Um die Abwägung zwischen dem Recht auf Rechtsverfolgung oder -verteidigung in staatlich geregelten Verfahren und dem Persönlichkeitsrecht Betroffener geht es in dieser Woche.
Unterlassungsklage eines Dritten gegen Einreichung von Fotos in gerichtlichen und behördlichen Verfahren
Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 86/16
Der VI. Zivilsenat setzt die Rechtsprechung fort, wonach Vorbringen in gerichtlichen und behördlichen Verfahren nur unter engen Voraussetzungen mit einer gesonderten Klage angegriffen werden darf.
Der im Jahr 2002 geborene Kläger lebte bis zu seinem fünften Lebensjahr bei den Großeltern. Ende 2007 verbrachte ihn das zum Vormund bestellte Stadtjugendamt in ein Heim. Die Großeltern waren damit nicht einverstanden und wendeten sich an einen Verein um Hilfe, dessen stellvertretender Vorsitzender der Beklagte war. Dieser erhob Anfang 2009 gegenüber verschiedenen Institutionen den Vorwurf, der Kläger werde im Heim misshandelt. Zum Beleg übersandte er mehrere Fotos, auf denen der Kläger mit Beulen am Kopf sowie Hämatomen an Bauch und Rücken zu sehen war. Zu den Adressaten dieser Schreiben gehörten der Petitionsausschuss der Europäischen Union, das Europäische Parlament, das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter, der für die Aufsicht über das Heim zuständige Landschaftsverband, ein Landgericht, bei dem zwei für den Vormund tätige Anwälte den Beklagten wegen unzulässiger Veröffentlichung von Schriftsätzen im Internet in Anspruch nahmen, und ein Amtsgericht, bei dem der Kläger vom Beklagten die Erstattung der Kosten für eine Abmahnung wegen unzulässiger Veröffentlichung anderer Fotos im Internet begehrte. Das LG verbot dem Beklagten die weitere Einreichung solcher Fotos hinsichtlich aller sechs Institutionen. Das OLG wies die Klage hinsichtlich des Landschaftsverbands und der beiden Gerichte ab. Dagegen wandte sich die Revision des Klägers.
Der BGH weist die Revision zurück, soweit es um den Landschaftsverband geht. Hinsichtlich der beiden Gerichte stellt er das erstinstanzliche Urteil wieder her. Zur Begründung knüpft er an seine ständige Rechtsprechung an, wonach für eine zivilrechtliche Klage gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Diese Grundsätze gelten mit gewissen Einschränkungen auch insoweit, als ein Dritter betroffen ist, der an dem anderen Verfahren nicht beteiligt ist. Sie sind entsprechend heranzuziehen, wenn es nicht um schriftlichen oder mündlichen Vortrag, sondern um Vorlage von Fotos oder dergleichen geht. Eine Klage ist danach nur dann zulässig, wenn die Fotos der Intimsphäre des Betroffenen zuzuordnen sind oder wenn ihr Inhalt keinen hinreichenden sachlichen Bezug zu dem Verfahren aufweist. Im Streitfall betrafen die Bilder (noch) nicht die Intimsphäre des Klägers. Ihre Weitergabe führte aber zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Privatsphäre. Deshalb muss ein besonders enger sachlicher Bezug zu dem jeweiligen Verfahren bestehen. Diese Voraussetzung war hinsichtlich des Landschaftsverbands gegeben, weil dieser dem Vorwurf der Kindesmisshandlung in dem von ihm beaufsichtigten Heim nachgehen muss. Hinsichtlich der beiden Gerichte fehlte es hingegen an dem erforderlichen Zusammenhang, weil es in den dort anhängigen Verfahren um andere Fotos bzw. Äußerungen ging und der Beklagte die Fotos nicht als Beweismittel für konkreten Sachvortrag benannt, sondern nur pauschal in Bezug genommen hatte.
Praxistipp: Soweit eine Klage nach den aufgezeigten Grundsätzen unzulässig ist, stehen dem Betroffenen auch nach Abschluss des Verfahrens, in dem die Bilder eingereicht wurden, deswegen keine Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz zu.