Verbandssanktionengesetz – Update

Gesetzgebungsverfahren schreitet voran

Das Verbandssanktionengesetz (VerSanG), Kernstück des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft, wird wahrscheinlicher. In seiner Sitzung am 18. September 2020 ist der Bundesrat den Anträgen des federführenden Rechtsausschusses und des Wirtschaftsausschusses nicht gefolgt, den Regierungsentwurf generell abzulehnen. Stattdessen sprach sich das Plenum für eine partielle Überarbeitung der geplanten Neuregelungen aus. Angesichts der scharfen Kritik im Vorfeld ist die Abstimmung des Bundesrates in der Praxis mit Spannung erwartet worden.

Bundesrat sieht Änderungsbedarf

In seiner Stellungnahme weist der Bundesrat auf Änderungs- und Streichungsbedarf an verschiedenen Stellen des Regierungsentwurfs hin. Zum Gesetzesentwurf allgemein wird im Hinblick auf kleinere und mittlere Unternehmen um Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Sanktionsandrohungen, Beschränkung der Definition von Verbandstaten und Anpassung der Anforderungen an angemessene Compliance-Vorkehrungen gebeten. Konkrete Änderungsvorschläge betreffen unter anderem die Erweiterung der Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung, die Streichung der Regelungen zur öffentlichen Bekanntmachung von Sanktionen und die Überarbeitung der Verfahrensvorschriften mit dem Ziel der Beschleunigung und der Missbrauchsabwehr. Taten von Nichtleitungspersonen sollen dem Verband nur dann zugerechnet werden können, wenn Leitungspersonen die erforderlichen Compliance-Maßnahmen vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen haben und nicht bereits bei Vorliegen eines objektiven Organisationsdefizits.

Verabschiedung in aktueller Legislaturperiode zu erwarten

Im parlamentarischen Verfahren könnte es durchaus noch weitere Änderungen geben. Die Bundesregierung hat zunächst Gelegenheit, ihre Ansicht in einer Gegenäußerung darzulegen. Sofern den Änderungsvorschlägen entsprochen werden soll, ist dies in der Gegenäußerung deutlich zu machen. Indes kann die Bundesregierung den Gesetzesentwurf im laufenden Verfahren nicht mehr selbst ändern, sondern nur noch der Bundestag. Die Beschlussfassung des Bundestages erfordert drei Beratungen über den Gesetzesentwurf. Anschließend wird das verabschiedete Gesetz dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet. Die aktuelle Legislaturperiode endet im Herbst 2021. Nach heutigem Stand kann bis dahin mit einer Verabschiedung und Verkündung des VerSanG gerechnet werden.

Übergangsfristen nutzen

Für Unternehmen ist insoweit von Bedeutung, dass das VerSanG nur für Verbandstaten gelten soll, die nach Inkrafttreten des Gesetzes begangen worden sind. Nach Art. 15 des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft sollen die Neuregelungen zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft treten, konkret im ersten Monat des auf die Verkündung folgenden Quartals in zwei Jahren. Danach würde das VerSanG gegebenenfalls bereits ab Anfang 2023 gelten. Die Übergangsfristen sollen es der Justiz, aber auch den Unternehmen ermöglichen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass der Bundesrat in seiner aktuellen Stellungnahme eine Verlängerung der Übergangsfristen um ein weiteres Jahr angeregt hat.

Compliance-Vorkehrungen auf den Prüfstand stellen

Dennoch ist bereits jetzt absehbar, dass das VerSanG, wenn es in der geplanten oder in ähnlicher Form in Kraft tritt, mit beträchtlichen Auswirkungen für Unternehmen verbunden sein wird. Leitungs- und Aufsichtsorgane sind daher gut beraten, sich auf verschärfte Sanktionen einzustellen und ihre Compliance-Vorkehrungen auf den Prüfstand zu stellen.

Mehr zu den Autoren: RA Prof. Dr. Jochem Reichert und RAin Dr. Kristin Ullrich sind bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz in Mannheim tätig.

VerSanG-E – Strafbarkeit für Unternehmen

Kern des Referentenentwurfes eines „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ vom 21.04.2020 ist das Verbandssanktionengesetz (VerSanG). Totgesagte leben bekanntlich länger. Mit neuem Namen hat das BMJV die seit dem Jahr 2013 erwartete Einführung des Unternehmensstrafrechts nun in Gestalt eines Referentenentwurfes veröffentlicht.

Die wichtigsten Änderungen und Regelungen sind:

  • Die Verankerung des Legalitätsprinzips. Uneinheitliche Ermessensentscheidungen sollen damit verhindert werden.
  • Die Orientierung der Verbandsstrafe am Jahresumsatz: Der Referentenentwurf sieht bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. EUR die Möglichkeit vor, eine Verbandsgeldsanktion von bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzeszu verhängen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 RefE).
  • Verbandsinterne Untersuchungen erhalten große Wichtigkeit: Sowohl für die allgemeine Strafzumessung (§ 15 Abs. 3 Nr. 6, 7 RefE), für eine mögliche Verfahrenseinstellung (§ 35 RefE) als auch für den zwingenden Strafmilderungsgrund (§ 17 RefE) ist die erfolgreiche Durchführung von verbandsinternen Untersuchungen maßgeblich. Wobei für Letzteres auch notwendig ist, dass das Unternehmen dabei vollumfänglich mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert. Der Entwurf hat es leider versäumt, zu kodifizieren, wie eigentlich verbandsinterne Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Klargestellt wurde lediglich, dass die Untersuchung unter Beachtung der Grundsätze des fairen Verfahrens durchgeführt werden muss. Die Befragten sollen über ihre Auskunftsverweigerungsrechte belehrt werden, ihnen muss das Recht eingeräumt werden, die Auskunft gemäß den §§ 52, 55 StPO zu verweigern (§ 17 Abs. 1 Nr. 5 RefE).
  • Die Einführung einer öffentlichen Bekanntmachung (§ 14 RefE): Diese ist wegen der damit verbundenen Prangerwirkung und möglicher Rufzerstörung eine beachtenswerte Nebenfolge einer Verurteilung. Daneben soll ein Verbandssanktionenregister (§ 54 RefE), ähnlich dem Bundeszentralregister, eingerichtet werden. Auch wenn wir ähnliche Register wie z.B. das Gewerberegister schon kennen, wird die Bündelung in einem solchen Register ihre abschreckende Wirkung nicht verfehlen.
  • Gänzlich aus dem Entwurf verschwunden ist die bislang viel kritisierte Unternehmensauflösung als mögliche Folge des Strafverfahrens, was wegen der angedachten Anwendungsmöglichkeit auf Unternehmen, deren Zweck in strafbaren Handlungen gelegen hätte, eher überflüssig war.
  • Ausdrücklich findet das Gesetz keine Anwendung auf gemeinnützige Verbände.
  • Beschlagnahmefrei bleiben nur Unterlagen der Verteidigung, nicht die der internen Untersuchungen durchführenden Anwälte, die nicht personengleich sein dürfen (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 RefE)

Fazit: Unternehmen sind gut beraten, ihre Compliance-Maßnahmen unter die Lupe zu nehmen.