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Vorreiter bei Say on Climate: die Alzchem Group AG

Prof. Dr. Rafael Harnos  Prof. Dr. Rafael Harnos

Say on Climate war in Deutschland bisher nur ein Zeitschriftenthema (vgl. etwa Cahn, NZG 2023, 299, 300 ff.; Fleischer/Hülse, DB 2023, 44; Harnos/Holle, AG 2021, 853; Ott, NZG 2020, 99; Sanders, VGR 2022, 59; J. Vetter, Börsen-Zeitung v. 14.5.2022 (s. auch hier); VGR, AG 2022, 239 Rz. 31 ff.; Weller/Hoppmann, AG 2022, 640). Anders als im Ausland haben es Konsultativbeschlüsse über die Klimapolitik der Unternehmen lange Zeit nicht auf die Tagesordnungen deutscher Hauptversammlungen geschafft.

Nun wagt es die Alzchem Group AG, ihren Klimafahrplan den Aktionären zur konsultativen Abstimmung vorzulegen (vgl. S. 34 ff. der HV-Einladung). Dabei bezeichnet das Unternehmen den Klimawandel als eine der größten global anzugehenden Herausforderungen und zeigt sich als ein Vertreter der Spezialchemie-Branche seiner besonderen Verantwortung für die Umwelt bewusst. Sodann skizziert es sein Tätigkeitsfeld und erklärt die Klimaneutralität zum neuen grünen Meilenstein. Dieses Ziel will Alzchem auf zwei Wegen erreichen: zum einen durch die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen, zum anderen durch eine klimaneutrale Produktion. Überdies schildert das Unternehmen, wie es zu Reduzierung des Energieeinsatzes, Vermeidung von Abfällen, Schutz der Gewässer sowie Immissions- und Lärmschutz beitragen will.

Sodann erklärt Alzchem, den Ausstoß der Scope 1-Emissionen – also solcher, die an sämtlichen Unternehmensstandorten freigesetzt werden – bis zum Jahr 2030 um 75 % reduzieren zu wollen. Die vollständige Klimaneutralität will das Unternehmen 2033 erreichen und stellt vier Maßnahmenpakete dar, mit denen es das Ziel verwirklichen will:

  1. CO2-Verflüssigung und Nutzung von CO2 als Rohstoff
  2. Nachhaltiges Rohstoffmanagement
  3. Wärmerückgewinnung
  4. Effizienzsteigerungen

Abschließend geht Alzchem auf Maßnahmen zur Reduzierung der Scope 2- bis 4-Emissionen ein. Diese Emissionsarten erfassen die indirekte Freisetzung klimaschädlicher Emissionen durch Energie von Dritten (Scope 2), die indirekte Freisetzung klimaschädlicher Emissionen in den bezogenen Roh- und Einsatzstoffen in der gesamten Wertschöpfungskette (Scope 3) sowie die klimapositive Wirkung der Produkte eines Unternehmens bei seinen Kunden (Scope 4).

Es bleibt zu beobachten, wie sich die Aktionäre der Alzchem Group AG in der Hauptversammlung am 11.5.2023 positionieren und ob sich andere deutsche Unternehmen trauen, dem Vorreiter aus Bayern zu folgen und mit ihren Anteilseignern über die Klimapolitik auf offener HV-Bühne anlässlich eines separaten Tagesordnungspunkts und nicht nur in Hinterzimmern zu diskutieren.

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