Die Wirkung von Lügen in Verhandlungen in Abhängigkeit der moralischen Bewertung

Prof. Dr. iur. Stefanie Jung  Prof. Dr. iur. Stefanie Jung
Professor for Corporate Law, TUM School of Management at the Technical University of Munich

Täuschungen werden in Verhandlungen relativ häufig genutzt, da die dort herrschenden Rahmenbedingungen Bluffs begünstigen. Gelogen wird insofern über die verschiedensten Aspekte. Häufig wird dabei nicht direkt über den Leistungsgegenstand oder den Preis i.e.S. getäuscht, sondern z.B. über Interessen, Präferenzen, Emotionen, (attraktivere) Konkurrenzangebote, unternehmensinterne Vorgaben, den Preis i.w.S. (Gewinnmargen etc.) oder die Verfügbarkeit von Produkten gelogen. Die Autorin befasst sich in ihrem neuen Beitrag in der ZKM mit den Wirkungen von Lügen in Vertragsverhandlungen. Die Irreführungen dienen aus Sicht des Täuschenden regelmäßig dazu, das Verhandlungsergebnis zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen. Die belogene Seite sieht sich hingegen mit der Herausforderung konfrontiert, mit der Täuschung bzw. dem Risiko einer Täuschung umzugehen. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Anreizen zu täuschen und dem Risiko belogen zu werden, ist maßgeblich von der moralischen Bewertung der Lügen geprägt. Der Beitrag der Autorin in der ZKM stellt in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer eigenen Studie (Siegener Studie) zum Moralverständnis bezüglich praxisrelevanter Irreführungen vor. An der Studie nahmen sowohl Richter als auch Anwälte, professionelle Verhandler und Studierende teil. Insgesamt wertet die Studie in Deutschland 1.884 Antworten aus und gelangt zu dem Ergebnis, dass ein nicht unerheblicher Anteil der praxisrelevanten Bluffs außerhalb des Leistungsgegenstandes und des Preises i.e.S. insbesondere von professionellen Verhandlern und Anwälten als moralisch akzeptabel bewertet wird. Aber selbst Richter und Studierende stufen einige Täuschungen als moralisch akzeptabel ein. Diese verbreitete moralische Akzeptanz bestimmter Irreführungen außerhalb des Leistungsgegenstandes und des Preises i.e.S. weist darauf hin, dass darauf basierende Taktiken in Verhandlungen wohl auch relativ häufig eingesetzt werden. Gleichzeitig hat diese moralische Akzeptanz zur Folge, dass die Reaktionsmöglichkeiten auf entsprechende Bluffs de facto beschränkt sind. Denn die Reaktionen auf solche akzeptierten Täuschungen, werden wohl regelmäßig „mild“ ausfallen. Das gilt, obwohl sich auch Bluffs, die sich nicht auf den Leistungsgegenstand oder den Preis i.e.S. beziehen, auf das Verhandlungsergebnis auswirken können.

Hinweis der Redaktion: Ausführlich zum Thema Jung, Die Wirkung von Täuschungen in Verhandlungen, ZKM0067074.

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