Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Möglichkeit zur Kündigung eines Wohnungsmietvertrags nach einer Zwangsversteigerung

Sonderkündigungsrecht nach Zwangsversteigerung einer Mietwohnung
Urteil vom 15. September 2021 – VIII ZR 76/20

Mit dem Verhältnis zwischen der gesetzlichen Regelung in § 57a ZVG und Kündigungsbeschränkungen im Mietvertrag befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte ist seit Mai 2005 Mieter einer Eigentumswohnung. Im Mietvertrag ist vereinbart, dass eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter ausgeschlossen ist. Im Oktober 2018 erwarben die Kläger die Wohnung durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren. Vier Tage später kündigten sie das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Die Räumungsklage war in den beiden ersten Instanzen erfolgreich.

Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Nach § 573d Abs. 1 BGB ist der Vermieter auch dann an die in § 573 und § 573a BGB normierten Beschränkungen gebunden, wenn ihm ein Recht zur außerordentlichen Kündigung mit der gesetzlichen Frist zusteht. Im Streitfall hängt die Wirksamkeit der Kündigung deshalb davon ab, ob der geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich besteht. Letzteres haben die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei bejaht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus § 573d BGB nicht, dass das Sonderkündigungsrecht aus § 57a ZVG durch Vereinbarungen zwischen dem (früheren) Vermieter und dem Mieter beschränkt werden kann. Nach § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber von vermietetem Wohnraum zwar grundsätzlich mit allen Rechten und Pflichten in den bestehenden Mietvertrag ein. Diese Regelung wird aber durch den Zuschlag als privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt überlagert. Dessen Inhalt wird durch die Versteigerungsbedingungen bestimmt. Zu diesen gehört das in § 57a ZVG vorgesehene Sonderkündigungsrecht.

Praxistipp: Der Mieter kann im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 59 Abs. 1 ZVG beantragen, die Versteigerung mit der Maßgabe durchzuführen, dass das Sonderkündigungsrecht ausgeschlossen ist. Er kann dieses Ziel aber nur dann erreichen, wenn alle anderen Beteiligten zustimmen oder wenn ein Zuschlag zu diesen Bedingungen die wirtschaftlich günstigste Lösung darstellt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Zulässigkeit einer langfristigen Vertragsbindung in einem Mietvertrag über eine Flüchtlingsunterkunft.

Mietvertrag über Räume zur Unterbringung von Flüchtlingen
Urteil vom 23. Oktober 2019 – XII ZR 125/18

Mit einer Frage, die derzeit für viele Kommunen von Interesse sein könnte, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Kläger haben der beklagten Stadt Anfang 2016 ein Wohnhaus vermietet, in dem bis zu 14 Flüchtlinge Unterkunft finden sollten. Die monatliche Miete beträgt 2.645 Euro. Das Recht zur ordentlichen Kündigung ist im Vertrag für fünf Jahre ausgeschlossen. Wegen Rückgangs der Flüchtlingszahlen kam es nicht zu einer Belegung der Unterkunft. Die Beklagte kündigte den Vertrag zum 30.4.2017. Die Kläger traten dem entgegen. Ihre Klage auf Zahlung der Miete für Mai bis Dezember 2017 hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem Berufungsgericht darin bei, dass die Parteien das Recht zur ordentlichen Kündigung für die ersten fünf Jahre wirksam ausgeschlossen haben und die Kündigung der Beklagten deshalb unwirksam ist. Er lässt offen, ob es sich bei der maßgeblichen Vertragsbestimmung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. In AGB kann die Kündigung bei Wohnungsmietverträgen zwar für nicht mehr als vier Jahre ausgeschlossen werden. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist aber kein Vertrag über Wohnraummiete, weil die Beklagte die Räume nicht zur Nutzung für eigene Wohnzwecke erhalten hat, sondern zur Überlassung an Dritte. Die Beklagte ist auch nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Ein Mieter hat grundsätzlich das Risiko zu tragen, dass er die mangelfreie Mietsache nicht wie vorgesehen nutzen kann.

Praxistipp:  Mietverträge über Räume, die der Vermieter Dritten zu Wohnzwecken überlassen will, sind grundsätzlich nicht als Wohnraummietverträge zu qualifizieren. Wenn die Überlassung im Wege der Untermiete erfolgt, greifen die Vorschriften zum Schutz des Wohnungsnutzers in der Regel aber auch gegenüber dem Hauptvermieter. Bei gewerblicher Weitervermietung folgt dies aus § 565 BGB, bei Überlassung durch eine öffentliche Stelle aus der seit 1.1.2019 geltenden Sonderregelung in § 578 Abs. 3 BGB.

Montagsblog: Neues vom BGH

Mit der rechtlichen Möglichkeit einer dauerhaften Vermietung befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Wohnungsmietvertrag mit dauerhaften Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung
Urteil vom 8. Mai 2018 – VIII ZR 200/17

Der VIII Zivilsenat lässt einen dauerhaften Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung eines Wohnungsmietvertrags grundsätzlich zu.

Die Rechtsvorgänger des Klägers hatten an die Beklagten eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus vermietet. In dem Mietvertragsformular hatten die Vertragsparteien eine Klausel angekreuzt, wonach beide Parteien nicht berechtigt sind, das Vertragsverhältnis ordnungsgemäß zu kündigen. Die im Formulartext enthaltene Passage, wonach dies nur für die ersten vier Jahre gilt, hatten sie durchgestrichen. Zwei Jahre später erwarb der Kläger das Anwesen. Er kündigte den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs. Seine Räumungsklage blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verurteilte die Beklagten zur Räumung.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Dieses hat Vortrag der Beklagten übergangen, aus dem sich ergibt, dass die Vereinbarung über den Ausschluss des Kündigungsrechts individuell vereinbart wurde. Die Entscheidung des LG, das in der Klausel eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung gesehen hat, kann deshalb keinen Bestand haben. In einer Individualabrede kann das Recht zur ordentlichen Kündigung eines Wohnungsmietvertrags grundsätzlich dauerhaft ausgeschlossen werden. Eine Grenze bildet lediglich § 138 BGB. Nicht abschließend entschieden hat der BGH die Frage, ob entsprechend § 544 BGB nach Ablauf von dreißig Jahren eine außerordentliche Kündigung zulässig ist.

Praxistipp: Wenn die Wirksamkeit einer Vereinbarung davon abhängt, ob sie als Individualvereinbarung oder als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist, sollte die begünstigte Partei die Umstände, die für eine Individualvereinbarung sprechen, möglichst umfassend vortragen und unter Beweis stellen.