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„Say on Climate“-Beschluss bei der Alzchem Group AG: Große Mehrheit der Aktionäre stimmt für Klimafahrplan

Vera Obernosterer  Vera Obernosterer
Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln

Am 11.5.2023 fand die ordentliche Hauptversammlung der Alzchem Group AG zum vierten Mal in virtueller Form statt. Die Besonderheit lag aber in einem anderen Aspekt: Die Gesellschaft setzte als erstes deutsches Unternehmen ein Say on Climate auf ihre Tagesordnung (vgl. dazu Harnos, Blog-Beitrag vom 21.4.23). Dadurch hatten die Aktionäre erstmals die Gelegenheit, ihre Meinung zu dem vom Vorstand vorgestellten Klimafahrplan in Form eines Konsultativbeschlusses zu äußern.

In diesem Sinn fokussierte der Vorstandsvorsitzende Andreas Niedermaier in seiner Rede den Klimafahrplan: Ziel der Alzchem AG sei es, bei den sog. Scope 1-Emissionen bis zum Jahr 2033 ein sog. „Net Zero“, also eine vollständige Klimaneutralität, zu erreichen. Zwar sei es dem Chemieunternehmen nach aktuellem Stand der Kenntnis nicht möglich, vollkommen emissionslos zu produzieren, es könne aber jedenfalls den – ohnehin äußerst geringen – Restausstoß durch eigene Produkte deutlich überkompensieren.

Der Klimafahrplan fand im Vorfeld der HV weniger Resonanz als erwartet. Vor allem die Reaktion eines großen Stimmrechtsberaters, der zum Klimafahrplan eine dezidiert negative Stellung bezogen hatte, enttäuschte die Verwaltungsorgane der Alzchem Group AG jedoch. Stattdessen wäre aus Sicht der Verwaltung ein inhaltlicher Dialog über die klimaschutzbezogenen Ziele des Unternehmens wünschenswert gewesen.

Auch in der Generaldebatte stieß der Tagesordnungspunkt Klimafahrplan vereinzelt auf Skepsis, sorgte aber insgesamt für wenig Wirbel. Eine erste Nachfrage provozierte das Stichwort Ressourcenverschwendung: Wenn der Klimafahrplan der Alzchem Group AG ermögliche, die Verschwendung von Ressourcen zu vermeiden, dränge sich die Frage auf, wieso die Verschwendung nicht schon früher vermieden worden sei. Hierauf entgegnete der Produktionsvorstand Klaus Englmaier, dass für die Alzchem Group AG Ressourcenverschwendung schon immer ein Thema sei, die Vermeidung aber immer eine Frage der Wirtschaftlichkeit und technischen Umsetzbarkeit gewesen sei. Im Klimafahrplan würden sich jedoch nun konsequent die Projekte wiederfinden, die sich in den letzten Jahren als wirtschaftlich umsetzbar erwiesen haben. Aktionärsseitig wurden außerdem die Klimaschutzbemühungen der einzelnen Verwaltungsmitglieder selbst ins Visier genommen: Mit welchen Automodellen der Vorstand denn wie viele Kilometer gefahren sei und, daran anknüpfend, wie viele Flüge die Mitarbeiter der Gesellschaft im letzten Geschäftsjahr gebucht und wie viele Flugkilometer sie zurückgelegt hätten.

Ebenfalls kritisierte ein Aktionär die im Klimafahrplan berücksichtigten „Kompensationsmaßnahmen“. Dass der Ausstoß von CO2 im Jahr 2033 bei Null ankomme, klinge unglaubwürdig und sei nur durch eine hypothetische Berechnung mit eben solchen Kompensationen und Zertifikaten möglich. Es drohe die Gefahr, dadurch die Probleme an einen anderen Ort zu verlagern, was nicht zielführend sei. Das wollte der Alzchem-Vorstand so nicht stehen lassen: Wenn der Klimafahrplan von „Kompensationsmaßnahmen“ spreche, meine er allein die positive Wirkung der eigenen Alzchem Produkte, wie z.B. Eminex® und Creamino®. Die CO2-Einsparungen speziell dieser beiden Produkte überstiegen bei Weitem die 2033 noch verbleibenden Emissionen der Scopes 1–3 (vgl. dazu Harnos, Blog-Beitrag vom 21.4.23).

Trotz der vereinzelten Ablehnung wurde der Klimafahrplan mit einer deutlichen Mehrheit von 95,3 % der abgegebenen Stimmen (bei einer Abstimmungsbeteiligung von 73,45 % des Grundkapitals) angenommen. Die Alzchem Group AG schafft innerhalb ihres Aktionariats ein besonderes Bewusstsein für das Thema Klimaschutz und ermöglichte den Aktionären, etwaige Störgefühle bezüglich der Klimastrategie des Unternehmens zu adressieren und ggf. auszuräumen. Damit setzt die Alzchem Group AG ein starkes Zeichen hinsichtlich der Umsetzbarkeit eines Say on Climate.

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