgeschichte schreibt die Mediation und die ADR im Allgemeinen gewiss auch im Wirtschaftsbereich, sowohl zu innerbetrieblichen wie auch zu b2b-Konflikten (vgl. Schroeter, ZKM 2022, 183, und Risse, ZKM 2022, 179). Wenn Hans-Jürgen Papier, ZKM 2022, 161, den Nachfragerückgang nach gerichtlicher Konfliktklärung der Mediation zuzuschreiben erwägt, dürfte er deren Bedeutung allerdings überheben (zu anderen Erklärungsansätzen vgl. Greger, ZKM 2022, 193). Vielmehr scheint der nach welchen Maßstäben auch immer zu beurteilende allgemeine Durchbruch bislang nicht gelungen, was mit dem Bild des (Fast-)Stillstands (Greger, ZKM 2022, 193) oder der Midlife-Crisis (Gläßer, ZKM 2022, 174) gut getroffen sein mag.
Andererseits zeigt allein aktuelle Ausgabe der ZKM, dass und wie Mediation in engem Kontext zu modernen Entwicklungen und zu den Krisen dieser Zeit steht und welches Potential sie besitzt. So sollte man bei aller Ernüchterung, die Putins Krieg mediativen Glaubenssätzen beschert hat, nicht vergessen, dass vor 25 Jahren kaum denkbar war, welche Bedeutung dereinst der Friedensmediation zukommen wird (vgl. Herrberg, ZKM 2022, 176). Mediation kann bei der Begleitung großer gesellschaftlicher Prozesse helfen (siehe Interview mit der Kognitionsforscherin Maren Urner, ZKM 2022, 197). Bei der Bewältigung der Klimakrise leistet Mediation nicht nur Verfahrensunterstützung (vgl. Gläßer, ZKM 2022, 174), sondern sie hat auch methodisch Pate gestanden bei einem bewundernswerten Bürgerinnen-Projekt (vgl. Breidenbach/Nesselhauf, ZKM 2022, 186).
Wenn nach den Geleitworten von Minister Buschmann, ZKM 2022, 160, Mediation zur „Streitkultur auf dem höchsten Niveau einer zivilisierten Gesellschaft“ beiträgt, sollte dies und nicht weniger der Maßstab für die weitere Entwicklung sein. Allerdings: „Geduld ist notwendig, und man kann nicht sofort ernten, wo man gesät hat“ (Soren Kierkegaard).
Ich wünsche eine spannende Lektüre der soeben erschienenen Jubiläumsausgabe!
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Hinweis der Redaktion: Das Jubiläumsheft (ZKM 5/2022) steht hier als kostenloser Download zur Verfügung.