Blog powered by Zöller: Wiedereinsetzung trotz Signaturfehlers

Nach ständiger Rechtsprechung hindert ein Anwaltsfehler die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht, wenn die Fristversäumung durch rechtzeitige Aufdeckung des Fehlers durch das Gericht noch hätte vermieden werden können. Es fehlt dann an der Kausalität des Anwaltsfehlers; sie wird durch die Unterlassung des Gerichts gewissermaßen überholt.

Zu der Frage, wann und wie das Gericht auf erkennbare Fehler zu reagieren hat, gibt es eine umfangreiche, sehr kasuistische Rechtsprechung, die in jüngster Zeit, vor allem bedingt durch die Gegebenheiten des elektronischen Rechtsverkehrs, weiter ausdifferenziert worden ist (s. Zöller/Greger, § 233 ZPO Rn. 20 ff., 23.15; § 130a Rn. 28). Der BGH betont zwar immer wieder, dass die Gerichte nicht generell dazu aufgerufen sind, einer drohenden Fristversäumnis seitens der Partei entgegenzuwirken. Längst festgeschrieben ist aber (angestoßen durch das BVerfG), dass die Falschadressierung eines Schriftsatzes dann unschädlich ist, wenn er so rechtzeitig beim unzuständigen Gericht eingegangen und der Zuständigkeitsmangel so leicht erkennbar ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das zuständige Gericht im ordentlichen Geschäftsgang erwartet werden konnte. Wann ein solcher Mangel erkannt werden muss und welche Zeit ein ordentlicher Geschäftsgang in Anspruch nehmen darf, darüber wird jedoch sehr einzelfallbezogen gestritten und entschieden.

Der elektronische Rechtsverkehr bringt hierzu permanent neue Fragestellungen hervor. Die letzte BGH-Entscheidung in diesem Kontext betraf den Fall, dass der fristgebundene Schriftsatz über das beA eines anderen als des einfach signierenden Rechtsanwalts eingereicht worden war. Der BGH entschied, dass dieser zur Unwirksamkeit der Prozesshandlung führende Mangel von der Geschäftsstelle des Gerichts hätte erkannt und dem Einreicher ein entsprechender Hinweis gegeben werden müssen. Da bei Eingang des Schriftsatzes noch 30 Kalendertage bis zum Fristablauf offenstanden, hätte die ordnungsgemäße Einreichung dann nachgeholt werden können, denn länger als zehn bis zwölf Kalendertage dürfe eine solche rein formale Prüfung nicht dauern (BGH v. 20.8.2025 – VII ZB 16/24).

Ein anderer Senat des BGH hat dies in einer Entscheidung v. 19.1.2023 (V ZB 28/22, MDR 2023, 381) noch anders gesehen. Demnach komme es auf die Erkennbarkeit eines Signaturfehlers für die Geschäftsstelle nicht an, denn dieser obliege nur die Prüfung des Dateiformats. Ob das Dokument ordnungsgemäß übermittelt wurde, betreffe dagegen die vom Gericht vorzunehmende Zulässigkeitsprüfung. Dass der Vorsitzende den Signaturfehler bereits am übernächsten Tag des Eingangs bei der Geschäftsstelle erkennen würde, sei nicht zu erwarten gewesen. Wie der BGH wiederholt (allerdings im Zusammenhang mit Fragen der Zuständigkeit oder Statthaftigkeit) entschieden hat, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Richter die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels nicht zeitnah nach dessen Eingang, sondern erst bei der Bearbeitung des Falls und ggf. nach Ablauf der Fristen überprüft (zuletzt BGH v. 6.8.2025 – XII ZB 103/25).

Auf der (einigermaßen) sicheren Seite ist der Anwalt daher nur, wenn er (abgesehen natürlich von sorgfältiger Ausgangskontrolle) fristwahrende Schriftsätze zehn bis zwölf Kalendertage vor Fristablauf einreicht.


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