- allen klimabezogenen Risiken, die wesentlich sind, d.h. finanzielle Auswirkungen auf die Geschäftsstrategie oder die Geschäftsergebnisse haben;
- Aktivitäten, die unternommen werden, um die identifizierten Risiken zu mindern oder Anpassungsmaßnahmen umzusetzen;
- Überwachung durch die Geschäftsleitung und die Rolle des Managements in Bezug auf die wesentlichen klimabezogenen Risiken;
- Scope-1-Emissionen und/oder Scope-2-Emissionen bei großen und mittleren Unternehmen;
- Kosten und Verluste, die durch Unwetter und andere Naturereignisse im jeweiligen Geschäftsjahr entstanden sind.
Fokus-Risiken der BaFin für 2024
Mitte Januar veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihre Übersicht zu den Risiken, die sie im Jahr 2024 bei der Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Versicherern besonders in den Fokus nehmen wird.
Sie benennt darin sieben Risiken, die am ehesten die Finanzstabilität oder die Integrität der Finanzmärkte in Deutschland gefährden könnten:
- Risiken aus signifikanten Zinsanstiegen,
- Risiken aus Korrekturen an den Immobilienmärkten,
- Risiken aus signifikanten Korrekturen an den internationalen Finanzmärkten,
- Risiken aus dem Ausfall von Krediten an deutsche Unternehmen,
- Risiken aus Cyber-Attacken mit gravierenden Auswirkungen,
- Risiken aus unzureichender Geldwäscheprävention,
- Risiken aus Konzentrationen bei der Auslagerung von IT-Dienstleistungen.
Ergänzend zu den Risiken legt die BaFin auch ein Augenmerk bei Kreditinstituten und Versicherern auf die angemessene Berücksichtigung und den Umgang mit langfristigen Trends. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und geopolitische Umbrüche werden genannt und sind für die Beaufsichtigung des Finanzwesens relevant.
Fokus: Nachhaltigkeit
Wie auch schon im „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeit“ (2019) sieht die BaFin Klima- und Umweltrisiken nicht als eigenständige (neue) Risikoart, sondern als Teil von Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, Haftungs- und Reputationsrisiken sowie von operationellen, versicherungstechnischen und strategischen Risiken. Sie übernahm diesen Ansatz in die neue MaRisk (2023).
Die BaFin verweist in diesem Zusammenhang auf eine Auswertung der Deutschen Bundesbank, in der das Management von Nachhaltigkeitsrisiken bei weniger bedeutenden Instituten (Less Significant Institutions) untersucht wurde. Im Ergebnis lässt sich ein Verbesserungsbedarf hinsichtlich des Risikomanagements von Kreditinstituten und Versicherern ableiten. Dementsprechend erwartet die BaFin, dass die von ihr beaufsichtigten Unternehmen Erkenntnisse aus Stresstests und Szenarioanalysen, die auch Nachhaltigkeitsrisiken integrieren, zunehmend in die Strategie und ins Risikomanagement einfließen lassen.
Darüber hinaus nimmt auch die Prüfung der Offenlegungspflichten nach der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR – Offenlegungs-VO (EU) 2019/2088) sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung i.S.d. der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 und zukünftig der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD – RL (EU) 2022/2464) Raum in der Beaufsichtigung ein.
Die „grüne“ Taxonomie: Komplex, weitreichend und in stetiger Weiterentwicklung
Seit dem Inkrafttreten der Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852 im Juli 2020 (s. Reich, AG 2020, R236; Wollenhaupt/Zeibig, DB 2021, Beilage 02 zum Heft 20, S. 42) beginnt sich die Sprache im Umfang mit Nachhaltigkeit in Finanzprodukten und vor allem bei der Bewertung von Anlagezielen und Investmentstrategien zu wandeln. Wurden nachhaltige Finanzprodukte bis vor kurzem ausschließlich mit individuell festgelegten ökologischen und sozialen Merkmalen konzipiert, müssen sich zukünftig Unternehmen des Kapitalmarktes, Finanzproduktanbieter und Kapitalgeber/Investoren den neuen Begriffen wie „ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten“, „Do no significant harm“, „soziale Mindestkriterien“, „taxonomie-fähig“ und „taxonomie-konform“ auseinandersetzen.
Die Einstufung einer Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig ist u.a. die Grundlage für zukünftige Transparenzanforderungen, die sich zum einen aus der Taxonomie-Verordnung selbst, zum anderen aus Rechtsakten, die sich wiederum auf die Taxonomie-Verordnung beziehen, ergeben. Zu nennen sind hier als Beispiele die Offenlegungs-Verordnung (EU) 2019/2088 (hierzu etwa Reich, AG 2021, R100; Reich, AG 2022, R4; Wollenhaupt/Zeibig, DB 2021, Beilage 02 zum Heft 20, S. 42), der Entwurf der Corporate Sustainability Reporting Directive (s. Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, DB 2021, 2301; Hommelhoff, DB 2021, 2437; Scheffler, AG 2021, R167) oder die Änderungen zu MiFID II (vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253; dazu Hanke, ZIP 2022, 62; Reich, AG 2022, R24; s. ferner Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1269).
Durch die Taxonomie-Verordnung werden die Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, festlegt. Über weitere delegierte Rechtsakte sollen die sog. technischen Bewertungskriterien definiert werden. Seit 9.12.2021 liegen diese für die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ vor (vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139; dazu Reich, AG 2021, R235; Reich, AG 2022, R41 und ein Beitrag im Gesellschaftsrechts-Blog).
Die Europäische Kommission hat bislang nicht für jede Wirtschaftstätigkeit technische Bewertungskriterien festgelegt. Sie fokussiert sich zunächst darauf, nur die Wirtschaftstätigkeiten zu berücksichtigen, welche eine besondere Relevanz für das Ziel haben, die europäischen CO2-Emissionen zu reduzieren. So kommt es, dass auf der einen Seite energieintensive Branchen wie die Stahl- und Aluminiumerzeugung und auf der anderen Seite Branchen wie die Land- und Forstwirtschaft im „Katalog“ zur Einstufung der ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten enthalten sind (Überblick bei Reich, AG 2022, R41, R42 f.). Die technischen Bewertungskriterien für die beiden oben genannten Umweltziele sind bereits zum 1.1.2022 anzuwenden.
Für das Jahr 2022 werden von der Europäischen Kommission die Entwürfe für die technischen Bewertungskriterien der anderen vier Umweltziele – a) nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, b) der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, c) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und d) der Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme – erwartet. Diese sollen dann ab dem 1.1.2023 zur Anwendung kommen.
Neben dem hier beschriebenen und vielfach als „Green Taxonomy“ bezeichneten Klassifikationssystem befindet sich auch eine „Social Taxonomy“ in der Entwicklung. Die von der Europäischen Kommission eingesetzte Expertengruppe „Platform on Sustainable Finance“ erarbeitete 2021 einen ersten Entwurf, der zur Konsultation gestellt wurde (vgl. dazu Reich, AG 2021, R328). Die eingegangenen Rückmeldungen wurden bewertet, so dass ein Abschlussbericht zur Ausgestaltung der Social Taxonomy in absehbarer Zeit erwartet werden kann. Mit ihr sollen Kriterien festgelegt werden, mit denen Investoren in die Lage versetzt werden sollen, Kapital in sozial nachhaltige Investitionen zu lenken.
In der AG berichten wir regelmäßig über den aktuellen Stand zur Weiterentwicklung der Nachhaltigkeits-Taxonomie und über Sustainable Finance-Aktivitäten (s. etwa Reich, AG 2021, R179; Reich, AG 2021, R219; Reich, AG 2021, R265 und den Beitrag im Gesellschaftsrechts-Blog). Einen aufschlussreichen Überblick über ESG-Themen finden Sie auch in der Beilage 02 zum DB-Heft 20/2021.
Weitere Konkretisierung der Green Taxonomy
Die delegierte Verordnung (EU) vom 4.6.2021 dient der Ergänzung der Taxonomie-Verordnung ((EU) 2020/852), die im Juli 2020 in Kraft getreten ist. Mit der nun vorliegenden delegierten Verordnung einer Klimataxonomie sollen weitere Kriterien festgelegt werden, um den Begriff der „ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit“ für die ersten zwei der insgesamt sechs Umweltziele zu definieren (Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz).
Besondere Bedeutung erlangt die delegierte Verordnung unter anderem für Unternehmen, die zur Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung verpflichtet sind. Diese müssen nach Art. 8 Abs. 2 der Taxonomie-Verordnung angeben, wie hoch der Anteil der Umsatzerlöse ist, der mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten verbunden ist, sowie die Höhe des Anteils der Investitions- und gegebenenfalls der Betriebsausgaben, die mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind.
Bezogen auf die Berichtspraxis sollen für das Umweltziel „Anpassung an den Klimawandel“ beispielsweise nur Investitions- und Betriebsausgaben geltend gemacht werden, wenn die Tätigkeit klimaresilient ausgeführt wird. Für Umsatzerlöse würde dies aber nicht der Fall sein. Ähnliches wie bei den Betriebsausgaben soll für Wirtschaftstätigkeiten gelten, die den technischen Bewertungskriterien für einen „wesentlichen Beitrag“ im Sinne der Taxonomie-Verordnung noch nicht erfüllen, aber das Unternehmen bereits einen Investitionsplan festgelegt hat, um die Kriterien innerhalb einer bestimmten Frist zu erreichen. Dann können die Ausgaben als taxonomiekonform angerechnet werden. Für die Anrechnung der Umsatzerlöse muss eine Tätigkeit die Kriterien allerdings unmittelbar erfüllen.
Die technischen Bewertungskriterien für das Umweltziel „Klimaschutz“ werden in
Art. 1 i.V.m. Anhang I der EU-Klimataxonomie festgelegt. Art. 2 i.V.m. Anhang II der EU-Klimataxonomie umfasst die technischen Bewertungskriterien für das Umweltziel „Anpassung an den Klimawandel“. In einem ersten Schritt betreffen die von der Europäischen Kommission entwickelten Kriterien nur bestimmte, für den Klima- und Umweltbereich besonders relevante Sektoren bzw. Wirtschaftstätigkeiten. Dazu zählen:
- Forstwirtschaft
- Tätigkeiten in den Bereichen Umweltschutz und Wiederherstellung
- Verarbeitendes Gewerbe / Herstellung von Waren
- Energie
- Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen
- Verkehr
- Baugewerbe und Immobilien
- Information und Kommunikation
- Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen.
Die delegierte Verordnung, die demnächst ausführlicher im AG-Report dargestellt wird, ist Ende Mai förmlich angenommen worden. Sie wird am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung der EU-Klimataxonomie im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten und soll ab dem 1. Januar 2022 gelten. Für die weiteren vier Umweltziele ist vorgesehen, zeitnah auch eine delegierte Verordnung zu veröffentlichen. Die Anforderungen für diese Umweltziele sollen dann ab dem 1. Januar 2023 gelten.
Sustainable Finance: Die nachhaltige Transformation der Finanzwirtschaft und des Kapitalmarkes
Sustainable Finance, Nachhaltigkeit, Klimarisiken – Begriffe, die zunehmend in den Wortschatz der Akteure in der Finanzwirtschaft und am Kapitalmarkt übergehen. Dennoch bleiben vor dem Hintergrund der nicht immer in Einklang miteinander verlaufenden nationalen wie europäischen Regulierungsvorhaben und Nachhaltigkeitsbestrebungen viele Fragen für die Umsetzung neuer Anforderungen offen. Auch deshalb ist Sustainable Finance ein Themenkomplex, der in Bezug auf die Regulierung einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Konkretisierung ausgesetzt ist.
Bereits 2018 formulierte die Europäische Kommission mit ihrem „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ die drei Ziele: (1) Kapitalströme hin zu nachhaltigeren Investitionen lenken zu wollen, (2) Nachhaltigkeitsaspekte stärker im Risikomanagement zu verankern und (3) Transparenz und Langfristigkeit zu fördern. Seitdem sind diverse Legislativvorschläge veröffentlicht, Konsultationen durchgeführt und Änderungen diskutiert und manche sogar schon verabschiedet worden.
Im April 2021 stellte die Europäische Kommission ein weiteres umfassendes Maßnahmenpaket vor. Unter dem Titel „EU Sustainable Finance April package“ wurden regulatorische Vorschläge gebündelt, die drei Bereiche umfassen:
- die delegierte Verordnung zur EU-Klimataxonomie (EU Taxonomy Climate Delegated Act),
- den Richtlinienvorschlag zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Proposal for a Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – dazu Scheffler, AG 2021, R167) sowie
- sechs delegierte Änderungsakte zu den treuhänderischen Pflichten, zu Aufsichts- und Lenkungsanforderungen bei Finanzprodukten sowie zur Anlage- und Versicherungsberatung.
Nur knapp zwei Wochen später veröffentlichte die Bundesregierung ihre Deutsche Sustainable Finance-Strategie. Die als „wegweisende Strategie für nachhaltige Finanzierung“ beschriebene Strategie geht auf die Empfehlungen des Sustainable Finance-Beirates zurück, der Ende Februar 2021 konkrete Vorschläge und Ideen an die Bundesregierung adressierte. Der Report des Beirates „Shifting the Trillions – Ein nachhaltiges Finanzsystem für die Große Transformation“ umfasste 31 Empfehlungen, die nun in die Sustainable Finance-Strategie der Bundesregierung eingeflossen sind.
Mit der Deutschen Sustainable Finance-Strategie nimmt die Bundesregierung die europäischen Bestrebungen auf und lenkt so ihren Fokus darauf, mit der Umsetzung der Strategie die notwendigen Investitionen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit mobilisieren zu können und Klimarisiken für das Finanzsystem zu adressieren. Als Rahmen für die Strategie wurden fünf Ziele definiert:
- Sustainable Finance weltweit und europäisch voranbringen;
- Chancen ergreifen, Transformation finanzieren, Nachhaltigkeitswirkung verankern;
- Risikomanagement der Finanzindustrie gezielt verbessern und Finanzmarktstabilität gewährleisten;
- Finanzstandort Deutschland stärken und Expertise ausbauen;
- Bund als Vorbild für Sustainable Finance im Finanzsystem etablieren.
Die in der Sustainable Finance-Strategie formulierten 26 Maßnahmen erstrecken sich beispielsweise auf die Umschichtung der Kapitalanlagen des Bundes hin zu nachhaltigeren Anlageformen, auf eine Nachhaltigkeitsampel für Finanzprodukte oder auf umfassendere Berichtspflichten für Unternehmen. 25 der insgesamt 26 Maßnahmen sollen kurz- und mittelfristig umgesetzt werden. Der enge Zeitplan unterstreicht den Ehrgeiz der Bundesregierung, mit dieser Strategie ihren Beitrag für einen sozial-ökologischen Wirtschaftsumbau zu leisten. Denn die Europäische Kommission schätzt den notwendigen Investitionsbedarf allein in diesem Jahrzehnt in Europa auf rund 350 Mrd. € pro Jahr.
Die umfassende Auseinandersetzung der Autorin mit den Inhalten des „EU Sustainable Finance April package“ sowie der Deutschen Sustainable Finance-Strategie erfolgt in den kommenden AG-Heften.