Diese Woche geht es um das Rechtsverhältnis zwischen einer Vorverkaufsstelle für Eintrittskarten und deren Kunden.
Vertrieb von Eintrittskarten durch eine Vorverkaufsstelle als Kommissionärin des Veranstalters
Urteile vom 13. Juli 2022 – VIII ZR 317/21 und VIII ZR 329/21
Mit grundlegenden vertragsrechtlichen Fragen befasst sich der VIII. Zivilsenat in zwei durch die Pandemie entstandenen Rechtsstreitigkeiten
Die Kläger erwarben kurz vor Weihnachten 2019 über die Internet-Seite der Beklagten Eintrittskarten für ein Musical im April 2020 bzw. ein Konzert im März 2020. Die Beklagte ist als Ticketsystemdienstleisterin für eine Vielzahl von Veranstaltungen tätig. Sie vertreibt die Karten im Auftrag des jeweiligen Veranstalters.
Beide Veranstaltungen wurden wegen der Covid-19-Pandemie abgesagt. Die Veranstalterin bot Gutscheine zum Erwerb anderer Karten an. Die Kläger lehnten dies ab und verlangten stattdessen von der Beklagten die Rückerstattung des Kaufpreises. Die Klagen hatten in erster Instanz Erfolg. Das LG wies sie auf die Berufung der Beklagten ab.
Der BGH tritt der Vorinstanz darin bei, dass die Beklagte die Verträge mit den Klägern als Kommissionärin, also auf Rechnung des Veranstalters, aber im eigenen Namen abgeschlossen hat und dass es sich um einen Rechtskauf handelt, nämlich den Kauf des Rechts auf Teilnahme an der von dem Veranstalter durchzuführenden Veranstaltung, das durch die Eintrittskarte als kleines Inhaberpapier (§ 807 BGB) verbrieft ist. Ihre Pflichten aus diesem Vertrag hat die Beklagte durch Übereignung der Eintrittskarten vollständig erfüllt.
Später eingetretene Umstände, die das Recht auf Teilnahme an der Veranstaltung beeinträchtigen, begründen keine Gewährleistungsrechte gegenüber der Beklagten. Entscheidend ist allein die Mangelfreiheit im Zeitpunkt der Übergabe, hier also im Dezember 2019. Für die Durchführung der Veranstaltung haftet die Beklagte nicht.
Ein Widerrufsrecht ist nach § 312g Abs. 1 Nr. 9 BGB ausgeschlossen, weil es sich um einen Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen handelt, der für die Erbringung einen spezifischen Termin vorsieht. Dies gilt, wie der EuGH bereits entschieden hat, auch für den Erwerb von Eintrittskarten von einem im eigenen Namen handelnden Vermittler.
Ob die Pandemie zum Wegfall der Geschäftsgrundlage geführt hat, lässt der BGH ebenso wie das LG offen. Selbst wenn die Frage zu bejahen wäre, stünden den Klägern keine Ansprüche gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises zu. Nach der in Art. 240 § 5 EGBGB zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers war den Klägern ein Festhalten am Vertrag – d.h. die Annahme der vom Veranstalter angebotenen Gutscheine – zuzumuten.
Praxistipp: Nach Art. 240 § 5 EGBGB kann der Inhaber eines nach dieser Vorschrift ausgegebenen Gutscheins die Auszahlung des Werts verlangen, wenn er den Gutschein bis zum 31.12.2021 nicht eingelöst hat.