Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Obliegenheit zur Schadensminderung durch Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit

Obliegenheit zur Schadensminderung nach Unfallverletzungen
Urteil vom 21. September 2021 – VI ZR 91/19

Mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der 1969 geborene Kläger litt seit seiner Geburt an genetisch bedingten Krankheiten. Der Grad der Behinderung betrug 60%. Im Jahr 2004 erlitt er bei einem Motorradunfall schwere Verletzungen, die gesundheitliche Komplikationen und depressive Störungen zur Folge hatten. Ab 2007 erhält er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Von der beklagten Versicherung, die für die Folgen des Unfalls einzustehen hat, begehrt er Ersatz von Verdienstausfall in Höhe von rund 1.500 Euro pro Monat. Die Klage war in erster Instanz im Wesentlichen erfolgreich. Das OLG sprach dem Kläger für den Zeitraum ab Januar 2013 nur 25 % des geltend gemachten Betrags zu und wies die weitergehende Klage ab.

Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Der BGH erachtet schon die Erwägungen, mit denen das OLG einen Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB bejaht hat, als nicht tragfähig. Der Kläger ist zwar gehalten, eine zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen und sich zumutbaren Behandlungen zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit zu unterziehen. Das OLG hat sich aber nicht mit der Frage befasst, welche konkreten therapeutischen Maßnahmen im Streitfall in Betracht kommen. Es hätte ferner dem Vortrag des Klägers nachgehen müssen, die behandelnden Ärzte hätten eine zukünftige Besserung der Leistungsfähigkeit ausgeschlossen. Selbst wenn eine bestimmte Therapie indiziert wäre, hätte der Kläger für die Verweigerung oder Verzögerung derselben grundsätzlich nicht einzustehen, wenn dies eine typische Folge der unfallbedingten psychischen Erkrankung wäre. Darüber hinaus hätte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres unterstellen dürfen, dass der Kläger bei vollständiger oder teilweiser Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit eine neue Beschäftigung gefunden hätte.

Die Art und Weise, in der das OLG dem von ihm bejahten Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung berücksichtigt hat, hält der rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Hätte der Kläger bei Einhaltung aller zumutbaren Maßnahmen Einkünfte erzielen können, muss er sich diese in voller Höhe anrechnen lassen. Eine quotenmäßige Anspruchskürzung ist in dieser Konstellation nicht zulässig.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast für die Möglichkeit zur Erzielung von Einkünften liegt beim Schädiger. Den Verletzten trifft aber eine sekundäre Darlegungslast. Er muss darlegen, was er unternommen hat, um seine Gesundheit zu verbessern und Arbeit zu finden, oder was dem gegebenenfalls entgegenstand.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen Prozesszinsen und Darlehenszinsen

Anrechnung von Prozesszinsen auf zu erstattende Darlehenszinsen
Urteil vom 2. Juli 2021 – V ZR 95/20

Mit dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatten von der Beklagten im März 2007 für rund 130.000 Euro eine Eigentumswohnung gekauft. Zur Finanzierung nahmen sie einen Bankdarlehen über einen Gesamtbetrag von rund 140.000 Euro auf. Im Juli 2015 wurde die Beklagte wegen fehlerhafter Beratung zur Erstattung des gesamten Darlehensbetrags nebst Prozesszinsen seit Dezember 2012 verurteilt. Nach Rechtskraft des Urteils zahlte die Beklagte den Darlehensbetrag zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von rund 27.000 Euro an die Klägerin. Im nunmehr anhängigen Rechtsstreit verlangt die Klägerin Ersatz der an die Bank gezahlten Zinsen und weiterer Finanzierungskosten in Höhe von insgesamt rund 36.000 Euro. Die Klage war in den beiden ersten Instanzen im Wesentlichen erfolgreich.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG sind die zugesprochenen Prozesszinsen auf den Anspruch auf Ersatz für die im gleichen Zeitraum angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen über die Vorteilsanrechnung. Prozesszinsen dienen dem Ausgleich von Nachteilen, die der Gläubiger erleidet, weil er einen ihm zustehenden Geldbetrag nicht nutzen kann. Dieser Nachteil ist im Streitfall deckungsgleich mit dem Nachteil, den die Klägerin dadurch erlitten hat, dass sie weiterhin Zinsen auf das zur Finanzierung des Wohnungserwerbs aufgenommene Darlehen zahlen musste. Die Prozesszinsen sind deshalb auf den Anspruch auf Ersatz der ab Dezember 2012 angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Welcher Betrag danach verbleibt, hat das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären.

Praxistipp: Um die Klage schlüssig zu machen, muss der Kläger im Einzelnen darlegen, welche Darlehenszinsen in dem Zeitraum angefallen sind, für den ihm Prozesszinsen zugesprochen wurden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen Nutzungsersatz und Prozesszinsen.

Nutzungsersatz und Prozesszinsen
Urteil vom 12. April 2019 – V ZR 341/17

Mit dem Umfang der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger hatte von der Beklagten im Jahr 1999 eine Eigentumswohnung gekauft. Im Jahr 2007 focht er den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. In einem ersten Rechtsstreit wurde die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von rund 100.000 Euro zuzüglich 4 % Prozesszinsen verurteilt. Der Gesamtbetrag der Zinsen belief sich im Zeitpunkt der Zahlung auf rund 30.000 Euro. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger zusätzlich Herausgabe der aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen in Höhe von rund 47.000 Euro. Das LG sprach ihm lediglich rund 17.000 Euro zu, das OLG den gesamten Klagebetrag.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Er stützt sich auf seine Rechtsprechung, wonach ein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen aus einem rechtsgrundlos überlassenen Geldbetrag und ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen nicht kumulativ geltend gemacht werden können, weil beide Ansprüche auf den Ausgleich desselben Nachteils gerichtet sind. Entgegen der Auffassung des OLG gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der Bereicherungsschuldner der verschärften Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB unterliegt.

Praxistipp: Um gegen alle prozessualen Unwägbarkeiten gewappnet zu sein, sollte der Kläger derartige Ansprüche in erster Linie auf § 818 Abs. 1 BGB und hilfsweise auf § 291 BGB stützen.