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Brexit: Implikationen des EU-UK TCA im Bereich des Gesellschaftsrechts

Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham)  Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham)

Die EU und das UK haben am 30.12.2020 ein Handels- und Kooperationsabkommen (EU-UK Trade and Cooperation Agreement – EU-UK TCA) unterzeichnet, das zum 1.1.2021 vorläufig in Kraft trat.

Konsequenzen für die Anerkennung und rechtliche Behandlung von Gesellschaften

Infolge des Austritts des UK aus der EU gilt im Verhältnis zwischen UK und EU-/EWR-Mitgliedstaaten keine Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV bzw. Art. 31 Abs. 1, 34 Abs. 1 EWRV) mehr. Folglich verpflichtet die Niederlassungsfreiheit Deutschland im Verhältnis zum UK auch nicht mehr zur Anwendung der Gründungstheorie (grundlegend insoweit die EuGH-Urteile Centros, Überseering und Inspire Art).

Im Verhältnis zu Drittstaaten – wie es das UK nun ist – gilt nach st. Rspr. des BGH grundsätzlich die Sitztheorie, sofern nicht aufgrund einer internationalen Übereinkunft eine Pflicht zur Anwendung der Gründungstheorie besteht.

Im EU-UK TCA finden sich zwar keine speziellen Vorschriften zum Gesellschaftsrecht und auch keine den Art. 49, 54 AEUV direkt vergleichbaren Regelungen. Das EU-UK TCA enthält jedoch äußerst umfassende Regelungen zur Liberalisierung von Investitionen (Art. SERVIN.2.1-SERVIN.2.7), die weitgehend denjenigen in Kapitel 8 CETA nachgebildet sind. Insbesondere gelten zugunsten von Investoren der anderen Vertragspartei und erfassten Unternehmen in Bezug auf establishment and operation die Prinzipien der Inländerbehandlung (national treatment – NT) und der Meistbegünstigung (most favoured nation treatment – MFN) (Art. SERVIN.2.3 Abs. 1, Art. SERVIN.2.4 Abs. 1, 2 EU-UK TCA). Jedes erfasste Unternehmen und jeder Investor einer Vertragspartei darf also im Hinblick auf establishment and operation – d.h. sowohl im Hinblick auf die Errichtung einer Niederlassung als auch auf deren Betrieb – im Gebiet der anderen Vertragspartei nicht weniger günstig behandelt werden als inländische Investoren (NT) und Investoren aus Drittstaaten (MFN) in vergleichbaren Situationen. Dies setzt aber notwendig voraus, dass ein Investor einer Vertragspartei und ein erfasstes Unternehmen von der anderen Vertragspartei als rechtsfähig anerkannt werden müssen – und zwar als juristische Person nach dem Recht der Vertragspartei, nach dem sie gegründet wurden.

Eine Ausnahme wäre aufgrund der Definition des Begriffs legal person of a Party (Art. SERVIN.1.2(k) EU-UK TCA) allenfalls zulässig für Gesellschaften, die auf dem Gebiet des UK keine substantive business operations ausüben. Dies würde aber nur sehr wenige Fälle ausschließen und zudem Praxis und Gerichte mit erheblichen Abgrenzungsproblemen belasten. Insgesamt sprechen daher die besseren Argumente dafür, im Verhältnis zum UK (weiterhin) generell die Gründungstheorie anzuwenden.

Wegfall der Bindung des UK an das EU-Gesellschaftsrecht

Eine weitere wichtige Konsequenz des Brexit ist, dass das UK mangels EU-Mitgliedschaft nicht mehr an das EU-Gesellschaftsrecht gebunden ist. Das UK hat jedoch weite Teile des EU-Gesellschaftsrechts in sein innerstaatliches Recht inkorporiert.

Gleichwohl gibt es seit dem 1.1.2021 einige wichtige Neurungen, u.a.:

  • Das UK ist nicht mehr am BRIS beteiligt.
  • Grenzüberschreitende Verschmelzungen zwischen UK-Kapitalgesellschaften und EU-/EWR-Kapitalgesellschaften auf der Basis der nationalen Umsetzungsvorschriften zur GesRRL (in Deutschland: §§ 122a ff. UmwG) sind nicht mehr möglich. Die Vertrauensschutzregelung des § 122m UmwG geht ins Leere.
  • Grenzüberschreitende Spaltungen und grenzüberschreitende Formwechsel auf der Basis der Art. 49, 54 AEUV bzw. der GesRRL sind ebenfalls nicht mehr möglich.
  • Es können keine SE, SCE und EWIV mit Sitz im UK mehr gegründet werden. SE, SCE und EWIV aus EU-/EWR-Mitgliedstaaten können ihren Sitz nicht mehr ins UK verlegen. Im UK noch existierende SE und EWIV wurden zum 1.1.2021 ipso iure in UK Societas bzw. UKEIG umgewandelt.

Ausführlich zum Ganzen demnächst J. Schmidt GmbHR 5/2021.

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