Diese Woche geht es um die Beachtlichkeit von tatsächlichem Hilfsvorbringen einer Partei.
Widerspruch zwischen dem tatsächlichen Haupt- und Hilfsvorbringen
Urteil vom 4. Juli 2019 – III ZR 202/18
Mit der Pflicht zu wahrheitsgemäßem Vorbringen befasst sich der III. Zivilsenat.
Der Kläger nahm den Beklagten wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Schiffsfonds in Anspruch. Er stützte sein Begehren in erster Linie darauf, er habe eine risikolose Anlage angestrebt; deshalb hätte er von der vom Beklagten empfohlenen Anlage abgesehen, wenn ihn dieser auf die bestehenden Risiken aufmerksam gemacht hätte. Hilfsweise machte er geltend, er hätte zwar eine risikobehaftete Anlage gezeichnet, nicht aber eine spekulative. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.
Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der BGH billigt die tatrichterliche Würdigung des OLG, wonach der Kläger grob fahrlässig gehandelt hat, weil er eine vom Beklagten übergebene Beratungsdokumentation, in der die Risiken der Anlage in drucktechnisch hervorgehobener Weise aufgeführt waren, ungelesen unterschrieben hat. Auf dieser Grundlage hat das OLG zu Recht entschieden, dass die Verjährung bereits mit Zeichnung der Anlage begonnen hat und der Anspruch bei Klageerhebung deshalb verjährt war. Der BGH tritt dem OLG auch darin bei, dass das Hilfsvorbringen des Klägers unbeachtlich ist, weil das OLG sein Hauptvorbringen als wahr unterstellt hat. Zwar ist es nicht schlechthin unzulässig, hilfsweise Tatsachen vorzutragen, die in Widerspruch zum tatsächlichen Hauptvorbringen stehen. Prozessual beachtlich ist solches Vorbringen aber nur, wenn das Gericht den Hauptvortrag als nicht bewiesen oder widerlegt ansieht, nicht aber, wenn es ihn als bewiesen ansieht oder als wahr unterstellt und die Klage aus Rechtsgründen abweist. Einer Partei steht es nicht frei, dem Gericht mehrere miteinander unvereinbare Sachverhalte zu unterbreiten mit dem Ziel, mit einem davon auch rechtlich durchzudringen.
Praxistipp: Prozessual beachtlich ist ein vom ursprünglichen Vortrag abweichendes Vorbringen, wenn es nicht hilfsweise, sondern anstelle des bisherigen Hauptvorbringens erfolgt. Ob das Gericht dem neuen Vortrag Glauben schenkt, ist eine andere Frage.