Montagsblog: Neues vom BGH

Um zwei anwaltliche Vorgehensweisen der Kategorie „unschädlich, aber dennoch unnötig“ geht es in dieser Woche.

Korrektur eines falsch adressierten Schriftsatzes
Beschluss vom 25. Oktober 2018 – V ZB 259/17

Mit den Sorgfaltsanforderungen bei der Korrektur eines falsch adressierten fristgebundenen Schriftsatzes befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger waren in erster Instanz vor dem LG unterlegen. Am letzten Tag der Frist übermittelte ihr Anwalt eine Berufungsschrift an den Telefaxanschluss des LG. Der Schriftsatz wurde an das zuständige OLG weitergeleitet, ging dort aber erst einige Tage später ein. Mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch machten die Kläger geltend, ihr Prozessbevollmächtigter habe die unzutreffende Adressierung nach Unterzeichnung des Schriftsatzes bemerkt, einen korrigierten Schriftsatz unterzeichnet und die mit dem Versand betraute Kanzleikraft angewiesen, den korrigierten Schriftsatz zu versenden. Das OLG versagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verweist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Begründetheit der Berufung an das OLG zurück. Abweichend vom OLG hält es der BGH für ausreichend, dass der Prozessbevollmächtigte den Fehler korrigiert und die Kanzleikraft angewiesen hat, den korrigierten Schriftsatz zu versenden. Nach der etablierten Rechtsprechung des BGH ist es in solchen Situationen nicht erforderlich, dass der Anwalt den fehlerhaften Schriftsatz vernichtet, durchstreicht oder in sonstiger Weise unbrauchbar macht. Entgegen der Auffassung des OLG bedarf es auch nicht einer ausdrücklichen Anweisung an die Kanzleikraft, den fehlerhaften Schriftsatz zu vernichten. Eine solche Anweisung ist bereits konkludent in dem Auftrag enthalten, den korrigierten Schriftsatz zu versenden. Der Anwalt darf sich auch ohne diesbezügliche Klarstellung darauf verlassen, dass beide Anweisungen befolgt werden.

Praxistipp: Um unnötige Weiterungen zu vermeiden, erscheint es in solchen Situationen dennoch empfehlenswert, den fehlerhaften Schriftsatz mit einer eindeutigen Kennzeichnung zu versehen, die einen versehentlichen Versand verhindert.

Bezeichnung des Rechtsmittelgegners bei Streitgenossenschaft
Beschluss vom 18. Dezember 2018 – XI ZB 16/18

Mit den Anforderungen an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners befasst sich der XI. Zivilsenat.

Nach dem Widerruf von zwei Verbraucherdarlehensverträgen nahm der Kläger die Beklagte zu 1 auf Erstattung der auf den ersten Vertrag erbrachten Leistungen in Höhe von rund 5.000 Euro und die zum gleichen Unternehmensverbund gehörende Beklagte zu 2 auf Erstattung der auf den zweiten Vertrag erbrachten Leistungen in Höhe von rund 17.000 Euro in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. In seiner Berufungsschrift gab der Kläger nur die Beklagte zu 1 als Gegner an. In der Berufungsbegründung verfolgte er sein erstinstanzliches Begehren gegen beide Beklagten weiter. Das OLG wies die Berufung gegen die Beklagte zu 1 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Im gleichen Beschluss verwarf es die Berufung gegen die Beklagte zu 2 als unzulässig.

Der BGH weist die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Rechtsbeschwerde des Klägers zurück. Abweichend vom OLG hält der BGH die Berufung jedoch auch gegenüber dieser Beklagten für zulässig. Eine Berufungsschrift richtet sich im Zweifel gegen alle Streitgenossen auf der Gegenseite, die in erster Instanz obsiegt haben, sofern keine Anhaltspunkte vorliegen, aus denen sich eine beschränkte Einlegung des Rechtsmittels ergibt. Aus dem Umstand, dass nicht alle erstinstanzlichen Streitgenossen auf der Gegenseite ausdrücklich als Berufungsbeklagte benannt werden, darf ein solcher Beschränkungswille nicht abgeleitet werden, wenn eine Beschränkung angesichts des erstinstanzlichen Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fernliegend erschiene. Im Streitfall erschien eine Beschränkung fernliegend, weil das LG die Abweisung der Klage gegenüber beiden Beklagten auf die Erwägung gestützt hatte, die – gleichlautenden – Widerrufsbelehrungen seien ordnungsgemäß und der Widerruf sei deshalb verfristet. Im Ergebnis bleibt die Rechtsbeschwerde dennoch erfolglos, weil der BGH der materiell-rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen beitritt und deshalb die Berufung gegenüber der Beklagten zu 2 aus denselben Gründen wie das Rechtsmittel gegen die Beklagte zu 1 für unbegründet erachtet.

Praxistipp: Zur Vermeidung unnötiger Weiterungen erscheint es empfehlenswert, in der Rechtsmittelschrift stets alle erstinstanzlichen Gegner anzugeben. Die vollständige Angabe aller Rechtsmittelführer ist ohnehin stets erforderlich.