Montagsblog: Neues vom BGH

Überprüfung der Adressierung bei fristgebundenen Schriftsätzen
Beschluss vom 29. August 2017 – VI ZB 49/16

Mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit fristgebundenen Schriftsätzen befasst sich der VI. Zivilsenat in zwei kurz hintereinander ergangenen Entscheidungen. Die erste davon betrifft die Überprüfung, ob der Schriftsatz an das zuständige Berufungsgericht adressiert ist.

Die Beklagten wurden vor unterschiedlichen Gerichten auf Schadensersatz wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage in Anspruch genommen. Im Streitfall unterlagen sie vor dem LG und legten fristgerecht Berufung beim OLG ein. An einem Freitagnachmittag beantragte ihr Prozessbevollmächtigter die Verlängerung der am darauffolgenden Montag ablaufenden Frist zur Begründung des Rechtsmittels. Dieser Schriftsatz war versehentlich an das LG adressiert. Er wurde an das OLG weitergeleitet, traf dort aber erst am Dienstag ein. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der BGH knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach ein Anwalt sowohl die Einlegung eines Rechtsmittels als auch einen Antrag auf Fristverlängerung sorgfältig prüfen muss. Dazu gehört die Verpflichtung, einen Fristverlängerungsantrag darauf zu überprüfen, ob er an das zuständige Gericht adressiert ist. Dieser Pflicht genügt der Anwalt nicht schon dadurch, dass er einer Kanzleikraft konkrete Anweisungen zum Inhalt des anzufertigenden Schriftsatzes erteilt. Sofern es nur um Korrekturen eines bereits erstellten und geprüften Schriftsatzes geht, ist der Anwalt allerdings unter bestimmten Voraussetzungen von einer erneuten Überprüfung befreit. Bei einer Weisung in Bezug auf einen erst noch zu erstellenden Schriftsatz bleibt er hingegen zu einer vollständigen (erstmaligen) Überprüfung verpflichtet.

Praxistipp: Um Verwechslungen zu vermeiden, sollte das zuständige Gericht in der Handakte an hervorgehobener, möglichst leicht einsehbarer Stelle vermerkt werden.

Überprüfung des Fristenkalenders
Beschluss vom 19. September 2017 – VI ZB 40/16

Ein wenige Wochen später ergangener Beschluss betrifft die Überprüfung des Fristenkalenders.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung. Ihre Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Am 15. Juni 2016 beantragte ihr Prozessbevollmächtigter, die Frist zur Berufungsbegründung zu verlängern. Auf gerichtlichen Hinweis, dass die Frist bereits am 14. Juni 2016 abgelaufen sei, bat er um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu trug er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vor, seine für fristgebundene Schriftsätze zuständige Kanzleikraft habe auf einem dem erstinstanzlichen Urteil vorgehefteten Zettel den 14. Juni als Fristende notiert, im Fristenkalender aber versehentlich den 15. Juni eingetragen. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig.

Auch in diesem Fall blieb die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Der BGH knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach ein Anwalt grundsätzlich überprüfen muss, ob eine Frist richtig berechnet und zutreffend im Fristenkalender eingetragen wurde. Von einer Überprüfung des Fristenkalenders darf er allerdings absehen, wenn die Handakte einen Erledigungsvermerk enthält, aus dem hervorgeht, dass die zutreffende Frist eingetragen wurde, und wenn durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass solche Vermerke erst erstellt werden, wenn die Eintragung im Kalender erfolgt ist. Im Streitfall ergab sich aus dem Wiedereinsetzungsgesuch weder, dass die Handakte einen Erledigungsvermerk enthielt, noch, dass der Prozessbevollmächtigte die gebotenen organisatorischen Anweisungen erlassen hatte.

Praxistipp: In einschlägigen Fällen muss der Anwalt innerhalb der Widereinsetzungsfrist vortragen und unter Beweis stellen, dass die Akte einen Erledigungsvermerk enthielt und welche organisatorischen Anweisungen er hinsichtlich der Erstellung solcher Vermerke erteilt hat.

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