Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die ersatzfähigen Behandlungskosten eines gesetzlich versicherten Geschädigten.

Darlegungslast für Behandlungskosten
BGH, Urteil vom 9. Juli 2024 – VI ZR 252/23

Der VI. Zivilsenat befasst sich erneut mit einer Schnittstelle zwischen Zivil- und Sozialrecht.

Die klagende Krankenkasse verlangt vom beklagten Haftpflichtversicherer Erstattung von Behandlungskosten eines Versicherten, der bei einem Motorradunfall schwer verletzt worden ist. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach und die Schwere der erlittenen Verletzungen stehen außer Streit. Die Klägerin hat für die Behandlung in einem Universitätsklinikum rund 58.000 Euro bezahlt und für die Behandlung in einem Rehabilitationszentrum rund 36.000 Euro. Die Beklagte hat den Erstattungsanspruch in Höhe von rund 49.000 Euro anerkannt. Eine weitere Kostenerstattung lehnt sie ab, weil die von der Klägerin vorgelegten Abrechnungsdaten und Berichte der Krankenhäuser nach ihrer Auffassung nicht die Prüfung ermöglichen, ob die aufgewendeten Kosten erforderlich waren.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung des nicht anerkannten Restbetrags von rund 45.000 Euro verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG sind die geltend gemachten Kosten nicht schon deshalb ersatzfähig, weil die Klägerin nach sozialrechtlichen Vorschriften zur Zahlung der abgerechneten Beträge an die Krankenhäuser verpflichtet ist. Die Klägerin kann lediglich Ersatzansprüche des Geschädigten geltend machen, die gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf sie übergegangen sind. Der Übergang des Anspruchs auf die Klägerin ändert nichts daran, dass nur derjenige Schaden zu ersetzen ist, der dem Geschädigten entstanden ist.

Entgegen der Auffassung des OLG ist die Regelung in § 118 SGB X, wonach eine unanfechtbare Entscheidung eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts oder eines Sozialversicherungsträgers über Grund oder Höhe einer dem Leistungsträger obliegenden Verpflichtung für die Zivilgerichte grundsätzlich bindend ist, in diesem Zusammenhang weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Für die Höhe des Klageanspruchs ist nicht maßgeblich, in welchem Umfang die Klägerin gegenüber ihrem Versicherten zur Leistung verpflichtet ist, sondern nur, welche Behandlungskosten für den Geschädigten erforderlich waren.

Der Übergang des Ersatzanspruchs auf den Sozialversicherungsträger darf auch nicht zu einer Änderung der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Schädigers führen. Die Klägerin muss die Erforderlichkeit der geltend gemachten Behandlungskosten deshalb in gleicher Weise darlegen und unter Beweis stellen, wie dies der Geschädigte selbst tun müsste.

Deshalb sind die von der Klägerin vorgelegten Abrechnungsunterlagen der Krankenhäuser (so genannte Grouper-Ausdrucke) zur Darlegung der Schadenshöhe nicht ausreichend. Diese Unterlagen ermöglichen allenfalls eine beschränkte Überprüfung darauf, ob die abgerechneten Kosten erforderlich waren. Die sozialrechtlichen Vorschriften, nach denen die Vorlage solcher Unterlagen eine Zahlungspflicht der Krankenkassen begründet, entfalten im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem keine Wirkung. Wegen ihres beschränkten Inhalts können sie allenfalls einen Anhaltspunkt für die Erforderlichkeit der Kosten begründen, nicht aber ein starkes Indiz oder gar eine Vermutung.

Der Grundsatz, wonach der Schädiger das so genannte Werkstattrisiko trägt, ist in der Konstellation des Streitfalls nicht anwendbar. Er greift nicht, wenn der Geschädigte seinen Ersatzanspruch an die Werkstatt abtritt. Für den gesetzlichen Anspruchsübergang nach § 116 SGB X gilt nichts anderes.

Praxistipp: Nach § 294a Abs. 1 Satz 1 SGB V sind Krankenhäuser verpflichtet, der Krankenkasse die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, mitzuteilen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Krankheit die Folge eines Unfalls ist.