Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Einstandspflicht für Schäden an einem Leasingfahrzeug aufgrund eines Unfalls mit ungeklärter Ursache.

Regress gegen Fahrer und Halter des bei einem Unfall beschädigten Leasingfahrzeugs
BGH, Urteil vom 18. April 2023 – VI ZR 345/21

Der VI. Zivilsenat beleuchtet eine weitere Facette einer häufig kritisierten Haftungsregelung.

Ein bei der Klägerin haftpflichtversicherter Klein-Lkw war bei einem Verkehrsunfall mit einem Pkw kollidiert, den der Beklagte zu 1 von einer Leasinggesellschaft geleast hat. Fahrer des Pkw im Unfallzeitpunkt war der Beklagte zu 2. Der Unfallhergang konnte nicht geklärt werden. Die Klägerin erstattete der Leasinggeberin als Eigentümerin des Pkw die daran entstandenen Schäden vollständig. Im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs verlangt sie die Hälfte dieses Betrags von den Beklagten ersetzt. Sie stützt sich insbesondere auf Regelungen im Leasingvertrag, wonach der Leasingnehmer für Untergang und Beschädigung des Fahrzeugs unabhängig von Verschulden haftet und Ersatzansprüche gegen Versicherungen und Dritte an den Leasingnehmer abtritt.

Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerin bleibt ebenfalls erfolglos.

Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin gegenüber der Leasinggeberin zum vollständigen Ersatz des am Leasingfahrzeug entstandenen Schadens verpflichtet war. Der BGH bestätigt seine ständige Rechtsprechung, wonach der Eigentümer eines Fahrzeugs, der nicht zugleich dessen Halter ist, sich auf einen Anspruch auf Ersatz von am Fahrzeug entstandenen Schäden aus § 7 StVG nur ein eigenes Verschulden anrechnen lassen muss, nicht aber die Betriebsgefahr des Fahrzeugs oder ein Verschulden des Fahrers.

Ebenfalls zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagten für diesen Schaden nicht als Gesamtschuldner haften.

Ansprüche aus § 7 Abs. 1 oder § 18 Abs. 1 StVG scheiden aus, weil diese Vorschriften nur Schäden an anderen Sachen erfassen, nicht aber den Schaden am Fahrzeug des Halters bzw. Fahrers, gegen den sich der Anspruch richtet. Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB scheiden aus, weil ein Verschulden der Beklagten nicht feststellbar ist.

Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von Pflichten aus dem Leasingvertrag sind ebenfalls nicht gegeben. Der Einsatz des Fahrzeugs im Straßenverkehr stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung dar. Entsprechendes gilt für die Beschädigung des Fahrzeugs beim Unfall. Die Beschädigung führt auch nicht dazu, dass eine Pflichtverletzung des Leasingnehmers entsprechend § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vermuten ist. Eine solche Umkehr der Beweislast tritt nur dann ein, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein im Obhuts- und Gefahrenbereich des Leasingnehmers liegen. An letzterem fehlt es, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Unfall allein durch Fehlverhalten des Gegners verursacht worden ist.

Die von der Klägerin herangezogenen Haftungsregelungen aus dem Leasingvertrag begründen keine Schadensersatzansprüche. Sie regeln lediglich die Gefahrtragung. Selbst wenn der Beklagte zu 1 als Leasingnehmer der Leasinggeberin nach diesen Vorschriften zum Schadensersatz verpflichtet wäre, fehlte es an dem für ein Gesamtschuldverhältnis mit dem Unfallgegner und der Klägerin erforderlichen Merkmal der Gleichstufigkeit.

Praxistipp: Die Verlagerung des üblicherweise den Halter treffenden Haftungsrisikos auf den Unfallgegner kann in solchen Situationen nur dann vermieden werden, wenn dem Fahrer des Leasingfahrzeugs ein für den Unfall ursächliches Verschulden nachgewiesen werden kann..

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen der Haftung für die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs.

Explosion der ausgebauten Batterie eines Elektrorollers
BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 – VI ZR 1234/20

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit den Grenzen der Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG.

Ein Versicherungsnehmer der beklagten Haftpflichtversicherung brachte seinen Elektroroller zur Inspektion in Werkstatträume, die bei der klagenden Gebäudeversicherung versichert waren. Ein Mitarbeiter der Werkstatt entnahm die Batterie des Rollers und begann sie aufzuladen. Als er bemerkte, dass sie sich stark erhitzte, trennte er sie vom Stromnetz und legte sie zur Abkühlung auf den Boden der Werkstatt. Kurz darauf explodierte die Batterie und setzte das Gebäude in Brand.

Die Klage auf Ersatz des Brandschadens blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die vom BGH zugelassene Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.

Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es an dem für die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG erforderlichen Zusammenhang zu der vom Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr allerdings nicht schon deshalb, weil der Roller zur Inspektion in einer Werkstatt war. Ein Schaden, der durch eine Betriebseinrichtung des Fahrzeugs verursacht wird, geht auch dann auf die Betriebsgefahr zurück, wenn er unabhängig vom Fahrbetrieb eingetreten ist.

Die Berufungsentscheidung erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend, weil die Batterie im Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht mehr in das Fahrzeug eingebaut war. Nach dem Ausbau ist die Batterie nicht anders zu beurteilen als ein anderes Bauteil, das erstmals in das Fahrzeug eingebaut werden soll. Der Umstand, dass die Batterie sich zuvor im Elektroroller befand und sich dort entladen hatte, begründet noch keinen hinreichenden Zusammenhang zum Fahrbetrieb.

Praxistipp: Der Zurechnungszusammenhang kann trotz vorherigen Ausbaus zu bejahen sein, wenn der Schaden in nahem örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang steht. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn die Batterie aufgrund starker Belastung im Fahrbetrieb schon bei der Ankunft in der Werkstatt überhitzt war und dieser Umstand für den Schaden ursächlich geworden ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um zwei nahezu klassische Fragen, die sich in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder stellen.

Reichweite der Haftung für die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs
Urteil vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 158/19

Mit den Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die klagende Versicherung nimmt die Beklagte wegen eines Brandschadens in der Autoreparaturwerkstatt ihres Versicherungsnehmers in Anspruch. Die Beklagte hatte einen Lkw in die Werkstatt gebracht, um die Hinterreifen auszutauschen und am nächsten Tag eine TÜV-Untersuchung durchzuführen. In der Nacht vor der Untersuchung geriet das Werkstattgebäude in Brand. Als Ursache wurde ein Defekt des in der Werkstatt abgestellten Lkw festgestellt. Unklar blieb, ob der Defekt am Motor oder an einem in der Fahrerkabine eingebauten Kühlschrank entstanden war. Die Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Die Beklagten unterliegt auch in der dritten Instanz.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden ist, wenn das Schadensgeschehen auf eine defekte Betriebseinrichtung zurückzuführen ist. Zu den Betriebseinrichtungen gehören nicht nur Teile, die für die Transport- und Fortbewegungsfunktion von Bedeutung sind, sondern alle Bestandteile, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb des Fahrzeugs zu dienen, indem sie dessen Benutzung sicherer, leichter oder komfortabler gestalten sollen. Dazu gehört auch ein in das Fahrzeug eingebauter Kühlschrank.

Praxistipp: Nicht von § 7 Abs. 1 StVG erfasst sind Schäden, die dadurch verursacht worden sind, dass ein Kraftfahrzeug als Arbeitsgerät eingesetzt worden ist, ohne am öffentlichen Verkehr teilzunehmen.

Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen
Urteil vom 29. Oktober 2020 – IX ZR 212/19

Mit den Folgen einer fehlerhaften Anweisung befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Klägerin, eine Publikums-KG, begehrt vom Beklagten, dem Insolvenzverwalter einer anderen KG, die Feststellung einer Darlehensforderung zur Insolvenztabelle. Nach dem Vortrag der Klägerin wurde das Darlehen vom damaligen Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH, der zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der späteren Insolvenzschuldnerin war, gewährt und die Darlehenssumme unmittelbar an eine Gläubigerin der Insolvenzschuldnerin ausgezahlt. Die Komplementärin der Schuldnerin war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Nach dem Gesellschaftsvertrag bedurfte die Gewährung von Krediten unter bestimmten Voraussetzungen aber der Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Nach dem Vortrag der Beklagten fiel das in Streit stehende Darlehen unter diese Bestimmung. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Darlehensvertrag nicht schon deswegen unwirksam, weil er ohne Einwilligung der Gesellschafterversammlung geschlossen wurde. Die Komplementärin der Insolvenzschuldnerin hat durch den Abschluss dieses Vertrags zwar ihre internen Befugnisse überschritten. Bei einem Insichgeschäft eines von § 181 BGB befreiten Vertreters führt ein solcher Verstoß aber nur dann zur Unwirksamkeit des Vertrags wegen Missbrauchs der – im Außenverhältnis wirksamen – Vertretungsmacht, wenn der Vertrag für den Vertretenen nachteilig ist. Hierzu fehlt es an tatrichterlichen Feststellungen.

Selbst wenn der Vertrag unwirksam wäre, ergäbe sich aus dem Klägervorbringen ein gegen die Beklagte gerichteter Bereicherungsanspruch. Der Darlehensbetrag ist nach dem Vortrag der Klägerin zwar an einen Dritten geflossen. Der Bereicherungsanspruch richtet sich ggf. aber gegen die Schuldnerin, weil die Zahlung auf ihre Weisung erfolgt ist und der Tilgung einer ihr obliegenden Verbindlichkeit gedient hat. Dass die Weisung im Falle eines Vollmachtsmissbrauchs ebenfalls unwirksam ist, steht dem nicht entgegen. Der Zahlungsempfänger, für den der Missbrauch nicht erkennbar war, ist in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit der Weisung geschützt. Ausschlaggebend dafür ist, dass der Geschäftsführer im Außenverhältnis zur Vertretung der Schuldnerin befugt war und nur gegen Beschränkungen im Innenverhältnis verstoßen hat.

Praxistipp: Aufgrund der Sonderregelung in § 675u BGB ist das Vertrauen des Zahlungsempfängers nicht geschützt, wenn die Leistung durch einen Zahlungsdienstleister erfolgt und der zugrunde liegende Zahlungsauftrag zuvor storniert worden ist.