Bestellungsbeschluss kein grundbuchtauglicher Nachweis für (Nachtrags-)Liquidator

Ein nicht seltenes und im Fall des Auftretens mitunter nur mit einigem Aufwand zu behebendes Problem: Eine GmbH wird zunächst im Handelsregister gelöscht, sei es von Amts wegen aufgrund Vermögenslosigkeit (§ 394 FamFG i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG), sei es auf Antrag nach vorangegangenem Abwicklungsverfahren (§ 74 Abs. 1 GmbHG). Nach Löschung stellt sich sodann aber heraus, dass diese zu Unrecht erfolgte, weil die GmbH in Wahrheit noch Vermögen hatte. Bei allem dogmatischen Streit über die Wirkung der Löschungseintragung steht damit für die ganz h.M. fest: Die GmbH ist nicht vollbeendet, sondern besteht fort, bis sie vollständig vermögenslos geworden ist. Bei vorangegangener amtswegiger Löschung wegen Vermögenslosigkeit muss sie erstmals ein Liquidationsstadium durchlaufen, bei „voreiliger“ Löschung nach bereits durchlaufenem Liquidationsstadium ist dieses fortzusetzen. Verfügt die gelöschte GmbH noch über (werthaltige oder formale) Grundbuchpositionen, die es zu verwerten oder jedenfalls zur Löschung zu bringen gilt, wirft dieser Sachverhalt viele im Detail streitige Fragen im Schnittfeld von Liquidations- und Grundbuchverfahrensrecht auf. Häufig sind in der Praxis die Fälle „vergessener“ formaler Grundbuchpositionen, die als wertlose Aktiva zwar nichts an der Vermögenslosigkeit der GmbH ändern (dazu Scheller in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 60 GmbHG Rz. 54), wohl aber fortbestehenden Abwicklungsbedarf implizieren und damit in die „gestutzte“ (Nachtrags-)Liquidation in entsprechender Anwendung des § 273 Abs. 4 Satz 1 AktG münden. Seltener verfügt die GmbH noch über werthaltige Grundbuchpositionen. Über einen solchen Fall, in welchem die zu Unrecht von Amts wegen aufgrund vermeintlicher Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH noch als Teileigentümerin im Grundbuch eingetragen war und der daher gerichtlich bestellte (Nachtrags-)Liquidator i.S.d. § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG das Teileigentum mit Grundschulden belasten wollte, hatte jüngst das Kammergericht (KG v. 11.5.2021 – 1 W 29/21) zu entscheiden.

Das Kammergericht erteilt der bisher weitgehend etablierten Praxis eine Absage, die Vertretungsberechtigung eines (Nachtrags-)Liquidators i.S.d. § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG und damit dessen Bewilligungsberechtigung im Grundbuchverfahren mittels Vorlage einer Ausfertigung des Beschlusses über seine gerichtliche Bestellung nachzuweisen. Dies jedenfalls dann, wenn zwischen Bestellungsbeschluss und Bewilligungserklärung bereits ein Kalenderjahr verstrichen ist. Denn es liege nicht gänzlich fern, dass zwischenzeitlich eine gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grunde erfolgt sein könnte, welche für Dritte „unbemerkt“ geblieben ist, da es keine Pflicht zur Rückgabe des Bestellungsbeschlusses gebe. § 47 FamFG sichere nur den Bestand solcher Rechtsgeschäfte, die bis zu einer etwaigen Aufhebung des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses und damit rückwirkend entfallender Vertretungsbefugnis vorgenommen seien, nicht aber schütze die Bestimmung das Vertrauen auf einen Fortbestand einer entfallenen Vertretungsbefugnis. Daher bedürfe es (jedenfalls in solchen Fällen für grundbuchverfahrensrechtliche Zwecke) der deklaratorischen (Wieder-)Eintragung der gelöschten GmbH mitsamt Liquidator, um das Fortbestehen der GmbH i.L. sowie die Vertretungsberechtigung des Liquidators grundbuchtauglich über § 32 GBO nachzuweisen.

Praxistipp:

Der Praxis ist vor dem Hintergrund dieser Entscheidung zu raten, beim Registergericht anzuregen, sich an dem (ohnehin dogmatisch allein überzeugenden) Grundsatz zu orientieren, jedenfalls bei noch vorhandenem Vermögen die gelöschte GmbH als aufgelöste unter bisheriger Registernummer im Verbund mit dem gerichtlich bestellen Liquidator in das Handelsregister kundmachend einzutragen. Die Eintragung erfolgt allerdings von Amts wegen (die entsprechende Eintragung kann daher nur angeregt werden), das Registergericht hat aber im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die Abwicklungsaufgaben des Liquidators in Rechnung zu stellen – verfügt die GmbH noch über werthaltige Grundbuchpositionen, wird dieses regelmäßig dahingehend reduziert sein, eine (Wieder-)Eintragung vorzunehmen. Bei kürzeren Zeitabständen zwischen Bestellungsbeschluss und grundbuchverfahrensrechtlichen Bewilligungserklärung sollte allerdings ungeachtet dessen die Vorlage der Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses als grundbuchtaugliches Nachweismittel i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO betrachtet werden. Erst recht gilt dies, sofern es – wie häufiger der Fall – nur noch um die zeitnahe Löschung wertloser Grundbuchpositionen geht; in diesen Sonderfällen nicht-vermögensbezogenen Abwicklungsbedarf erscheint auch die (Wieder-)Eintragung übertrieben, ist hier die Stellung des Liquidators doch letztlich nur jener eines bloßen Pflegers i.S.d. § 1913 BGB vergleichbar. Wurde unter Verweis auf die Vermögenslosigkeit der GmbH in einem solchen Fall gar eine gerichtliche Liquidatorenbestellung abgelehnt, wird man auch eine Grundbuchberichtigung i.S.d. § 22 GBO unter Vorlage eines solchen Beschlusses für zulässig halten müssen. Zu alledem ausführlich bei Scheller in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 60 GmbHG Rz. 69 ff. sowie K. Schmidt/Scheller in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 66 GmbHG Rz. 58 f. und § 74 GmbHG Rz. 26 ff.

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