Hilfeaufruf an die FamRB-Leserinnen und -Leser: Übersehene, verschwiegene oder vergessene Anrechte im VA

Wird in einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich bei der Scheidung ein existierendes Anrecht nicht berücksichtigt, weil es nicht angegeben oder vom Gericht übersehen wurde, sieht der BGH darin keine bewusste Teilentscheidung (BGH FamRZ 2014, 1614 = FamRB 2014, 405 [Siede]). Die Rechtskraft der Entscheidung bezieht sich daher auch auf die Tatsache, dass sonstige Anrechte nicht vorhanden sind. Damit ist eine spätere Korrektur der Entscheidung durch Abänderung nach § 51 VersAusglG bzw. §§ 225 f. FamFG nicht möglich (BGH FamRZ 2013, 1642 = FamRB 2013, 353 [Siede]).

Weder kommt nach derzeitiger Rechtsprechung des BGH eine Ergänzung des Ausgangsbeschlusses nach § 43 FamFG (BGH FamRZ 2014, 1614 = FamRB 2014, 405 [Siede]) noch ein Ausgleich nach der Scheidung gemäß § 20 VersAusglG in Betracht (BGH FamRZ 2013, 1548 = FamRB 2013, 353 [Siede]). Der BGH ist der Ansicht, dass der schuldrechtliche Ausgleich keine generelle Korrekturfunktion für im Ausgangsverfahren übersehene, verschwiegene oder vergessene Anrechte hat (vgl. auch Siede, NZFam 2023, 577; Weil, NZFam 2023, 594).

Damit können in der Ausgangsentscheidung übersehene Anrechte nach derzeitiger Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr ausgeglichen werden. Dies kann für die betroffenen Beteiligten zu existenziellen Notlagen führen, insbesondere wenn sie im Scheidungsverfahren nicht anwaltlich vertreten wurden und damit eine Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts nicht für den Schaden eintritt.

Dies stellt einen dringenden Handlungsbedarf dar, da es sich um einen Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz handelt. Der Fachausschuss Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) hat daher bereits im Dezember 2022 eine Initiativstellungnahme an das BMJ gerichtet. Das BMJ hat mitgeteilt, dass die Problematik erkannt sei. Es bedarf allerdings einer Fallsammlung, da die Dunkelziffer dieser Fälle erheblich sein dürfte und das BMJ eine quantitative Grundlage für eine Ergänzung des VersAusglG benötigt.

Als Mitglied des Ausschusses Familienrecht im DAV hat sich der Verfasser bereit erklärt, eine Fallsammlung anzulegen und diese dem BMJ zur Verfügung zu stellen. Ich wäre daher dankbar, wenn mir geeignete Fälle unter meiner E-Mail-Adresse (weil@familienanwaelte-marburg.de) mitgeteilt würden.

Das Geständnis – warum Anwalt- und Richterschaft bei Teilungsordnungen genau hinschauen sollten

Was wie der (bereits mehrfach verwendete) Titel eines spannenden vielleicht auch tiefschürfenden Romans oder eines Fortbildungsseminars einer anderen fachanwaltlichen Spezies aussieht, hat gleichwohl einen familienrechtlichen Bezug. Wer jetzt aber lüstern tiefe Einblicke ins Scheidungsrecht erwartet, wird enttäuscht. Das Scheidungsrecht ist tot (oder kann sich jemand an ein streitiges Scheidungsverfahren erinnern?). Das Scheidungsfolgenrecht aber lebt, und mit ihm das Versorgungsausgleichsrecht. Von dem erwarten sich die Scheidungspartner einen mehr oder minder gelungenen halbteiligen Ausgleich des ehezeitlichen Versorgungserwerbs. Meist scheitert dieser nicht einmal am guten Willen der Scheidungswilligen, sondern „an widrigen Umständen“.

So auch in einem Fall, in dem es um die Teilung einer zertifizierten Riester-Versorgung ging, die von der Generali Deutschland Lebensversicherung AG unter dem Vertrauen schaffenden Markennamen RiesterRente STRATEGIE PLUS angeboten wird. Ihre interne Teilung sollte der 48 Jahre alten Ehefrau eine Versorgung aus einem Ausgleichswert von rd. 35.000 € und aus diesem dann mit Renteneintritt (67) eine Rente verschaffen. Gericht und ausgleichsberechtigte Ehefrau vertrauten der „Zertifizierung“ der Versorgung durch die BaFin, nur die Anwältin der Frau schaute in die Teilungsordnung der Generali und entdeckte in deren § 5 Sonderbares: Die Versorgung zu Gunsten der ausgleichsberechtigten Person sollte zu den „aktuellen Rechnungsgrundlagen“ begründet, der Ausgleichswert um die „hälftigen Kosten“ vermindert und die Versorgung aus dem so verminderten Ausgleichswert zum Zeitpunkt der Rechtskraft eingerichtet werden.

Die nach dieser „Irritation“ vom Gericht um Aufklärung gebetene Generali zierte sich etwas, um schließlich – geständnisartig – wie folgt zu formulieren:

„Im Rahmen unserer Teilungsanordnung begründen wir für die Ausgleichsberechtigte einen neuen Vertrag. Diesem liegen nicht die gleichen Konditionen wie dem Quellvertrag zugrunde. Der Rechnungszins des neuen Vertrages wäre 0,25 % anstatt wie im Quellvertrag 1,75 %. Dieses hat Auswirkungen auf die Höhe der garantierten Verzinsung des konventionell angelegten Guthabens, sowie die Höhe der garantierten Rente.“

Besser hätte man es kaum formulieren können, nur konkreter.

Allein die Absenkung des Rechnungszinses bewirkt einen Rentenverlust für die ausgleichsberechtigte Person von rund 58 % gegenüber der Quellversorgung und jedes weitere Jahr der Verfahrensverzögerung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung verschafft dem Versorgungsträger nochmals einen Gewinn von etwa 1,8 %, weil Teilhabe der ausgleichsberechtigten Person an der Wertentwicklung des Anrechts zwischen Ehezeitende und Eintritt der Rechtskraft entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gewährleistet ist (BGH v. 19.8.2015 – XII ZB 443/14, FamRZ 2015, 1869 m. Anm. Holzwarth = FamRB 2015, 407 [Norpoth]; BGH v. 7.9.2011 – XII ZB 546/10, FamRZ 2011, 1785 = FamRB 2011, 330 [Hauß]).

Es müsste daher wie folgt tenoriert werden:

„Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der <ausgleichspflichtigen Person> bei der Generali <VersNr. …> zu Gunsten der <ausgleichsberechtigten Person> bezogen auf den … (Ehezeitende) eine Versorgung aus einem Ausgleichswert in Höhe von 35.000,00 € (Kapitalwert) nach Maßgabe der Teilungsordnung des Versorgungsträgers in der Fassung vom 01.07.2020 übertragen,

mit der Maßgabe, dass abweichend von < 5. 3. Spstrich > der Teilungsordnung des Versorgungsträgers

  • auf das zu begründende Anrecht Rechnungszins und Sterbetafel der auszugleichenden Versorgung anzuwenden sind,
  • ein Abzug der Teilungskosten vom titulierten Ausgleichsbetrag unzulässig ist,
  • eine Abweichung vom gerichtlich festgelegten Ausgleichsbetrag unzulässig ist,
  • der Ausgleichswert zwischen dem … (Ehezeitende) und dem Datum der Rechtskraft der Entscheidung mit dem Zinssatz aufzuzinsen ist, mit dem auch der Ausgleichswert berechnet wurde.“

Wenn ich mich recht an die – zugegeben lange zurückliegende – Tätigkeit im Strafrecht erinnere, wirken Geständnisse nur dann strafmildernd, wenn sie ehrlich und mit „tätiger Reue“ geleistet werden. Tätige Reue könnte die Generali einfach leisten: Sie müsste nur die Teilungsanordnung der Rechtsprechung und der Rechtslage anpassen.

Solange das nicht geschehen ist, ist die Mandantschaft auf die Aufmerksamkeit von Anwalt- und Richterschaft angewiesen. Um diese Aufmerksamkeit leichter zu machen verweisen wir auf die ein weiteres Mal aktualisierte Beanstandungsliste mit nunmehr fast 300 Teilungsordnungen, die Sie hier herunterladen können: Teilungsordnungen auf dem Prüfstand_6-2023.

Kein Verlust sorgerechtlicher Kompetenzen allein aufgrund religiöser Zugehörigkeit (KG v. 5.9.2022 – 16 UF 64/22)

Der Umsetzung medizinischer Maßnahmen für ein Kind können, aus der Religionszugehörigkeit eines oder beider Elternteile folgend, Hindernisse entgegenstehen, etwa die Verweigerung auch medizinisch indizierter Bluttransfusionen. Gehört ein Elternteil jedoch der jeweils verweigernden Religionsgemeinschaft nicht an, so kann sich die Frage ergeben, ob das Kindeswohl die Übertragung der elterlichen Sorge – zumindest in Teilbereichen – auf diesen Elternteil erfordert, um im Notfall ein unverzügliches Handeln zu gewährleisten. Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich das KG befasst.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt beantragte der Vater des 2009 geborenen Kindes die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zur Vornahme einer Bluttransfusion bzw. zu Operationen, für die eine Bluttransfusion erforderlich sein könnte unter Verweis auf die Zugehörigkeit der Mutter zu den Zeugen Jehovas und deren Ablehnung entsprechender Behandlungen. Gegen die Entscheidung des Ausgangsgerichts, durch die dem Vater antragsgemäß die Entscheidungsbefugnis übertragen wurde, legte die Mutter Beschwerde ein. Der Senat hat die Ausgangsentscheidung abgeändert und den Antrag des Vaters zurückgewiesen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Antrag nicht auf § 1628 Satz 1 BGB gestützt werden könne, da es sich bei der beantragten Entscheidung nicht um eine einzelne Angelegenheit oder bestimmte Angelegenheit der elterlichen Sorge handele. Auch die Übertragung dieses Teilbereichs der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB sei nicht gerechtfertigt, da es ansonsten der Mutter verwehrt werde, bei schwerwiegenden Erkrankungen des Kindes, in eigener Verantwortung, unter Berücksichtigung des Kindeswillens und im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Vater, zum Wohl des Kindes die beste medizinische Behandlung auszuwählen. Allein aus ihrer derzeit ablehnenden Haltung könne nicht geschlossen werden, dass sie sich, sollte ein Rückgriff auf von ihr akzeptierte alternative Behandlungsmethoden nicht möglich oder nicht hinreichend erfolgversprechend sein, auf Kosten der Gesundheit oder das Leben ihres Kindes gleichwohl gegen eine Transfusion entschieden werde. Im Notfall würden sich die behandelnden Ärzte zudem am mutmaßlichen Willen des Patienten bzw. seiner Eltern orientieren. Sei dieser Wille nicht zweifelsfrei zu ermitteln, so werde vermutet, dass eine erforderliche Transfusion im wohlverstandenen Interesse des Patienten liege. Selbst soweit im Notfall nur die Mutter als allein vertretungsberechtigte Person vorhanden wäre und die Transfusion verweigere, bedürfe es vorab einer gerichtlichen Entscheidung gem. § 1666 BGB, da eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge im Raum stehe. Verbleibe keine Zeit für die gerichtliche Entscheidung, so liege ein Notfall vor, in dem der Arzt verpflichtet sei, das Leben und die Gesundheit des Kindes durch medizinisch notwendige Maßnahmen zu schützen.

In seiner Entscheidung richtet das KG den Blick auf die für die Praxis bedeutsame Differenzierung zwischen den Anwendungsbereichen des § 1628 BGB sowie des § 1671 BGB. Gerade soweit lediglich nur Teilbereiche der elterlichen Sorge im Streit sind, werden häufig die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht ausreichend beachtet.

§ 1628 BGB Norm findet ausschließlich im Zusammenhang mit konkret situativen Entscheidungen Anwendung, d.h., wenn die Eltern zu einer spezifischen Einzelangelegenheit, die für das Kind von wesentlicher Bedeutung ist, kein Einvernehmen erzielen können. Derart „punktuell-sachbezogene Konflikte“ können sich etwa auf den Besuch einer bestimmten Schule oder die Durchführung eines konkreten medizinischen Eingriffs richten. Das Gericht überträgt sodann die Entscheidungskompetenz zu der konkreten Angelegenheit jenem Elternteil, dessen Vorschlag dem Kindeswohl am besten entspricht, ohne dass im Übrigen jedoch in das Recht der elterlichen Sorge eingegriffen wird, d.h., das Gericht ist nicht zu einer eigenen Sachentscheidung befugt.

Davon abzugrenzen ist die auf § 1671 BGB gestützte Übertragung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge, d.h. etwa die Entscheidungsbefugnis zu schulischen Angelegenheiten in ihrer Gesamtheit oder der gesamten medizinischen Versorgung des Kindes. Hier intendiert die gerichtliche Entscheidung zwingend einen Eingriff in das Recht der elterlichen Sorge, d.h., auf der Grundlage der nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB durchzuführenden doppelten Kindeswohlprüfung weist das Gericht in seiner Entscheidung den beantragten Teilbereich der Sorge einem Elternteil zur Ausübung zu, so dass dieser Elternteil künftig in diesem Teilbereich zu allen Einzelfragen allein entscheidungsbefugt ist.

Ein auf § 1671 BGB gestützter Antrag enthält daher immer als „Minus“ auch einen Antrag nach § 1628 BGB, so dass auch eine Umdeutung möglich ist.

Vorzeitige Rentenangleichung zum 1.7.2023 zu erwarten

Bis vor kurzem war eine Rentenerhöhung von 3,5% im Westen zum 1.7.2023 erwartet worden, nun sollen es nach der Ankündigung des Bundesarbeitsministers 4,39% werden. Aber für das Familienrecht noch interessanter ist die angekündigte Erhöhung um 5,86% im Osten mit der überraschenden Folge, dass der neue aktuelle Rentenwert danach sowohl im Westen als auch im Osten ab 1.7.2023 jeweils 37,60 € betragen wird.
Die ursprünglich bald nach der Wiedervereinigung erwartete Rentenangleichung zwischen Ost und West hat sich mehr als dreißig Jahre hingezogen, nun scheint sie – überraschend – bereits am 1.7.2023 und damit sogar ein Jahr früher Wirklichkeit zu werden als nach dem bereits beschlossenen Gesetz zum Abschluss der Rentenüberleitung vom 17.7.2017 (BGBl 2017 I, 2575) , mit dem auch §§ 16 Abs. 3 und 43 Abs. 2 VersAusglG geändert worden sind, jedoch erst mit Wirkung vom 1.7.2024. 
Deshalb wird man wohl bis zum 30.6.2024 den § 16 Abs. 3 VersAusglG noch in seiner derzeit geltenden Fassung anwenden und ggf. nach dessen im kommenden Jahr wegfallenden Satz 2 tenorieren müssen.
Inwieweit der ebenfalls noch bis 30.6.2024 geltende § 120f Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, wonach die bis zum 30.6.2024 im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet erworbenen Anrechte nicht als Anrechte gleicher Art im Sinne des § 10 Abs. 2 VersAusglG gelten, ab 1.7.2023 noch Bedeutung behält, erscheint allerdings fraglich.

Versorgungsausgleich & Barwertberechnung mit ChatGPT?

Versorgungsausgleich & Barwertberechnung mit ChatGPT?

Im Jahr 2020 hat Daniel Kehlmann versucht, im Dialog mit einem mit künstlicher Intelligenz bestückten Rechner eine Kurzgeschichte zu schreiben. Die Kurzgeschichte dieses Scheiterns ist unter dem Titel „Mein Algorithmus und Ich“ erschienen.

Der augenblickliche Hype um ChatGPT hat mich animiert, seine versorgungsausgleichsrechtliche Leistungsfähigkeit zu testen. Das literarische Scheitern der KI bei der Koproduktion einer Kurzgeschichte im Kopf (und Bücherschrank) mache ich die Fallprobe:

Auskunft eines betrieblichen Versorgungsträgers über einen ehezeitlichen Versorgungserwerb von 446 € reine Altersrente im Monat, Alter des Mannes 50 Jahre, Renteneintrittsalter 67. Der Versorgungsträger gibt als Rechnungszins BilMoG-10 an, mehr nicht. Auszugleichen ist also eine Rente in Höhe von 223 € monatlich.

ChatGPT startet und ist – es ist Sonntag – gerade einmal nicht überlastet. In die Eingabezeile tippe ich ein:

Barwert Rente 2.676 € jährlich für 50-jährigen Mann ab Renteneintrittsalter 67, Rechnungszins BilMoG-10, Stichtag 31.12.2022

Es dauert einige Sekunden und das Programm antwortet:

Der Rechnungszins BilMoG-10 bezieht sich auf den Zinssatz, der gemäß dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz von 2009 für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen herangezogen wird. Der Zinssatz wird von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht und wird jährlich aktualisiert. Zum Stichtag 31.12.2022 beträgt der Rechnungszins BilMoG-10 1,02 %. [das ist falsch, richtig wäre 1,78 %].

Um den Barwert einer Rente von 2.676 € jährlich eines 50-jährigen Mannes mit einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren und einem Rechnungszins BilMoG-10 zum Stichtag 31.12.2022 zu berechnen, müssen wir die folgenden Schritte durchführen:

  1. Bestimme die Anzahl der Zahlungen, die während der Rentenzeit gemacht werden, d.h. die Anzahl der Jahre, die der Mann in Rente sein wird. Hier beträgt die Rentenzeit 67 – 50 = 17 Jahre.[das ist falsch, die Anwartschaftszeit beträgt 17 Jahre, die Rentenzeit rd. 20,6 Jahre].
  2. Berechne den Barwert der jährlichen Rentenzahlungen, indem du jeden Betrag durch den entsprechenden Diskontfaktor dividierst, der sich aus dem Rechnungszins und der Anzahl der Zahlungen ergibt. Der Diskontfaktor kann mithilfe der Formel (1 + r)^-n berechnet werden, wobei r der Rechnungszins und n die Anzahl der Zahlungen ist.
  3. Der Diskontfaktor für das erste Jahr beträgt (1 + 0,0102)^-1 = 0,9899. Der Diskontfaktor für das zweite Jahr beträgt (1 + 0,0102)^-2 = 0,9798. Dies wird für jedes Jahr der Rentenzeit durchgeführt.
  4. Addiere alle Barwerte der jährlichen Rentenzahlungen zusammen, um den Gesamtbarwert der Rente zu erhalten.

Hier ist die Berechnung:

Barwert der Rente = 2.676 x ((1 – (1 + 0,0102)^-17)/0,0102) x (1/ (1 + 0,0102)^1) Barwert der Rente = 2.676 x 13,626 x 0,9899 Barwert der Rente = 36.884,71 €

Daher beträgt der Barwert einer Rente von 2.676 € jährlich eines 50-jährigen Mannes mit einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren und einem Rechnungszins BilMoG-10 zum Stichtag 31.12.2022 etwa 36.884,71 €.

Ein Blick in die Auskunft des Versorgungsträger führt zu Irritationen. Dieser gibt als von ihm errechneten Kapitalwert für die externe Teilung 35.130 € an, teilt aber keinen Rententrend mit. Erst der Blick in die Versorgungsordnung gibt Klarheit, der Rente liegt eine Leistungsdynamit (Rententrend) von 1 % zugrunde.

Also kontrolliere ich:

  1. Der BilMoG-10 Zinssatz beträgt zum Stichtag 31.12.2022 nicht 1,02 %, sondern 1,78 %.
  2. Die Anwartschaftszeit von 17 Jahren ist richtig angenommen, die Leistungszeit teilt das Programm nicht mit, ist aber offensichtlich mit 20 Jahren angenommen worden; das ist vertretbar, nach der Generationensterbetafel wären 20,6 Jahre zutreffend.

Und dann kontrolliere ich die Berechnung mit den Richttafeln Heubeck-2018-G[1] und ermittle für den von ChatGPT angenommenen Rechnungszins von 1,02 % einen Barwertfaktor für die reine Altersrente von 14,380 und damit einen Ausgleichswert von 38.480 €. Das Programm Kapitalwertkontrolle 2023[2] zeigt einen Ausgleichswert von 37.423 € an ChatGPT liegt also – unter Annahme des zu niedrigen Rechnungszinses – nicht verkehrt.

Mit dem richtigen BilMoG-10-Zins von 1,78 % errechnet sich nach Heubeck ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 31.140 € und mit dem Programm Kapitalwertkontrolle 2023 von 30.496 € und nach ChatGPT?

„Daher beträgt der Barwert einer Rente von 2.676 € jährlich eines 50-jährigen Mannes mit einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren und einem Rechnungszins von 1,78 % etwa 31.468,28 Euro.“

Damit kann der Familienrechtler leben.

Rechnet man nun noch die Leistungsdynamik von 1 % Rentensteigerung pro Jahr ab Renteneintrittsalter ein, ergibt sich bei Heubeck ein Barwert von 35.077 € und mit dem Programm Kapitalwertkontrolle ein Barwert von 33.778 €. Der vom Versorgungsträger mitgeteilte Barwert von 35.130 € geht also in Ordnung.

So ganz ersetzt ChatGPT den Versorgungsausgleichsrechtler aber noch nicht. Wünscht man eine Berechnung unter Einschluss von Invaliditäts- und Hinterbliebenenabsicherung (60 %) und/oder einer Leistungsdynamik von 1 %, dauert es deutlich länger (offenbar ziert sich das Programm ein wenig), bis dann unsinnige Ergebnisse produziert werden. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Das Programm lernt ja noch und es ist erst ein paar Monate alt.

Ihnen wird beim ersten Hinschauen auf die von ChatGPT verwendeten Formeln auch sicher aufgefallen sein, dass sich in die Berechnung einige „Flüchtigkeitsfehler“ eingeschlichen haben. Das Ergebnis ist aber recht passabel. Zufall?

Und was ist jetzt mit meinem Fall? Der Versorgungsträger will die externe Teilung. Soll er sie aus seinem halbwegs plausiblen Ausgleichswert haben. In der gesetzlichen Rentenversicherung als Zielversorgung liegt der Rentenertrag für meine Mandantin rd. 73 % über dem Rentenertrag aus der Quellversorgung. Ich kann es einfach nicht lassen und frage ChatGPT nach der richtigen Zielversorgung. Da schwächelt ChatGPT:

Der Versorgungsausgleich ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Familienrechts und soll sicherstellen, dass bei einer Scheidung die während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche beider Ehepartner ausgeglichen werden. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: die interne und die externe Teilung. … Bei der externen Teilung werden die Rentenanwartschaften auf einen anderen Rentenversicherungsträger übertragen.

Wählt man die externe Teilung, so muss man sich für eine Zielversorgung entscheiden. … Die Wahl der Zielversorgung sollte wohlüberlegt sein, da sie Einfluss auf die Höhe der späteren Rente haben kann.

Bei der Wahl der Zielversorgung sollte man darauf achten, dass die Rentenversicherung solide und zuverlässig ist und eine ausreichende Rendite erwirtschaftet, um später eine angemessene Rente zu garantieren. …

Es ist empfehlenswert, sich von einem Fachanwalt für Familienrecht oder einem unabhängigen Versicherungsmakler beraten zu lassen, um die bestmögliche Wahl der Zielversorgung zu treffen.

ChatGPT setzt also doch (noch) auf „natürliche Intelligenz“. Wie lange noch? Ich schau in einem Jahr noch einmal nach und werde berichten.

PS: Wer es genau wissen will, kann die Berechnung anhand der nachfolgenden Tabellen prüfen (drauf klicken und es kommt eine größere Version):

[1] Das Programm kann für rd. 1.000 € käuflich erworben werden.

[2] Das Programm kann kostenlos unter https://www.famrb.de/muster_formulare.html beim FamRB heruntergeladen werden.

Einladung zur Kaffeerunde VA

Jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat von 14:00 bis 15:00 Uhr,

moderiert und organisiert von RA Jörn Hauß:

„Kaffeerunde Versorgungsausgleich“

Wir erörtern in einer Online-Schaltung alltägliche und manchmal auch spezielle

Fragen des Versorgungsausgleichs. Kostenlos und locker.

Sie können sich gern dazuschalten:

https://global.gotomeeting.com/join/205481741

Sie können sich auch über ein Telefon einwählen.
(Bei Geräten, die diese Funktion unterstützen, ist die sofortige Teilnahme über eine der unten aufgeführten Direktwahlnummern möglich.)

Deutschland: +49 891 2140 2090
– Direktwahl: +4989121402090,,205481741#

Zugangscode: 205-481-741

Wenn Sie in den Email-Verteiler zur „Kaffeerunde“ aufgenommen werden möchten, ganz einfach Mail an hauss@anwaelte-DU.de.

Teilungsordnungen auf dem Prüfstand

Der FamRB hatte um Hilfe gebeten (https://blog.otto-schmidt.de/famrb/2022/08/16/hilfeaufruf-an-die-famrb-leser-gefahr-aus-der-teilungsordnung/) und hat Hilfe bekommen und bekommt sie auch weiterhin, danke dafür.

Der FamRB revanchiert sich und präsentiert Ihnen eine Liste mit mittlerweile dank Ihrer tatkräftigen Unterstützung nahezu 300 Teilungsordnungen. Nur ein kleiner Bruchteil dieser Teilungsordnungen sind aus unserer Sicht wirklich in Ordnung und nicht zu beanstanden. Zudem haben wir in diese Liste Entscheidungen der Gerichte zu beanstandungswürdigen Teilungsordnungen aufgenommen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine beeindruckende und für die Versicherer mindestens peinliche Anzahl.

Das werthaltigste Problem ist die Ziffer 5 der Teilungsordnungen, die manchmal auch an anderer Stelle zu finden ist und in der geregelt ist, dass die zu Gunsten der ausgleichsberechtigten Person zu begründende Versorgung zu den „im Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung geltenden aktuellen Versicherungsbedingungen“ begründet wird. Wenn im Tenor einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich auf eine derartige Teilungsordnung unkorrigiert verwiesen wird, sollten Anwälte am besten gleich ihre Haftpflichtversicherung informieren. Im statistisch häufigsten Scheidungsfall eines 50-jährigen Mannes, der im Jahr 1995 eine private oder als betriebliche Direktversicherung begründete Rentenversicherung abgeschlossen hat, führt das zu einem Versorgungsverlust der ausgleichsberechtigten Person von bis zu gut 73 % oder anders ausgedrückt: Aus 10.000 € Ausgleichswert erhält die ausgleichsberechtigte Person statt rd. 131 € Monatsrente nur rd. 50 €. Leider profitiert davon in unserem Fall nicht der Mann, sondern die Versicherung. Es liegt daher auch im Interesse der ausgleichspflichtigen Person, darauf zu achten, dass eine solche Vernichtung ehelich erworbenen Vermögens unterbleibt.

Daneben findet sich Erstaunliches:

Viele Teilungsordnungen ermöglichen einen „doppelten Abzug der Teilungskosten“, indem sie diese bereits bei der Ermittlung des dem Gericht vorgeschlagenen Ausgleichswerts berücksichtigen und dann formulieren, dass die Versorgung zu Gunsten der ausgleichsberechtigten Person aus dem vom Gericht festgelegten Ausgleichswert „abzüglich der Teilungskosten“ begründet wird. In Großbritannien wäre das eine Straftat (contempt of court), in Deutschland nur ein lohnendes Geschäft, weil es kaum jemand merkt. Wie soll die ausgleichsberechtigte Person feststellen, ob die zu ihren Gunsten zu begründende Versorgung aus dem gerichtlich festgelegten Ausgleichswert von 50.000 € oder 49.500 € begründet wurde?

Auch behalten sich manche Versorgungsträger vor, den vom Gericht titulierten Ausgleichswert eigenmächtig zu korrigieren, indem Veränderungen des Ausgleichswerts zwischen Ehezeitende und Rechtskraftzeitpunkt vom Versorgungsträger in den Ausgleichswert eingepflegt werden.

Und schließlich – dies könnte die Praxis leicht korrigieren – nehmen es einige Versorgungsträger mit der Teilhabe der ausgleichsberechtigten Person an der Wertentwicklung zwischen Ehezeitende und Rechtskraft „nicht so genau“. Sie begründen aus dem gerichtlich festgelegten Ausgleichswert die Versorgung zum Zeitpunkt der Rechtskraft und nicht „bezogen auf das Ehezeitende“. Wenn da die Verzinsung des Ausgleichswerts in diesem Zeitraum nicht vom Gericht angeordnet wurde, kann bereits bei einer Verfahrenslaufzeit von nur zwei Jahren eine Versorgungsverlust von fast 10 % auftreten.

In der Liste der Teilungsordnungen haben wir zunächst unser Augenmerk nur auf die berüchtigte Ziffer 5 (s.o.) gerichtet. Erst später fiel auf, dass auch andere Punkte kritikwürdig sind. Nach Abschluss unserer Sammlung werden wir die Teilungsordnungen nochmals auf die weiteren Kritikpunkte überprüfen und das Ergebnis dann neu werten und publizieren.

Vorab nur schon einmal ein „Mustertenor“ mit einer Maßgabeanordnung, der die wichtigsten Probleme einer Teilungsordnung vermeidet:

„Zu Lasten des Anrechts der <ausgleichspflichtigen Person> bei der <Versorgungsträger nebst Vers.-Nr.> wird zu Gunsten der <ausgleichsberechtigten Person> bezogen auf den <Ehezeitende> eine Versorgung aus einem Ausgleichswert in Höhe von <#.###.##0 € (Kapital/Rente)> nach Maßgabe der Teilungsordnung <des Versorgungsträgers in der Fassung vom …> mit der Maßgabe begründet, dass

  • abweichend von <> der Teilungsordnung auf das zu begründende Anrecht Rechnungszins und Sterbetafel der auszugleichenden Versorgung anzuwenden sind und
  • abweichend von <Ziff. … > der Teilungsordnung ein Abzug der Teilungskosten vom titulierten Ausgleichsbetrag unzulässig ist und
  • abweichend von <> der Teilungsordnung das zu begründende Anrecht an der Wertentwicklung zwischen Ehezeitende und der Rechtskraft der Entscheidung teilzuhaben hat und der gerichtlich festgelegte Ausgleichswert mindestens mit dem Rechnungszins der auszugleichenden Versorgung zu verzinsen ist.“

Abschließend noch zwei Bitten:

  • Schicken Sie uns Ihnen vorliegende Teilungsordnungen, die in der Liste nicht erfasst sind, auch weiterhin ein. Die Liste wird ständig weiter aktualisiert und steht in aktualisierter Form zum Download bereit.
  • Vergessen Sie bitte nie, im Fall einer externen Teilung die Verzinsung des Ausgleichswerts zwischen Ehezeitende und Rechtskraft zu beantragen. Nur bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist das entbehrlich, weil das auszugleichende Anrecht dann bezogen auf das Ehezeitende begründet wird und an der Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung teilnimmt (gemeinerweise kann aber u.U. auch hier die Verzinsung günstiger sein).

Zu der aktuellen Liste kommen Sie hier: Beanstandungsliste Teilungsordnungen 1-2023!

 

Online-Dossier: Die große Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Am 1.1.2023 ist das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft getreten. Es bleibt „kein Stein auf dem anderen“, alles ist neu strukturiert, die Paragrafen sind „gewandert“. Neben der grundlegenden Modernisierung des Rechts der Vormundschaft über Minderjährige, der Pflegschaft sowie der Betreuung Volljähriger kommt ein Notvertretungsrecht für Ehegatten in medizinischen Angelegenheiten und die Vorsorgevollmacht erhält mit § 1820 BGB n.F. einen eigenen Paragrafen.

Wir bieten Ihnen – in diesem Online-Dossier für Sie zusammengestellt – in unseren Werken und Datenbanken alle benötigten Arbeitsmittel – von der hilfreichen Synopse bis hin zur profunden Kommentierung, um sich im neuen Recht schnell zurechtzufinden.

FamRB-Aufsätze zum Familienrecht

  • Sarres, Aktuelle Aspekte zur Vorsorgevollmacht, FamRB 2023, 38
  • Kemper, Die große Reform: Das Notvertretungsrecht für Ehegatten kommt, FamRB 2021, 260
  • Bartels, Die große Reform: Primat der Wünsche des Betreuten – die neuen Vorschriften des Betreuungsrechts, FamRB 2021, 204
  • Bartels, Die große Reform: Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht, FamRB 2021, 113

FamRZ-Aufsatzserie zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

  • Böhm, Die Suspendierung von Vorsorgevollmachten nach dem neuen § 1820 Abs. 4 BGB, FamRZ 2022, 1253
  • Krämer, Die neue Funktion der Betreuungsbehörden nach der Reform des Betreuungsrechts, FamRZ 2022, 927
  • Dodegge, Vom Wohl des Betroffenen zu dessen Wünschen und Willen – neue Maßstäbe für die Betreuertätigkeit, FamRZ 2022, 844
  • Reh, Die Auswahl und Typisierung des Betreuers im Lichte des zum 1.1.2023 in Kraft tretenden Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ 2022, 673
  • Wagner, Neufassung der Art. 7, 15, 17b II und 24 EGBGB durch das Gesetz zur Reform des Betreuungs- und Vormundschaftsrechts, FamRZ 2022, 405
  • Gottwald, Die neue Prozessfähigkeit bei rechtlicher Betreuung, FamRZ 2022, 331
  • Schneider, Bestimmungsbefugnisse des Betreuers im Lichte der Reform des Betreuungsrechts (insbesondere Aufenthalts- und Umgangsbestimmung, FamRZ 2022, 1
  • Croon-Gestefeld, Das gesetzliche Notvertretungsrecht von Ehegatten und seine kollisionsrechtliche Anknüpfung, FamRZ 2021, 1939
  • Kurze, Reform ist gut – Kontrolle ist besser?, FamRZ 2021, 1934
  • Socha, Die Auskunftspflicht des Betreuers gegenüber Angehörigen nach dem neuen § 1822 BGB, FamRZ 2021, 1861
  • Hoffmann, Der zusätzliche Pfleger nach § 1776 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ 2021, 1773
  • Veit, Die Rechtsstellung der Pflegeperson nach dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sowie dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ 2021, 1501
  • Müller-Engels, Vorsorgevollmacht und Kontrollbetreuung in der Reform – was kommt, was bleibt?, FamRZ 2021, 645
  • Christl, Akzeptanz und Qualität ehrenamtlicher Betreuung in der Reform, FamRZ 2021, 81
  • Socha, Sicherheit statt Sollbruchstelle – der „vorläufige Vormund“ in der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, FamRZ 2021, 87
  • Wedel/Kraemer/Hyla, Die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht aus Sicht der Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen, FamRZ 2021, 77
  • Dutta, Handlungsbefugnisse von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge – ein weiterer Versuch für einen neuen § 1358 BGB, FamRZ 2020, 1881
  • Schneider, Die Neuregelung des Betreuungsrechts, FamRZ 2020, 1796
  • Dürbeck, Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 25.9.2020, FamRZ 2020, 1789
  • Münch, Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts: Vermögensverwaltung, FamRZ 2020, 1513

Beiträge aus der Zeitschrift Rpfleger zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

  • Felix, Die Genehmigungstatbestände im neuen Betreuungsrecht (Teil 1), Rpfleger 2022, 541
  • Luther, Jahresgebühren in Betreuungssachen, Rpfleger 2022, 289
  • Harm, Gerichtsgebühren beim sog. Behindertentestament, Rpfleger 2022, 229
  • Hofer, Streit um die Gerichtsgebühren beim sog. Behindertentestament kontra Fürsorge und Aufsicht des Betreuungsgerichts, Rpfleger 2021, 677
  • Harm, Die Reform des Betreuungsrechts – Teil 1: Neues Verfahren zur Wohnungsaufgabe, Rpfleger 2021, 613
  • Harm, Die Entwicklung im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrecht seit 2019 bis Mai 2021 (ohne Vergütungsrecht), Rpfleger 2021, 556
  • Christl , Umsetzung der Reformziele im Vorgriff auf die Betreuungsrechtsreform zum 1.1.2023, Rpfleger 2021, 549
  • Gojowczyk, Zur funktionellen Zuständigkeit für die Abgabe des Betreuungsverfahrens an ein anderes Gericht (§§ 4, 273 FamFG), Rpfleger 2021, 463
  • Felix, Das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung, Rpfleger 2019, 624

 


 

Aus Erman, BGB Kommentar

online first

Infolge der durch die Reform erfolgten Neustrukturierung sind die Vorschriften im gesamten Abschnitt 3 umnummeriert worden. In seiner Neukommentierung der §§ 1773 bis 1888 BGB erläutert Prof. Dr. Kai Schulte-Bunert eingehend die neuen Regeln zur Vormundschaft. Prof. Dr. Andreas Roth kommentiert die Vorschriften zur Pflegschaft sowie das neue Betreuungsrecht und geht detailliert auf die zahlreichen Änderungen ein.

Titel 1 – Vormundschaft (§§ 1773-1808)

Titel 2 – Pflegschaft für Minderjährige (§§ 1809-1813)

Titel 3 – Rechtliche Betreuung (§§ 1814-1881)

Titel 4 – Sonstige Pflegschaft (§§ 1882-1888)

 

BGB

 


 

Aus Prütting/Helms, FamFG, online:

Insgesamt wurden durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht 43 FamFG-Vorschriften geändert. Bei einigen Vorschriften wurden lediglich die dort erwähnten und durch die Reform geänderten BGB-Vorschriften angepasst. In der Auflistung finden Sie die Normen, die sich vor allem inhaltlich durch die Reform (und dessen „Reparaturgesetz“) geändert haben:

 

FamFG

 


 

 

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Düsseldorfer Tabelle 2023 (Erwiderung auf Schwamb v. 20.12.2022)

Schwamb greift in seinem Beitrag die zu den Kontroversen bekannten Argumente auf, vernachlässigt dabei aber, dass sich die strittigen Punkte deshalb ergeben, weil die gesetzlichen Grundlagen der einzelnen Berechnungen längst nicht mehr mit den aus den Anfangsjahren des Unterhaltsrechts stammenden Maßstäben vergleichbar sind. Die strukturellen Veränderungen der letzten Jahrzehnte erfordern es, dass die Rechtsprechung die bisher angewandten Methoden auf ihre Eignung hinterfragt und die gewonnenen Ergebnisse auf ihre Angemessenheit und Stimmigkeit im Gesamtsystem überprüft.

Der um die Differenz zwischen zweiter und dritter Altersstufe erhöhte Bedarf volljähriger Kinder war schon seit den 1980er Jahren gebräuchlich (vgl. Hammer Leitlinien, Ziff. 18, FamRZ 1988, 1017); die Rechtsprechung zur Bemessung des Wohnkostenanteils mit 20 % des Tabellenwerts reicht zumindest bis in die 1990er Jahren zurück (vgl. Münch. Leitlinien 1996 Ziff. 4.1, FamRZ 1995, 1551). In dieser Zeit galt für die Eingangsstufe der Düsseldorfer Tabelle der Regelbedarf (§ 1515f BGB), dessen Höhe letztlich nicht durch ein wie auch immer berechnetes Existenzminimum, sondern durch die Leistungsfähigkeit bei kleinen Einkommen geprägt war (instruktiv BR-Drucks. 271/70). Dieselben Erwägungen galten auch noch für das Kindesunterhaltsgesetz von 1998 (BT-Drucks. 13/7338, 22; BT-Drucks. 13/9596, 31). Einen Bezug zum Existenzminimum stellte erstmals das Änderungsgesetz vom 2.11.2000 mit der Neufassung des § 1612b Abs. 5 BGB her (BT-Drucks. 14/3781, 8). Das Unterhaltsänderungsgesetz von 2008 ersetzte schließlich die sachwidrige 135 %-Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB (BVerfGE 108, 52 Rz. 54) durch den steuerlichen Kinderfreibetrag, um den Kindesunterhalt anhand einer bundeseinheitlich geltenden Pauschale zu bestimmen. Dieser Freibetrag beruhe – so die Gesetzesbegründung – auf konkreten Zahlen zum Lebensbedarf und den Wohnkosten, so dass die Vorgaben für die Unterhaltspflichtigen und -berechtigten unmittelbar einsichtig und nachvollziehbar seien (BT-Drucks. 16/1830, 27). Dies gilt ohne weiteres für den offen ausgewiesenen Teilbetrag der Wohnkosten. In der Summe entsprechen 100 % des Mindestunterhalts dem vom Gesetz angestrebten Ergebnis; hier nicht erfasste Bedarfe begründen ohnehin einen Zusatzbedarf. Allerdings ist es mehr als nur ein Schönheitsfehler, wenn die gesetzlich vorgegebene Spreizung des Mittelwerts die methodischen Mängel der früheren Regelung beibehält und so das angestrebte Normziel für die jüngeren und älteren Kinder verfehlt. Dies zu korrigieren ist indes Aufgabe des Gesetzgebers. Andererseits kommen die Gerichte nicht daran vorbei, ihrerseits zu prüfen, ob angesichts dieses Befunds für volljährige Kinder eine nochmals höhere Steigerungsrate sachgerecht ist und das auf diese Weise ermittelte Ergebnisse dem vom Gesetz angestrebten Ziel eines existenzsichernden Mindestbedarfs entspricht. Es befremdet in der Tat, wenn sich für volljährige Schüler ein geringerer Bedarf errechnet, als er für die nur etwas jüngeren Geschwister gelten soll. Insofern gibt es gute Gründe, nicht allein auf den sozialrechtlichen Mindestbedarf abzustellen, zumal der Gesetzgeber mit der Privilegierung des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB von vergleichbaren Lebensverhältnissen der noch in der Schulausbildung befindlichen Kinder ausgegangen ist. Dies rechtfertigt es, an dem – ohnehin schon erhöhten – Bedarf der 3. Altersstufe festzuhalten. Wer aber ungeachtet der veränderten Bezugsgrößen die bisherige Praxis eines um nochmals 8 % erhöhten Tabellensatzes beibehalten will, muss schon begründen, weshalb erst diese Berechnung zum existenznotwendigen Barbedarf führt. Man kann der Meinung sein, dass Jugendliche und junge Erwachsene einen höheren Wohnbedarf haben als Kleinkinder und entsprechendes auch für den persönlichen Schulbedarf gelten solle. Persönliche Überzeugungen eignen sich jedoch ebenso wenig für eine sachbezogene Begründung wie der Verweis auf eine über allen Instanzen hinweg unverändert praktizierte Rechtsprechung. Vielmehr wären die einzelnen Positionen anhand empirisch belegter Werte konkret zu beziffern.

Für den Bedarf minderjähriger Kinder bezieht sich das Gesetz explizit auf die Maßstäbe und Methoden des Existenzminimumberichts. Dieser entspricht sachlich den „sozialrechtlichen Grundsätzen“, auf die sich die Rechtsprechung auch ansonsten zur Bemessung von Mindestbedarf und Selbstbehalt stützt. Weshalb sollen diese Grundsätze allein beim Unterhalt für volljährige Kinder nicht gelten?

Düsseldorfer Tabelle 2023 (Erwiderung zu Schürmann FamRB 2023, 34)

„Alle Jahre wieder“ eine neue Düsseldorfer Tabelle; Heinrich Schürmann beschreibt es im Blog und in FamRB 2023, 34 zutreffend, weshalb das inzwischen erforderlich ist, und auch seiner Einschätzung, dass angesichts der fälligen Erhöhung der Selbstbehalte und der gleichzeitigen deutlichen Erhöhung der Bedarfsbeträge in der nochmals geänderten MindestunterhaltsVO 2023 eine Ausrichtung der Tabelle auf nur noch einen Berechtigten dieses Mal angezeigt gewesen wäre (anders als bei der Entnahme einer Einkommensgruppe vor 5 Jahren, vgl. damals kritisch Schwamb FamRB 2018, 67), kann ich folgen, denn der Abstand zwischen den Selbstbehalten und der zweiten Altersstufe ist nun so gering, dass eine Aufstufung bei nur einer unterhaltsberechtigten Person praktisch nicht mehr in Frage kommt.
Kritikwürdig sind und bleiben dagegen Schürmanns Ausführungen zur Bedarfssituation beim Kindesunterhalt in allen vier Altersstufen, insbesondere der von ihm weiterhin abgelehnten vierten, über deren Erhalt in vermindertem Abstand zur dritten Altersstufe jedoch ein in der Kommission mehrheitlich getragener Kompromiss vor drei Jahren zustande gekommen ist. Die Differenz liegt darin, dass Schürmann – insoweit abweichend von der gesetzlichen Regelung und auch der Rechtsprechung des BGH – eine vollständige Übereinstimmung mit der sozialhilferechtlichen Lage herstellen will. Gemeinsam ist beiden Rechtsgebieten aber nur der Ausgangspunkt des steuerbefreiten Existenzminimums, nach dem sich auch der Mindestunterhalt der zweiten Altersstufe richtet. Davon 87% für die erste Altersstufe und 117% für die dritte Altersstufe sind die gesetzliche Regelung, die man kritisieren kann, aber bei der alljährlichen Anpassung der Düsseldorfer Tabelle zugrunde zu legen ist. Schürmanns Kritik, dass 87% für die erste Altersstufe zu wenig, 117% für die dritte und 125% für die vierte Altersstufe dagegen zu viel seien, beruht inhaltlich im Wesentlichen auf seiner Annahme, dass der Wohnbedarf eines Kindes in allen Altersstufen unverändert bei derzeit 120 € liege.  Entgegen seiner Ansicht entspricht das aber nicht der Rechtslage im Unterhaltsrecht, insbesondere auch nicht den von ihm dafür in FamRB 2023, 35 unter Fußnoten 9, 10 zitierten beiden Entscheidungen des BGH vom 29.9.2021 (XII ZB 474/20 = FamRZ 2021, 1965 = FamRB 2022, 9 [M. Schneider]) und vom 18.5.2022 (XII ZB 325/20 = FamRZ 2022, 1366 = FamRB 2022, 342 [Schwamb]). Im Gegenteil liegt diesen beiden Entscheidungen sogar ausdrücklich zugrunde, dass 20% des jeweiligen Unterhaltsbedarfs eines Kindes nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile den Wohnbedarf ausmachen und sich dieser somit ausdrücklich auch nach dem steigenden Lebensalter richtet (gerade anders als nach der abgelehnten, früher teilweise vertretenen Pro-Kopfberechnung). Auch wenn die Verwirklichung dieses Wohnbedarfs sicher nicht immer zeitgleich mit Erreichen der nächsten Altersstufe umgesetzt wird, dürfte es nicht zweifelhaft sein, dass ein Jugendlicher einen höheren Wohnbedarf hat als ein Kleinkind. Jedenfalls entspricht das der unterhaltsrechtlichen Rechtslage (s. o.). Soweit Schürmann die 4. Altersstufe ganz ablehnt, ja sogar für die 18-jährigen einen niedrigeren Bedarf errechnet als für die 12-17-jährigen Jugendlichen, ist seiner Argumentation schon wiederholt entgegen getreten worden (vgl. Schwamb FamRB 2018, 67 ff., 69 und im Experten-Blog vom 21.7.2021 Der Familien-Rechtsberater – Blog (otto-schmidt.de) . Dass in der Tabelle für die 18-jährigen (FamRB 2023, 35) nicht einmal die 15 € für gesellschaftliche Teilhabe auftauchen, die mit Volljährigkeit auf jeden Fall deutlich ansteigt, und auch 3 € für Ausflüge und 14,50 € für den Schulbedarf im letzten Jahr vor dem Abitur untersetzt sind, nimmt dieser Zusammenstellung bereits jede Überzeugungskraft. Auch hier gilt wieder, dass die unterhaltsrechtliche Sicht nicht mit der sozialhilferechtlichen verglichen werden darf, zumal der Sozialhilfesatz für die nicht in Berufsausbildung stehenden arbeitslosen jungen Erwachsenen nicht deren Bedarf entspricht und einen gewissen „Strafcharakter“ hat.  Zum wiederholten Mal muss schließlich der aufrechterhaltenen Auffassung widersprochen werden, ein „zu hoch angesetzter Bedarf im Mangelfall“ benachteilige die jüngeren Geschwister. Diese Sichtweise übersieht weiterhin, dass der Einsatzbetrag im Mangelfall der jeweilige Zahlbetrag nach Abzug des Kindergeldes ist (ausführlich Schwamb FamRB 2018, 67 ff., 70). Damit liegt der Einsatzbetrag der privilegierten Volljährigen sogar mit der 4. Altersstufe noch deutlich unter dem der Jugendlichen in der 3. Altersstufe und gerade noch einen Euro über dem der 2. Altersstufe. Auf das Rechenbeispiel im Anhang III. der Frankfurter Unterhaltsgrundsätze 2023  http://www.hefam.de/DT/ffmAPfr.html wird insoweit verwiesen. Von einer Benachteiligung der minderjährigen Geschwister im Mangelfall kann deshalb keine Rede sein.

Last not least überzeugt auch nicht die allerdings von allen Oberlandesgerichten inzwischen übernommene Streichung des „großen“ Selbstbehalts für den Eltern- und Großelternunterhalt (befürwortend Schürmann FamRB 2023, 34 ff, 37 f.). Immerhin enthalten die Frankfurter Unterhaltsgrundsätze noch die Beträge für den Enkelunterhalt (Nr. 21.3.4 und siehe dort auch Nr. 22.3). Das Angehörigenentlastungsgesetz hat eine völlig andere Bedeutung als die Selbstbehalte im Unterhaltsrecht (siehe bereits früher zu § 43 SGB XII: BGH v. 8.7.2015 – XII ZB 56/14, FamRZ 2015, 1467 Rz. 47, 48 = FamRB 2015, 330 [Hauß]). Sofern ein zum Unterhalt für seine Eltern grundsätzlich Verpflichteter mit einem Bruttoeinkommen von knapp über 100.000 Euro herangezogen werden soll, wären die früher von der Rechtsprechung anhand des dafür gebildeten großen Selbstbehalts, über dessen weitere Anpassung ggf. zu diskutieren wäre, entwickelten Grundsätze und vor allem der damit verbundene Familienselbstbehalt (siehe dazu weiterhin Nr. 22.3 der Frankfurter Unterhaltsgrundsätze) immer noch sinnvolle Instrumente für die Praxis, denn auch mit einem solchen Bruttoeinkommen kann es bei berechtigten Abzügen durchaus zu einem Nettoeinkommen führen, bei dem jedenfalls die bisherigen Grundsätze des Familienselbstbehalts, ggf. mit erhöhten Grenzen, weiterhin gebraucht werden könnten.