Anwaltsblog 25/2025: Kein Erfolgshonorar für Vermittlung der Zulassung zum Studium bei Nichtannahme des Studienplatzes

Der BGH hatte die Wirksamkeit einer Klausel in einem Vertrag über die Vermittlung eines Studienplatzes zu beurteilen, nach der die volle Vergütung bereits mit der Studienplatzzusage gezahlt werden muss (BGH, Urteil vom 5. Juni 2025 – I ZR 160/24):

Die Klägerin vermittelt deutschen Studienbewerbern Plätze in medizinisch-pharmazeutischen Studiengängen an ausländischen Universitäten. Der Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Vermittlung eines Medizinstudienplatzes an der Universität Mostar/Bosnien. In den Vermittlungsbedingungen heißt es: „Erhält der Studienbewerber einen Studienplatz unter Mitwirkung der Klägerin, zahlt der Studienbewerber an die Klägerin ein Erfolgshonorar (netto) in Höhe einer Jahresstudiengebühr der jeweiligen Universität für den beauftragten Studiengang.“ In der Folge erklärte der Beklagte, er nehme Abstand vom Vertrag. Die Klägerin macht geltend, die Universität Mostar habe ihn bereits zum Studium zugelassen. Die Pflicht zur Zahlung des Vermittlungshonorars bestehe unabhängig davon, ob der Beklagte das Studium dort auch aufnehme. Das Landgericht wie Berufungsgericht haben die Klage auf Zahlung des Erfolgshonorars abgewiesen. Ein Provisionsanspruch bestehe nicht, weil die Honorarvereinbarung den Beklagten unangemessen benachteilige und daher unwirksam sei.

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen. Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (Nr. 1) oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (Nr. 2). Voraussetzung ist zunächst eine Benachteiligung des Vertragspartners von einigem Gewicht. Eine solche Benachteiligung ist iSv. § 307 BGB unangemessen, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.

Die gesetzliche Regelung, deren wesentlicher Grundgedanke für die gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorzunehmende Inhaltskontrolle der Vermittlungsbedingungen maßgeblich ist, ist dem Maklerrecht iSd. §§ 652 ff. BGB zu entnehmen. Dies gilt, obwohl es sich bei der Vermittlungsvereinbarung um einen gemischttypischen Vertrag handelt, der auch dienst- und werkvertragliche Elemente aufweist. Ein gemischter Vertrag bildet ein einheitliches Ganzes und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung nicht in dem Sinn in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden, dass beispielsweise auf den Mietvertragsanteil Mietrecht, auf den Dienstvertragsanteil Dienstvertragsrecht und auf den Kaufvertragsanteil Kaufrecht anzuwenden wäre. Der Eigenart des Vertrags wird vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt. Überwiegt ein Vertragsbestandteil und ist er deshalb für das Wesen dieses Vertrags prägend, so ist grundsätzlich das Recht dieses Bestandteils für den ganzen Vertrag entscheidend.

Nach den Vermittlungsbedingungen hat der Studienbewerber der Klägerin ein Erfolgshonorar in Höhe einer Jahresstudiengebühr der jeweiligen Universität für den beauftragten Studiengang zu zahlen, wenn er unter Mitwirkung der Klägerin einen Studienplatz erhält. Die Vergütungsregelung hält der Inhaltskontrolle nicht stand und ist daher unwirksam, weil sie den Auftraggeber gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Die Vergütung ist als Erfolgshonorar ausgestaltet. Sie sollte nicht erst mit dem Abschluss des Studienvertrags durch den Beklagten, sondern mit der Zulassung zum Studium durch die Universität, das heißt mit dem Nachweis einer Möglichkeit zum Vertragsschluss, verdient sein. Zum Leitbild des Maklervertrags gemäß § 652 BGB gehören die Erfolgsabhängigkeit der Provision, die Entschließungsfreiheit des Auftraggebers, die Ursächlichkeit der Maklertätigkeit für den Vertragsabschluss und die fehlende Verpflichtung des Maklers zur Leistungserbringung. Klauseln, welche die Entscheidungsfreiheit des Auftraggebers durch Zahlungsverpflichtungen einschränkten, sind deshalb regelmäßig als unangemessen und unwirksam zu bewerten. Ein Vertragspartner, der die volle Erfolgsvergütung bereits mit der Studienplatzzusage zahlen müsste, ist – gerade auch in Anbetracht der Höhe der Vergütung, die einer Jahresstudiengebühr entspreche – in seiner Entschließungsfreiheit über die Annahme dieses Studienplatzes beeinträchtigt. Dies benachteiligt den Auftraggeber unangemessen, da die Leistung für ihn bei einem Wegfall seines Interesses an dem Abschluss des Hauptvertrags keinen Wert habe.

Die Abweichung von den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen zum Maklervertrag ist auch nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Zwar führt die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild nicht zur Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen, wenn die Leitbildabweichung sachlich gerechtfertigt ist und die Wahrung des gesetzlichen Schutzzwecks auf andere Weise sichergestellt wird. Solche besonderen Umstände sind nicht ersichtlich.

 

Fazit: Gemischte Verträge, die Elemente verschiedener Vertragstypen aufweisen, sind nach dem Grundsatz zu beurteilen, dass der Eigenart des Vertrags grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht wird, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt. Ein gemischttypischer Vertrag, der zwar dienst- und werkvertragliche Elemente aufweist, im Schwerpunkt aber darauf gerichtet ist, Bewerbern aus Deutschland gegen Entgelt Studienplätze an ausländischen Universitäten zu vermitteln, ist bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung unter dem Gesichtspunkt der Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) am Leitbild des Maklervertrags zu messen.

Anwaltsblog 44/2024: Bauvertrag – Wann liegt eine Anordnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B vor?

Der BGH hatte zu entscheiden, ob bei einer Verzögerung der Bauausführung die Mitteilung des Auftraggebers an den Auftragnehmer von der dadurch bedingten Störung des Vertrags als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B mit der Rechtsfolge der Vereinbarung eines neuen Preises unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten gewertet werden kann (BGH, Urteil vom 19. September 2024 – VII ZR 10/24):

 

Der Beklagte hatte die Klägerin nach öffentlicher Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B mit Leistungen des Gewerks „Starkstromanlagen an dem Bauvorhaben Umsetzung museale Neukonzeption“ beauftragt. In den Besonderen Vertragsbedingungen des Beklagten waren ein Ausführungsbeginn am 19. Juni 2018 und eine abnahmereife Fertigstellung der Arbeiten der Klägerin am 10. Januar 2019 vorgesehen. Am 23. August 2018 übergab der Beklagte der Klägerin einen Bauablaufplan, der den Bauablauf ab dem 28. August 2018 abbilden und Grundlage für die weitere Bauausführung der beteiligten Gewerke sein sollte. Wesentliche Leistungen der Klägerin waren danach erst im Jahr 2019 zu erbringen, wobei die Abnahme für den 17. September 2019 geplant war. Am 31. Januar 2019 übermittelte der Beklagte der Klägerin einen korrigierten Bauablaufplan für die weitere Bauausführung; dieser sah nunmehr eine Verschiebung der Abnahme auf den 29. Oktober 2019 vor. Nach Abnahme ihrer Arbeiten im November 2019 machte die Klägerin Mehrkosten von insgesamt 56.729,59 € für Personal und Baucontainer wegen Verlängerung der Bauzeit und wegen gestiegener Tariflöhne ab dem Jahr 2019 geltend. Der Beklagte beglich diesen Betrag nicht. LG wie OLG haben die Zahlungsklage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat einen Mehrvergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B wegen Verlängerung der Bauzeit zu Recht verneint. Es hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Übermittlung der Bauablaufpläne am 23. August 2018 und am 31. Januar 2019 an die Klägerin keine Anordnung des Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B darstellt. Gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ist für den Fall, dass durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden, ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, kann der Auftragnehmer den sich aus § 2 Abs. 5 VOB/B ergebenden Vergütungsanspruch im Wege der Klage geltend machen. Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ist danach eine Anordnung des Auftraggebers zur Änderung des Bauentwurfs oder eine andere Anordnung. § 2 Abs. 5 VOB/B ist dahin auszulegen, dass eine solche Anordnung eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers erfordert, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll. Für die Änderung des Bauentwurfs, die der Auftraggeber gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B anordnen darf, liegt dies auf der Hand. Mit ihr sollen im Vertrag vereinbarte Leistungspflichten des Auftragnehmers betreffend den „Bauentwurf“ geändert werden. Diese Befugnis des Auftraggebers begründet im Gegenzug den Mehrvergütungsanspruch des Auftragnehmers gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B, wenn hierdurch die Grundlagen des Preises geändert werden. Für die „andere Anordnung“ im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B kann insoweit nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung nichts anderes gelten. Von der Anordnung iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B sind nach der Systematik der VOB/B Störungen des Vertrags aufgrund von Behinderungen abzugrenzen, die faktisch zu Bauzeitverzögerungen führen. Derartige Störungen können nicht als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B gewertet werden. Störungen aufgrund von Behinderungen führen nach der Systematik der VOB/B daher nicht zu einem Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B, sondern zu Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen, wenn der Auftraggeber vertragliche Verpflichtungen oder ihm obliegende Mitwirkungshandlungen nicht erfüllt.

 

Fazit: Eine Anordnung iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B erfordert eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll. Liegt eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt, und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt keine Anordnung iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B vor.