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BGH zum verloren gegangenen Fristverlängerungsantrag

Dr. Frank O. Fischer  Dr. Frank O. Fischer
Richter am Amtsgericht

Zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts bei einem erstmaligen Fristverlängerungsantrag für die Berufungsbegründungsfrist hat sich der BGH (Beschl. v. 22.6.2021 – VIII ZB 56/20, MDR 2021, 1082) recht ausführlich geäußert und die maßgeblichen Grundsätze zusammengefasst.

Eine Berufung wurde fristgemäß eingelegt. Innerhalb der Berufungsbegründungsfrist beantragte der Rechtsanwalt wegen akuter Arbeitsüberlastung eine Fristverlängerung von einem Monat. Einige Zeit später erhielt er einen Hinweis des Berufungsgerichts. Darin wurde ausgeführt, dass die Berufungsbegründungsfrist abgelaufen sei, eine Begründung jedoch nicht eingegangen wäre, weswegen eine Verwerfung des Rechtsmittels beabsichtigt sei. Daraufhin begründete er die Berufung und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung und machte die erforderlichen Angaben zum Verlust des Verlängerungsantrages auf dem Postweg glaubhaft. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung gleichwohl! Dies geschah mit der Begründung, der Rechtsanwalt habe es versäumt, sich bei dem Berufungsgericht nach dem Eingang des Verlängerungsantrages und dessen Schicksal zu erkundigen.

Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung akzeptiert der BGH dies nicht. Vielmehr ist der BGH der Auffassung, dass sich ein Rechtsanwalt bei einem ordnungsgemäß begründeten (§ 520 Abs. 2 S. 3 ZPO) erstmaligen Verlängerungsantrag im Allgemeinen darauf verlassen darf, dass diesem stattgegeben wird. Das bedeutet wiederum, dass er sich bei einem solchen erstmaligen Antrag nicht innerhalb der ursprünglich laufenden Begründungsfrist danach erkundigen muss, ob der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist und positiv beschieden wurde. Auch ist dabei zu berücksichtigen, dass bei einem erstmaligen Verlängerungsantrag keine hohen Anforderungen an dessen Bewilligung gestellt werden dürfen.

Fazit: Dieser Sichtweise ist auch aus praktischen Gründen zuzustimmen. Angesichts der häufigen Überlastung von Geschäftsstellen der Gerichte gibt es zahlreiche Gründe dafür, warum über gestellte Anträge erst verspätet entschieden wird und warum bereits vom Gericht getroffene Entscheidungen darüber hinaus erst mit sehr großer Verzögerung die Verfahrensbeteiligten erreichen. Von daher wäre es zu viel verlangt, wenn man es den Rechtsanwälten aufbürden würde, sich bereits bei einem erstmaligen Verlängerungsantrag nach dessen Schicksal zu erkundigen.

Mehr zum Autor: Dr. Frank O. Fischer ist Richter am AG in Offenbach/Main. Er gehört zum festen Autorenteam der MDR und ist Mitautor des Prozessformularbuchs (Hrsg. Vorwerk).

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