Die Streitigkeiten um die Gesellschafterliste scheinen kein Ende zu nehmen. Dies gilt nicht für die Praxis, sondern auch für die Gerichte. Selbst der BGH muss sich immer wieder mit der Gesellschafterliste befassen (jüngst BGH, Urt. v. 2.7.2019 – II ZR 406/17, demnächst in der GmbHR).
Der jüngste Fall betraf einen Gesellschafterstreit bei einem Berliner Familienunternehmen, der den Lesern der GmbHR bereits aus zahlreichen Aufsätzen bekannt ist (siehe etwa Fluck, GmbHR 2017, 67; Kleindiek, GmbHR 2017, 815; Lieder/Becker, GmbHR 2019, 505; Otto, GmbHR 2018, 123).
Dabei ging es um die zwangsweise Einziehung des Anteils eines Mehrheits-Gesellschafters einer GmbH. Die Wirksamkeit der Einziehung ist (wie in der Praxis fast immer) zwischen den Beteiligten streitig. Ãœber die Anfechtungsklage gegen den Einziehungsbeschluss wurde bislang noch nicht entschieden.
Der Minderheits-Gesellschafter, der die Einziehung betrieben hat, hat den Ausgang des Rechtsstreits um die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses aber gar nicht erst abgewartet. Vielmehr hat der Minderheits-Gesellschafter einfach vollendete Tatsachen geschaffen und die eingezogenen Geschäftsanteile des Mehrheitsgesellschafters aus der Gesellschafterliste gestrichen. Mit der Streichung aus der Liste und deren Aufnahme im Handelsregister war der von der Einziehung betroffene Gesellschafter faktisch entrechtet. Denn: Die Gesellschafterrechte stehen nur den gelisteten Gesellschaftern zu. Die nicht (mehr) gelisteten Gesellschafter haben keine Gesellschafterrechte. Dies gilt unabhängig von der Wirksamkeit der Einziehung. Materielle Rechtslage und formelle Legitimation sind voneinander „entkoppelt“. Der BGH hat jetzt nochmals bestätigt, dass die formelle Legitimationswirkung der Gesellschafterliste auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen eingreift (grundlegend BGH, Urt. v. 20.11.2018 – II ZR 12/17, GmbHR 2019, 335, ausführlich dazu Lieder/Becker, GmbHR 2019, 441 und GmbHR 2019, 505).
Folge dieses „Coups“ war, dass die Minderheit die Mehrheit übernommen hatte. Der frühere Minderheits-Gesellschafter war jetzt der formell alleine legitimierte Gesellschafter und konnte in der Gesellschaft nach seinem Belieben schalten und walten. Dies hat er auch getan. Er hat weitreichende Geschäftsführungsentscheidungen getroffen und die Satzung grundlegend geändert. Diese Beschlüsse sind und waren wirksam. Die Beschlüsse bleiben selbst dann wirksam, wenn ein Gericht in der Hauptsache später entscheiden sollte, dass die Einziehung unwirksam und die Liste unrichtig war.
Der Mehrheits-Gesellschafter versuchte sich gegen die Einziehung und die Aufnahme der neuen Liste zu wehren. Allerdings hatte er damit nur wenig Erfolg. Immerhin hat das LG Berlin auf seinen Antrag eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach die Aufnahme einer Gesellschafterliste in das Handelsregister ohne ihn als Gesellschafter verboten ist. Die Gesellschaft hat sich daran aber nicht gehalten und „dennoch“ eine solche Liste zum Registergericht eingereicht. Der BGH hat darin zu Recht ein „unredliches Verhalten“ gesehen. Nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann sich die Gesellschaft daher ausnahmsweise nicht auf die Legitimationswirkung der Liste berufen.
Der BGH hat dies in seinem amtlichen Leitsatz wie folgt formuliert:
„Wird einer GmbH nach Einziehung eines Geschäftsanteils durch eine einstweilige Verfügung untersagt, eine neue Gesellschafterliste, die den von der Einziehung Betroffenen nicht mehr als Gesellschafter ausweist, beim Amtsgericht zur Veröffentlichung im Handelsregister einzureichen, ist die Gesellschaft nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu berufen, wenn entgegen der gerichtlichen Anordnung eine veränderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht und im Registerordner aufgenommen worden ist.“
Die Entscheidung des BGH überzeugt sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung. Dies gilt auch für den zweiten Teil der Entscheidung, der mit der Gesellschafterliste überhaupt nichts zu tun hat. Vielmehr ging es dabei um die Einrichtung eines (fakultativen) Aufsichtsrats bei einer GmbH auf Grundlage einer Öffnungsklausel in der Satzung.
Die Satzung der GmbH enthielt eine Regelung, wonach die Gesellschafter einen Aufsichtsrat bilden können. Auf der Grundlage dieser Öffnungsklausel haben die Gesellschafter sodann einen Aufsichtsrat eingerichtet und diesem u.a. die Befugnis zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer übertragen.
Umstritten war nunmehr, ob für diesen (ausführenden) Gesellschafterbeschluss die Vorschriften für Satzungsänderungen (erneut) eingehalten werden müssen. Der BGH hat dies klar verneint und dies in seinem Leitsatz wie folgt zum Ausdruck gebracht.
„Die Einrichtung eines Aufsichtsrats bei einer GmbH auf der Grundlage einer Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag ist keine Satzungsänderung und ohne Beachtung der für eine Satzungsänderung geltenden Vorschriften zulässig, wenn die Ermächtigung ausreichend bestimmt ist und der Einrichtungsbeschluss nicht gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt.“
Die jüngste Entscheidung des Gesellschaftsrechtssenats des BGH ist zwar vergleichsweise lang (der amtliche Urteilsausdruck umfasst 39 Seiten), aber gleichwohl unbedingt lesenswert. Eine wertvolle Fundgrube für jeden GmbH-Berater!