Erfahrungsaustausch der Verbraucherschlichtungsstellen im BMJV

Felix Braun  Felix Braun
Universalschlichtungsstelle des Bundes, Vorstand des Zentrums für Schlichtung e.V.

Ko-Autor:
Stefan Weiser
Streitmittler der Universalschlichtungsstelle des Bundes am Zentrum für Schlichtung e.V.

Am 18.02.2020 fand im BMJV ein Erfahrungsaustausch der Verbraucherschlichtungsstellen statt. In einer rund dreistündigen Diskussionsrunde wurden 15 Fragen diskutiert, die Praktiker besonders beschäftigen. Der Austausch zeigte, dass das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) und die sich aus ihm ergebende Praxis eine sehr lebendige Materie ist.

An einigen Stellen wurde deutlich, dass bestimmte Fragen in der Praxis unterschiedlich gehandhabt werden. Dies steht im Einklang damit, dass die Verbraucherstreitbeilegung nach dem VSBG eben kein strengformales Verfahren ist, sondern größtmögliche Niedrigschwelligkeit gewährleisten soll.

Nachfolgend zu einigen der zentralen Diskussionspunkte:

Bindung an den Antrag

Eine Kernfrage betraf den Umgang mit Verbraucher-Anträgen, die inhaltliche Defizite aufweisen, also ob und inwieweit eine Verbraucherschlichtungsstelle durch dienliche Hinweise nachhelfen kann. Hier reichten die Antworten von gar nicht – da man sich dem Gedanken von § 308 ZPO verpflichtet fühle – bis selbstverständlich – mit dem Argument, dass am Ende lediglich ein Vorschlag unterbreitet werde und die Gegenseite die Möglichkeit habe, diesen abzulehnen. Dies nehme den Gedanken der Schlichtung als nicht formales Verfahren am ehesten auf. Teilweise wurden auch Nuancen erkennbar, z.B. wenn die Vorgehensweise davon abhängig gemacht wird, warum im Einzelfall ein zu geringer Betrag geltend gemacht wird. Sei dem Antragsteller offenbar nur ein Rechenfehler unterlaufen, werde der richtige Betrag vorgeschlagen.

In der Tat stellt dies eine Verbraucherschlichtungsstelle vor die Herausforderung, zum einen ihrer Neutralität gerecht zu werden und nicht in Konkurrenz zu den Beratungsleistungen der Verbraucherzentralen zu treten, andererseits ist die Verbraucherstreitbeilegung ein niedrigschwelliges Angebot.

Den Verbraucherschlichtungsstellen ist es insgesamt möglich, verschiedene Akzente zu setzten, die je nach Tätigkeitsfeld bzw. Branche angebracht sein können und sich bereits in der vorgefundenen Praxis von Vor-VSBG Zeiten bewährt hat. So wird der Versicherungsombudsmann im kommenden Jahr sein 20-jähriges Jubiläum feiern, das VSBG aber erst fünf Jahre alt werden.

In den kommenden Jahren ist hier ein Gleichgewicht zwischen einer gewissen Vereinheitlichung zwecks Rechtssicherheit einerseits und der Berücksichtigung branchenspezifischer Belange andererseits wünschenswert. Dies betrifft beispielsweise auch die Frage, ob ein Streitmittler auf die Möglichkeit der Einrede der Verjährung im Rahmen seines Schlichtungsvorschlags hinweisen sollte.

Informationspflichten nach §§ 36 und 37 VSBG

Von großer Aktualität war auch das Thema der Informationspflichten für Unternehmer nach §§ 36 und 37 VSBG. Anlässlich der beiden Urteile des BGH im vergangenen Spätsommer (VIII ZR 263/18 und VIII ZR 265/18, jeweils vom 21.08.2019) erörterten die Verbraucherschlichtungsstellen ihre Erfahrungen. Dabei fiel unter anderem auf, dass nach der Errichtung der neu geschaffenen Universalschlichtungsstelle des Bundes die Anpassung der Informationspflichten unternehmerseitig noch nicht flächendeckend erfolgt ist.

Im Dreieck Unternehmer-Verbraucher-Verbraucherschlichtungsstelle kann es freilich Irritation auslösen, wenn ein Unternehmer, der sich öffentlich zur Teilnahme an (freiwilligen) Streitbeilegungsverfahren bereit erklärt, im Einzelfall – ganz im Einklang mit dieser Rechtsprechung – eine solche jedoch ablehnt, nachdem der Verbraucher die Verbraucherschlichtungsstelle bemüht hat.

Am anderen Ende des „Umsetzungsspektrums“ stellt das Fehlen einer Teilnahmeerklärung nach § 36 VSBG im (Auffang-)Zuständigkeitsbereich der Universalschlichtungsstelle des Bundes eine (widerlegbare) Vermutung dar, am Verfahren teilzunehmen, falls die Schreiben dieser Stelle unbeantwortet bleiben. Insbesondere Kleinstunternehmer sollten diese Vermutung im Blick haben, da sie nach § 36 Absatz 3 VSBG keine öffentliche Erklärung abgeben müssen.

Die für die Schlichtungspraxis potentiell wichtige Verpflichtung aus § 37 VSBG ermöglicht es dem Unternehmer, in Einzelfällen gezielt Verbraucher auf die Streitbeilegung hinzuweisen und gleichzeitig eine Teilnahmebereitschaft auszusprechen. Damit kann bereits der erste Schritt auf dem Weg in eine konstruktive Konfliktlösung erfolgen. Da insbesondere zur Anwendung des § 37 VSBG, aber auch zur Umsetzung der Informationspflichten allgemein noch keine gesicherten Erkenntnisse aus der Praxis vorliegen, hat das BMJV ein Forschungsvorhaben angekündigt, das sich des Themas der Informationspflichten umfassend annehmen wird. Ergebnisse werden im Frühjahr 2021 vorliegen.

Musterfeststellungklage

Das BMJV stellte – mit Blick auf die Formulierung im neuen VSBG, dass die prinzipielle Zuständigkeit der Universalschlichtungsstelle des Bundes auch für die Schlichtung im Nachgang zu einer Musterfeststellungsklage explizit vorsieht – klar, dass auch hier die allgemeine Subsidiaritätsregel gelte und es beim Vorrang spezifischer VSBG-Angebote bleibe.

Wie zwischenzeitlich allerdings bekannt wurde, wird der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die VW betreffende Musterfeststellungklage aufgrund eines Vergleichs nicht weiterführen. Im Rahmen des Vergleichs wurde festgelegt, dass eine Ombudsstelle zur Abwicklung aufgebaut werden soll. Diese wird wohl nicht den Status einer Verbraucherschlichtungsstelle im Sinne des VSBG haben, dennoch wird weder bei der Universalschlichtungsstelle des Bundes noch bei anderen Verbraucherschlichtungsstellen eine Schlichtung im Nachgang zu dieser Musterfeststellungsklage stattfinden. Die Frage der Zuständigkeit wird sich dennoch bei künftigen Musterfeststellungklagen stellen, so dass die Klärung im Rahmen des Erfahrungsaustauschs weiterhin von Bedeutung sein wird.

Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch

Aus Sicht der Verbraucherschlichtungsstellen stellt sich die Pflicht zur Ausstellung der Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch nach § 15a Absatz 3 Satz 3 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (EGZPO) zwiespältig dar. Freilich kann die Abschlusserklärung nach § 21 Absatz 1 VSBG einfach als eine solche bezeichnet werden. Die Botschaft für die Adressaten könnte jedoch den Zweck des Streitbeilegungsverfahrens (in diesen Fällen: Befriedungsversuch) durch den systematischen Verweis auf das Gericht und die Betitelung als „erfolglos“ in Frage stellen.

Da eine solche Bescheinigung überdies in der Praxis von verschwindend geringer Bedeutung ist (obligatorische Schlichtungsverfahren im Anwendungsbereich des VSBG – vermögensrechtliche Streitigkeiten bis 750 Euro nach § 15a Absatz 1 S.1 Nr. 1 EGZPO – sind landesrechtlich soweit ersichtlich nicht mehr vorgesehen) und § 253 Absatz 3 Nr. 1 ZPO dies als eine Soll-Angabe ausreichen lässt, haben sich die Verbraucherschlichtungsstellen ganz überwiegend für eine Reform der jeweiligen Vorschriften (§ 21 Absatz 2 VSBG bzw. § 9 Abs. 3 S. 6 FinSV) hinsichtlich einer Ausstellung einer solchen Bescheinigung auf Wunsch der Betroffenen ausgesprochen. Damit wäre auch für diejenigen, die einen persönlichen Nachweis darüber in Händen zu halten wünschen „es zumindest versucht zu haben“, hinreichend Rechnung getragen.

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