Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die formellen Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde.

Beschwer bei vollständiger Abweisung einer Stufenklage mit Mindestbetrag
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2025 – VI ZR 217/24

Der VI. Zivilsenat fasst die Rechtsprechung des BGH zusammen und zeigt die daraus resultierenden Folgen im Zusammenhang mit § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auf.

Die Klägerin begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Umfang der Speicherung und Weitergabe von personenbezogenen Daten und Zahlung von Ersatz für aus diesen Handlungen entstandene immaterielle Schäden in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch 19.500 Euro. Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Der BGH verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin als unzulässig, weil der Wert der geltend zu machenden Beschwer den nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgeblichen Schwellenwert von 20.000 Euro nicht übersteigt.

Nach der Rechtsprechung des BGH bemisst sich die Beschwer bei der vollständigen Abweisung einer Stufenklage nach dem Wert des Hauptanspruchs. Dieser beträgt im Streitfall 19.500 Euro.

Die in den vorgelagerten Stufen geltend gemachten Ansprüche sind nicht werterhöhend zu berücksichtigen, weil sie nur vorbereitenden Charakter haben (BGH, B. v. 26.11.2020 – V ZR 87/20, Rn. 9 ff.).

Im Streitfall liegt eine Stufenklage vor, weil die Klägerin die Ansprüche auf Auskunft nur zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs geltend gemacht hat. Dass sie ihr Begehren auf Art. 15 DSGVO gestützt hat und Ansprüche auf dieser Grundlage auch eigenständig geltend gemacht werden können, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Klägerin einen vom Ergebnis der Auskunft unabhängigen Mindestbetrag verlangt hat.

Praxistipp: Ein Beschwerdeführer, der in den Vorinstanzen einen 20.000 Euro nicht übersteigenden Betrag als Streitwert vorgeschlagen oder einer entsprechenden Festsetzung nicht entgegengetreten ist, darf in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht geltend machen, seine Beschwer übersteige diesen Betrag.

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Diese Woche geht es um die Relevanz von Hilfsanträgen bei der Berechnung der Beschwer in einem Rechtsmittelverfahren.

Wert der Beschwer bei nicht beschiedenen Hilfsanträgen
BGH, Beschluss vom 20. Februar 2025 – I ZR 119/24

Eine Entscheidung des I. Zivilsenats verdeutlicht, dass das Bestreben, das Kostenrisiko möglichst gering zu halten, mit Nebenwirkungen verbunden sein kann.

Die Klägerin hat die Beklagte im Jahr 2018 mit dem Transport und der anschließenden Lagerung einer Druckmaschine betraut. Bei der Auslieferung der Maschine im Jahr 2022 stellte sich heraus, dass die Maschine starke Rostschäden aufweist und nicht mehr funktionsfähig ist. Die Klägerin beziffert den daraus resultierenden Schaden auf rund 370.000 Euro. Die Beklagte beruft sich unter anderem auf die in Nr. 24.1.2 ADSp vorgesehene Haftungsobergrenze von 35.000 Euro. Die Klägerin macht geltend, diese Obergrenze sei gemäß Nr. 27.1 ADSp nicht einschlägig, weil die Beklagte grob fahrlässig gehandelt habe.

Die Klägerin begehrt Zahlung von 35.001 Euro. Für den Fall, dass dieser Antrag in vollem Umfang Erfolg hat, verlangt sie ergänzend die Zahlung weiterer 335.000 Euro und die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz aller weiteren Schäden verpflichtet ist. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat der Klägerin einen Ersatzanspruch in Höhe von 35.000 Euro zuerkannt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Der BGH setzt den Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens auf 1 Euro fest.

Für die Berechnung der geltend zu machenden Beschwer ist nur die Differenz zwischen dem Hauptantrag und dem vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrag maßgeblich. Diese beträgt 1 Euro.

Die Hilfsanträge der Klägerin wären nur dann maßgeblich, wenn das OLG über sie entschieden hätte. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben.

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt der aufgezeigte Grundsatz nicht nur für Hilfsanträge, die für den Fall gestellt worden sind, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt, sondern auch für solche, die unter der Bedingung stehen, dass der Hauptantrag Erfolg hat.

Praxistipp: Um die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde offenzuhalten, muss der Hauptantrag in solchen Fällen auf Zahlung von mehr als 20.000 Euro gerichtet sein. Im vorliegenden Fall hätte der Kläger mithin mindestens 55.001 Euro einklagen müssen, um eine höchstrichterliche Entscheidung über die Anwendbarkeit der Haftungsobergrenze herbeiführen zu können.

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Diese Woche geht es erneut um eine prozessuale Frage, die anlässlich eines so genannten Diesel-Falls zu entscheiden war

Beschwer bei Abweisung einer Klage auf Zahlung Zug um Zug gegen Erfüllung einer ebenfalls auf Zahlung gerichteten Gegenforderung
Beschluss vom 12. Oktober 2021 – VIII ZR 255/20

Mit der in § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO normierten Wertgrenze für die Statthaftigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde befasst sich der VIII. Zivilsenat in einem so genannten Diesel-Fall.

Der Kläger kaufte bei der Beklagten im Jahr 2016 einen neuen VW Caddy zum Preis von rund 18.500 Euro. Im Jahr 2018 trat der Kläger wegen der zum Motor gehörenden Steuerungssoftware vom Vertrag zurück. Er klagt auf Rückzahlung einer angeblichen Kaufpreisforderung von rund 20.500 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und gegen Zahlung einer von der Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß und setzte die Höhe der Zug um Zug zu zahlenden Nutzungsentschädigung auf rund 3.000 Euro fest. Die auf Herabsetzung dieses Betrags gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos. Auf die Berufung der Beklagten wies das OLG die Klage ab.

Der BGH verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig, weil die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Wertgrenze von 20.000 Euro nicht überschritten ist.

Bei der Abweisung einer Klage auf Leistung Zug um Zug ist für die Beschwer des Klägers grundsätzlich nur der Wert des mit der Klage begehrten Gegenstands maßgeblich. Deshalb ist im Streitfall der Wert der Klageforderung nicht um den Restwert des Fahrzeugs zu verringern. Wertmindernd anzusetzen ist jedoch der Wert der Zug um Zug angebotenen Nutzungsentschädigung. Ein solchermaßen formulierter Klageantrag ist für die Berechnung des Beschwerdewerts nicht anders zu behandeln als eine Aufrechnung.

Im Streitfall hat der Kläger die Höhe der Nutzungsentschädigung, die er zu zahlen bereit ist, zwar nicht beziffert. Bei der Wertberechnung ist aber derjenige Betrag anzusetzen, den der Kläger auf der Grundlage seines Vorbringens auf jeden Fall zu zahlen hat. Dies sind im Streitfall etwas mehr als 10 % des Kaufpreises, weil das Fahrzeug eine Laufleistung von rund 51.000 km hat und der Kläger in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat, die Nutzungsentschädigung sei auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km zu berechnen. Der Wert des Beschwerdegegenstand beträgt deshalb nur rund 18.600 Euro.

Praxistipp: Bei unbezifferten Anträgen müssen die Parteien die für die Wertbemessung maßgeblichen Umstände spätestens in der Berufungsinstanz vortragen. Die erstmalige Geltendmachung solcher Umstände in der dritten Instanz vermag die Statthaftigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu begründen.